Stung by Songs: Josh Ritter - The Temptation of Adam

Es ist schon komisch, dass einem manche Songs auf Anhieb gefallen, während man bei anderen Jahre braucht, um ihre Qualitäten zu entdecken. Josh Ritters "The Temptation of Adam" schlummerte seit Jahren vergessen in meiner Musikbibliothek und es wäre wohl auch so geblieben, wenn "30 Days, 30 Songs" nicht gewesen wäre. Dabei handelt es sich um ein Projekt von Schriftsteller Dave Eggers, das jeden Tag (bzw. inzwischen sogar zweimal am Tag) einen Anti-Trump-Song veröffentlicht, damit The Donald nicht die Wahl gewinnt. Viele namhafte Künstler haben 30 Days Songs zur Verfügung gestellt, darunter Aimee Mann, R.E.M. oder Andrew Bird.

Die meisten Songs von 30 Days sind Neukompositionen, die sich speziell auf Donald Trump beziehen. Anders "The Temptation of Adam", das schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, hier aber in einer neuen Live-Version zu hören ist. Das Ausgangsszenario ist ein besonders ausgefallenes: Der Ich-Erzähler hat aus irgendwelchen Gründen Kontrolle über die Atombombe, die die Welt zerstören wird. Dann lernt er Marie kennen und die beiden verlieben sich - in einem Bunker hundert Meter unter der Erde. Bald wird Marie Adams Lebensinhalt. Er spürt allerdings, dass ihre Beziehung an der Erdoberfläche, außerhalb der Isolation des unterirdischen Bunkers, zum Scheitern verurteilte wäre. Deshalb ist er versucht, die Atombombe zu zünden, damit er und Marie für immer dort bleiben können.

"The Temptation of Adam" ist eigentlich kein lustiger Song, aber eben weil dieses Szenario so schräg ist, muss man doch irgendwie darüber lachen - etwa wenn Adam von "WW Ei Ei Ei" singt. Den Garten Eden mit einem Atombunker gleichzusetzen ist jedenfalls an Originalität kaum zu überbieten. Und obwohl das Lied die bevorstehende Apokalypse zum Thema hat, ist es doch unglaublich zärtlich. Einfühlsam erzählt Ritter, wie leicht es für Adam ist, sich in Marie zu verlieben - im Gegensatz zur Bombe, die er erst lieben lernen musste. Es ist eine gigantische Leistung, eine so einfallsreiche, so politische, so komische und so anrührende Geschichte in vier Minuten zu erzählen.

Ritter schrieb "The Temptation of Adam" während George W. Bushs Amtszeit, obwohl das wahnsinnige Grundszenario tatsächlich besser zu Trump passt. Denn auch wenn rechte Trolls einem glauben machen wollen, dass Hillary Clinton nach ihrer Amtseinführung den Dritten Weltkrieg anzetteln wird, ist es doch Trump der gesagt hat, dass wenn man Atomwaffen hat, sie auch nutzen solle. Umso wichtiger ist ein Projekt wie 30 Days (Untertitel: "Written & Recorded by Artists for a Trump-Free America"), das auf die Gefahren ein Trump-Präsidentschaft hinweist - und das oft auf saukomische Art. Man kann nur hoffen, dass Trump nächste Woche die Wahl verliert. Wenn nicht, sollten wir uns wahrscheinlich alle besser einen unterirdischen Bunker suchen.

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