Sometimes a Nightmare Is a Reality

Vor einer Woche habe ich noch gesagt, dass wir uns wohl alle einen unterirdischen Bunker suchen müssen, wenn Donald Trump zum Präsidenten gewählt wird. Das war freilich nicht ernst gemeint, da ich mir im Leben nicht vorstellen konnte, dass The Donald Präsident wird. Doch nun ist das Unvorstellbare tatsächlich eingetreten. Als heute morgen um zwei Uhr der Wecker klingelte, war die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Ich verfolgte eine Stunde lang die Wahlergebnisse, aber da nichts Wesentliches passierte, legte ich mich wieder hin. Dass noch so viele Staaten too close to call waren, kam mir ein bisschen komisch vor, aber ich nahm es hin, dass das Rennen wohl doch ein bisschen knapper ausfallen würde als gedacht. Umso größer war mein Entsetzen, als um fünf Uhr erneut der Wecker klingelte und ich feststellen musste, dass Trump Florida UND North Carolina UND Ohio gewonnen hat. Das konnte einfach nicht sein. Ich wollte nicht wahrhaben, dass Mr. Tangerine Man sich tatsächlich auf direktem Weg ins Weiße Haus befand, doch je mehr Stimmen ausgezählt wurden, desto klarer wurde, dass Hillary Clinton diese Wahl wirklich verloren hat.

Zwölf Stunden später fällt es mir immer noch schwer zu glauben, dass die USA tatsächlich jemanden zum Präsidenten gewählt haben, der rassistisch ist, der sexistisch ist, der mutmaßlich ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt hat, der Folter für eine legitime Verhörmethode hält, der jahrzehntelang das Zahlen von Steuern umgangen hat und stolz darauf ist und der vom Ku Klux Klan unterstützt wird - um nur einige Punkte zu nennen. Aber das alles spielt offensichtlich keine Rolle. All das ist egal, so lange man "denen da oben" mal so richtig schön den Stinkefinger zeigen kann. Anders kann ich mir nicht erklären, dass über 40 Prozent der Frauen und fast 30 Prozent der Hispanics für ihn gestimmt haben. Dass ihn über 80 Prozent der evangelikalen Christen gewählt haben, ist hingegen nur ein weiterer Beweis dafür, dass Kernwerte des Christentums wie Nächstenliebe keine Bedeutung für diese Menschen haben.

Ich kann verstehen, dass die Menschen von der Politik frustriert sind. Auch wenn es meiner Meinung nach die Republikaner waren, die mit ihrer Blockadehaltung das politische Klima vergiftet haben. Hillary Clinton ist auch weiß Gott nicht meine Traumkandidatin, aber wie kann man die durchaus kritikwürdige E-Mail-Affäre und die dubiosen Spenden an die Clinton-Stiftung als schlimmer erachtet als das, was Donald Trump getan hat? Diese enorme Hass auf Hillary Clinton übersteigt meiner Ansicht nach jegliche Vernunft und ich kann mir nicht helfen, dass das auch daran liegt, dass sie eine Frau ist. Trump ist schillernd, Clinton ist schrill, Trump ist ambitioniert, Clinton ist überehrgeizig, Trump ist selbstbewusst, Clinton ist arrogant. Viele Stereotype scheinen in der öffentlichen Wahrnehmung noch fest verankert zu sein, wie Sam Bee sehr schön ausgeführt hat. Besonders leid tut es mir für diese Frauen, die vor der Einführung des Frauenwahlrechts geboren wurde und 96 Jahre auf eine Präsidentin gewartet haben. In ihrer Lebenszeit werden sie dies nun höchstwahrscheinlich nicht mehr erleben. Überhaupt steht die Möglichkeit einer Präsidentin plötzlich wieder ziemlich weit in den Sternen.

In Deutschland ist naturgemäß viel über die außenpolitischen Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft diskutiert worden, aber mich interessieren eher die innenpolitischen Folgen. In den letzten Jahrzehnten haben die USA und der Westen endlich Fortschritte gemacht, was die Gleichberechtigung von Frauen, Homosexuellen und ethnischen Minderheiten betrifft. Trump, die wandelnde Giftspritze, hingegen hat mit seinen Äußerungen den offen gezeigten Hass auf Frauen, Homosexuelle und Nicht-Weiße wieder salonfähig gemacht. Nach der Brexit-Wahl ist die Zahl der Hassverbrechen im UK deutlich angestiegen, ich vermute, dass es in den USA auch so sein wird. Und was ist, wenn Trump einen erzkonservativen Supreme-Court-Richter einsetzt und wichtige Errungenschaften wieder rückgängig gemacht werden? Werden wieder zahlreiche Frauen an illegalen Abtreibungen sterben, werden Afroamerikaner wieder gelyncht, werden "feindliche Ausländer" wieder in Lagern interniert? Das mag ich mir aktuell nicht vorstellen, aber nach dieser Wahl erscheint alles möglich. Trump ist kein Diktator, aber er hat den Senat und das Repräsentantenhaus und damit schon einmal deutlich mehr Spielraum als Barack Obama.

Die Hoffnung will ich aber nicht aufgeben. Die Hoffnung, dass dieser Spuk nach vier Jahren wieder vorbei ist und ein vernünftiger Kandidat das Rennen macht. Zum einen ist da natürlich Trumps Alter. Zum anderen habe ich die Hoffnung, dass Trump seine Präsidentschaft wie seine Casinos, seine Zeitschrift, seine Universität, seinen Wodka oder seine Steaks in den Sand setzen wird. Ich bin sehr gespannt, ob er in vier Jahren immer noch so viel Rückhalt in der Bevölkerung hat. Was werden seine Wähler sagen, wenn es ihm nicht gelingt, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen? Wenn es ihm nicht gelingt, das Wirtschaftswachstum zu verdoppeln? Wenn es ihm nicht gelingt, Millionen Jobs aus dem Ausland zurück zu holen? Wenn es ihm nicht gelingt, einen bedeutenden Sieg im Kampf gegen den Terror zu erzielen? Vielleicht merken die Leute dann, dass es einfach ist große Reden zu schwingen, aber schwer, diesen Taten folgen zu lassen. Vielleicht merken auch die Menschen in Europa, dass Großmäuler wie Frauke Petry, Marine LePen oder Geert Wilders keine Lösung sind. Aber vielleicht ist es den Leuten auch einfach egal, so wie ihnen Trumps menschenverachtende Haltung egal ist.

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