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Es werden Posts vom 2011 angezeigt.

Today I Like... Mockingbird Time

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Bandreunions sind ja bekanntlich so eine Sache: Allzu oft hat man das Gefühl, dass sich die alten Säcke nur um des Kontostandes willen wieder zusammenraufen und nicht etwa aus einer gemeinsamen Leidenschaft für die Musik. Anders ist es bei den Jayhawks: Hier hatte ich nie das Gefühl, dass sie es gut sein lassen sollten, im Gegenteil. Ich wüsste keine Reunion, die ich mir mehr gewünscht habe. Wir reden hier schließlich von den Jayhawks, der perfekten Symbiose aus Power Pop und Country Rock. Big Star meets Buffalo Springfield. In den Neunzigern nahm die Band um Gary Louris und Mark Olson zwei Killeralben auf, Hollywood Town Hall und Tomorrow the Green Grass , inklusive so zeitlos-perfekter Songs wie „Waiting for the Sun“ und „Blue“. 1995 dann stieg Olson aus der Band aus um sich um seine MS-kranke Frau Victoria Williams zu kümmern. Mit Olson verschwand auch die Country Rock-Komponente, und selbst wenn Louris unter dem Jayhawks-Label noch einige hübsche Popsongs fabrizierte, war es dan

Today I Like... A Creature I Don't Know

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Meine erste “Begegnung” mit Laura Marling war eher untypisch: Ich mietete ein Zimmer, in dem ein Poster von ihr an der Wand hing. Das altmodische Schwarzweiß, die anmutige Figur in der Mitte, die jugendlich und erwachsen zugleich wirkte und der simpel-trotzig-weise Albumtitel I Speak Because I Can sprachen mich sofort an. Ich hörte besagte Platte und war augenblicklich verzaubert von der unvergleichlichen Schönheit, die Songs wie “Rambling Man“ und “Goodbye England (Covered In Snow)“ innewohnt. September 2011. Aus dem Zimmer bin ich längst ausgezogen, aber Laura Marling habe ich nicht vergessen. Die Frau ist, man kann es nicht anders sagen, ein Phänomen: Geboren in Hampshire, England, lernte sie mit fünf Jahren Gitarre spielen. Mit 15 folgten erste Auftritte, mit 16 der erste Plattenvertrag. Und jetzt, mit 21 Jahren, nur 18 Monate nach I Speak Because I Can , veröffentlicht sie ihr drittes Album A Creature I Don’t Know. Das neue Album ist noch einmal eine Steigerung zum vorzügliche

Today I Like... William Elliott Whitmore & Tyler Lyle

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William Elliott Whitmore Einerseits ist es schon merkwürdig, dass ich erst bei seiner dritten Daytrotter -Session auf den guten Mann aufmerksam geworden bin, andererseits, wie heißt es doch so schön: Besser spät als nie. Wenn ich William Elliott Whitmore höre denke ich an den letzten Streifen einer glutroten Sonne, die hinter der langen, flachen, schwarzen Prairie verschwindet und einen Mann mit Banjo, der sich allein vor einem funkensprühenden Lagerfeuer die Seele aus dem Leib singt. Okay, vielleicht ein etwas klischeehaftes Bild, aber Whitmores Songs sind definitiv von der roughness und hardship der Landschaft geprägt, in der er aufgewachsen ist: Lee County, Iowa. Rau beschreibt Whitmores Musik dann auch am besten. Da ist zum einen natürlich seine Stimme, deren Vergleich mit Tom Waits definitiv naheliegend ist. Musikalische Vergleiche würde ich viel früher ansiedeln: Charley Patton und Charlie Poole fallen mir spontan ein (oder unter den Zeitgenossen: Lucero, Ryan Bi

Today I Like.../Books I've Read

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Musik: Gillian Welch – The Harrow And The Harvest Allein das Artwork würde schon reichen, The Harrow And The Harvest zu meinem Lieblingsalbum des Monats zu machen: Gillian Welch als eine Art Göttin in langem Kleid mit mysteriösem Handzeichen und neben ihr, ihr langjähriger Partner Dave Rawlings, der ihr etwas zuflüstert während eine Eule auf seiner Schulter hockt. Gibt es eigentlich noch die Albumcover-Analyse-Rubrik im Musikexpress? Für eine Entschlüsselung würde ich mir die Zeitschrift mal wieder kaufen. Aber nicht nur das Äußere, sondern auch das Innere ist phänomenal. Während mich das musikalisch ähnliche Paper Airplane von Alison Krauss & The Union Station eher kalt gelassen hat, ist Harrow eingeschlagen wie eine Bombe. Welch ist bisher ziemlich an mir vorbeigegangen – ich kannte natürlich ihren Namen und bin ein großer Fan von der Dave Rawlings Machine wo sie mitwirkt, aber ihre Soloalben waren mir unbekannt. Ihre musikalische „Erweckung“ hatte sie angeblich,

Litauen X: Epilog

Der Rückflug ging nicht ganz so zeitig, sondern erst um zehn. Um sieben Uhr musste ich dennoch aufstehen, was aber ganz gut war, da zweimal Leute klingelten, die darüber klagten, dass in den Doppelzimmern kein Strom war, erst auf Litauisch, dann auf Englisch. Ich konnte ihnen natürlich nicht weiter helfen, sondern sagte nur, dass ich bloß Gast sei und sie in das andere Hostel gehen müssten, da die Rezeptionistin sich dort befände. Wie sich später herausstellte, waren die beiden Personen ein Paar. Obwohl ich ihm zuerst gesagt hatte, dass ich da nichts machen kann, kam sie ein paar Minuten später und versuchte es noch mal. Spreche ich eigentlich so undeutlich? Zum Flughafen nahm ich wieder den Zug, der ganz passend fuhr, obwohl es nur einen in der Stunde gibt. Dort war alles etwas entspannter, es gab kein Lagerhallen-Terminal und das Gepäck wurde weder gewogen noch durchwühlt. Der Flug war auch recht unspektakulär, ein paar Turbulenzen, aber nicht so schlimm. Diesmal hatte ich so

Litauen IX: Noch einmal Vilne

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Wieder in der Stadt angekommen, machte ich damit weiter, mir die Dinge anzusehen, die ich bisher nicht gesehen hatte. Ich ging noch einmal in die Rūdninkų gatvė, wo ich vergeblich nach zwei Gedenktafeln gesucht hatte, aber diesmal war ich wenigstens so schlau gewesen, mir die Hausnummern zu merken. An der Nummer 18 fand ich schließlich die Tafel, die an das große Ghetto erinnerte. Der Text war derselbe wie beim kleinen Ghetto, abgesehen davon, dass von dort aus mehr als 30.000 Menschen nach Ponar geschickt wurden. Schließlich ging ich auch in den richtigen Innenhof, den von Nummer 8 und nicht von Nummer 4 und 6. Dort befand sich die Gedenktafel, die an den Judenrat (Judenratas auf Litauisch) erinnerte. Der Judenrat war eine administrative Behörde, die die Nazis zusammenstellten. Meist handelte es sich um führende Mitglieder der ehem. kehile , Gemeinde, die dann gezwungen waren, für die Ausführung von Nazi-Befehlen zu sorgen, z.B. die Einsammlung von Wertsachen oder die „Ber

Litauen VIII: Trakai

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An meinem letzten richtigen Tag wollte ich noch etwas vom ländlicheren Litauen sehen. Na ja, in der Frühphase meiner Planung hatte ich eigentlich überlegt, für einen Tag nach Weißrussland zufahren, weil Vilnius nicht weit weg ist von der Grenze, aber nachdem ich die extrem strengen Visabestimmungen gesehen habe, befand ich, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Außerdem hatte das Auswärtige Amt gewarnt, dass sich die Gesetze plötzlich und ohne Ankündigung ändern können. Neulich etwa wurde ja öffentliches Klatschen verboten, da einige dies als Protest getan hatten. Man stelle sich vor, man weiß nichts davon, fährt nach Belarus und applaudiert meinetwegen einem Straßenmusiker, und plötzlich findet man sich in irgendeinem Verließ bei Wasser und Brot. So ist es wohl doch besser, Länder zu meiden, die von Verrückten regiert werden. Neulich habe ich aber geträumt, dass ich in Belarus war. Ich sah einer Gruppe Kindern in merkwürdigen Trachten zu, was ganz interessant war, doch dann hatte

Litauen VII: Von Aleph bis Zappa

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Nach dem ganzen Horror musste ich mich erstmal ablenken und bin ins „Tiger“ gegangen, um Mitbringsel für die Familie zu kaufen. Dort findet man alles von Schreibwaren über Spielsachen bis hin zu Küchengeräten. So ähnliche Geschäfte hatte es auch in Melbourne gegeben und ich habe sie geliebt, aber im Gegensatz zu Melbourne war in Vilnius alles bezahlbar, einzig der Platzmangel in meiner Tasche verhinderte ein shopping spree . Anschließend habe ich mich daran gemacht, alle jene Sehenswürdigkeiten abzuklappern, die mir bisher noch fehlten. Zuerst machte ich einen Abstecher zur Büste von Frank Zappa, die man vielleicht nicht unbedingt in Vilnius erwartet, but there it is . Meines Wissens ist es das erste Denkmal von Zappa außerhalb der Vereinigten Staaten. Danach ging es weiter zum ehemaligen YIVO-Institut, das am westlichen Rand der Altstadt liegt. Das war ein bedeutender Ort für das Jiddische, aber heute gibt es nichts, das daran erinnert. Das Gebäude ist nicht mehr ganz taufrisc

Litauen VI: The Morning I Got to Hell (Teil 2)

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Am Samstag habe ich erstmal länger geschlafen, in erster Linie, weil die anderen alle zur selben Zeit aufgestanden sind und ich gewartet habe, bis das Bad frei war. Danach habe ich mich daran gemacht, meinen eigentlichen Plan vom Vortag aufzugreifen und mir das Museum der Genozidopfer anzusehen. Auf dem Weg dorthin kam ich am Rathaus vorbei, wo ich eine wunderbar klingende Musik vernahm. Auf den Stufen saß ein Jugendorchester, das hauptsächlich Flöten und, festhalten, ziemlich große Hackbretter spielte. Ich hatte noch nie solche Hackbretter „live“ gesehen, geschweige denn gehört und war ganz fasziniert. Wenn ich das Orchester hörte, sah ich tiefe, dunkle Wälder und Feen vor meinem geistigen Auge, ein echter Mittsommernachtstraum. Leider waren sie noch bei der Probe und nach einem Stück war alles vorbei. Ich wartete bestimmt noch 20 Minuten vergeblich darauf, dass sie noch einmal etwas anstimmten, bevor ich weiter ging. Das Museum befindet sich in der Gediminos Prospektas, d