Movie Night: The Harvey Girls


Als einer der besseren Filme in Judy Garlands Filmographie gilt The Harvey Girls von 1946. Die Harvey Girls waren die Kellnerinnen in den Restaurants der Fred Harvey Company, der ersten Restaurantkette in den USA. Die Harvey-Filialen befanden sich entlang der Bahnlinien Richtung Kalifornien und die durch und durch sauberen Harvey Girls sollen dabei geholfen haben, den wilden Westen zu zivilisieren. The Harvey Girls, das auf dem gleichnamigen Roman von Samuel Hopkins Adams basiert, sieht sich selbst als Denkmal an diese "Pionierinnen".

Aber das ist MGM und die prüden Vierziger, ganz so wild ist der wilden Westen der Harvey Girls also nicht. Es gibt zwar einen Saloon, das Alhambra, aber die Zensurbehörde hatte ihr Auge darauf, dass die Can-Can-Tänzerinnen nicht zu viel Bein zeigen. Es bleibt also im Wesentlichen bei ungewaschenen, Bier trinkenden und Karten spielenden Cowboys. Inhaber des besagten Saloons in Sandrock, Arizona ist Ned Trent (John Hodiak). Für seinen Kumpel H.H. Hartsey (Chris Wills) beantwortet Trent in bester Cyrano-de-Bergerac-Manier die Briefe, die Hartsey auf eine Heiratsanzeige erhalten hat. Dessen poetische Schilderungen von Tälern im goldenen Sonnenlicht veranlassen Susan Bradley (Garland) prompt dazu, ihr heimisches Ohio zu verlassen und nach Sandrock zu kommen, um Harstey zu heiraten. Im Zug lernt Susan eine Truppe munterer Harvey-Girls kennen, die in dem neuen Harvey-Restaurant in Sandrock arbeiten sollen, darunter auch Deborah Andrews (Cyd Charisse in ihrer ersten Sprechrolle). Es kommt wie es kommen muss: Susan stellt fest, dass Hartsey erstens nicht ihr Typ und zweitens nicht der Briefeschreiber ist. Da er aber auch nicht so viel mit Susan anfangen kann, entscheiden sich beide, das mit der Ehe sein zu lassen, woraufhin Susan sich den Harvey Girls anschließt. Das ist nur der Auftakt einer Reihe Konflikte. Saloonsängerin Em (Angela Lansbury) ist eifersüchtig auf Susan, die mit ihrer selbstbewussten Art Trents Interesse erregt hat. Die Freunde des Saloons versuchen derweil, das Harvey-Restaurant, in dem sie einen unliebsamen Konkurrenten sehen, aus der Stadt zu vertreiben.

Auch wenn die Geschichte dünner ist als ein Blatt Papier, ist The Harvey Girls doch erstaunlich witzig. Die Späße sind zwar eher harmloser Natur, aber wenn Garland so unbedarft wie entschlossen mit zwei Pistolen in den Saloon stapft um die geklauten Fleischwaren zurückzuholen, das ist das im wahrsten Sinne des Wortes zum Schießen. Überhaupt sind es die zahlreichen hochkarätigen Darsteller, die The Harvey Girls so unterhaltsam machen, darunter Marjorie Main (Katie aus Meet Me in St. Louis) als liebevolle, aber handfeste Patronin oder Virginia O'Brien als zupackende Alma. Die Rolle des ängstlichen Hufschmieds Chris ist dramaturgisch völlig überflüssig, aber ermöglicht uns ein Wiedersehen zwischen Garland und Ray Bolger, der Vogelscheuche aus The Wizard of Oz. Bolger darf nicht nur ausgiebig sein clownhaftes Talent zeigen, sondern hat auch ein beeindruckende Tap-Nummer.

Da man natürlich schnell weiß, wohin die Geschichte geht, gibt es umso mehr Platz für Songs. Und The Harvey Girls hat sehr viele Songs, dabei haben es noch nicht einmal alle Lieder in die finale Schnittfassung geschafft. Im Zentrum des Films steht "On the Atchison, Topeka and the Santa Fe", ein gut acht-minütiges Epos, bei dem so ziemlich alle Darsteller und Statisten um den gleichnamigen Zug herum singen und tanzen. Ein fantastischer Song aus der Feder von Johnny Mercer und Harry Warren, gegen den die anderen, eher balladenhaften Titel, leider etwas abfallen. Immerhin darf Virginia O'Brien bei "The Wild, Wild West" noch einmal ihr komisches Talent demonstrieren, bevor sie den Film aufgrund ihrer Schwangerschaft verlassen musste.

Die Dreharbeiten von The Harvey Girls verliefen alles andere als geschmeidig. Judy zeigte immer mal wieder Starallüren und erschien nicht am Set, mehrere Schauspieler und Stuntmen verletzten sich, die Zensurbehörde und der Vertreter der Harvey-Company moserten. Dem Endprodukt ist von all den Schwierigkeiten jedoch nichts anzumerken. George Sidney inszenierte The Harvey Girls als opulentes Western-Musical mit unzähligen Statisten, ausladenden Sets, prächtigen Kostümen und einem überraschenden Maß an Action. Allein "On the Atchison, Topeka and the Santa Fe" - das ein Vorläufer für die grandiosen MGM-Ballette der Fünfziger sein könnte - ist so atemberaubend, das man gerne die kleinen Schwächen verzeiht.

Fazit: Zahmes, aber unterhaltsames Musical, das von Garland, den Nebendarstellern und seinem tollen Hauptsong lebt.

Kommentare