Books I've Read: Christopher Finch - Rainbow: The Stormy Life of Judy Garland





Abgesehen von Fred Astaire und Gene Kelly gibt es wohl niemanden, der so für das klassische Hollywood-Musical steht wie Judy Garland. Ich habe bei weitem nicht alle ihre Filme gesehen, aber die, die ich mir angeschaut habe, gehören zu meinen liebsten Musicals überhaupt: The Wizard of Oz, Meet Me in St. Louis und Easter Parade. Da ich mehr über die Person Judy Garland hinter der Legende erfahren wollte, habe ich Christopher Finchs Biographie Rainbow: The Stormy Life of Judy Garland gelesen, die gemeinhin als eine der besten gilt. Finchs Buch erschien bereits 1975, nur wenige Jahre nach Judys Tod. Zum damaligen Zeitpunkt lebten noch einige ihrer Weggefährten, allen voran ihre Schwester Jimmie, Finchs wichtigste Quelle.

Schon der Beginn von Judys Existenz stand alles andere als unter einem guten Stern: Nach zwei Töchtern waren ihre Eltern Francis und Ethel Gumm überhaupt nicht begeistert von der Schwangerschaft und wollte diese abbrechen. Auf Anraten eines Freundes überlegten sie es sich jedoch anders, sodass Judy am 10. Juni 1922 als Frances Ethel Gumm in Grand Rapids, Minnesota zur Welt kam. Judys Eltern waren Vaudeville-Entertainer und auch ihre zwei älteren Schwestern Mary Jane "Suzanne" und Dorothy Virginia "Jimmie" verfügten bereits über Bühnenerfahrung. "Baby", wie Judy genannt wurde, zeigte schon früh ein besonderes Talent: Im zarten Alter von zwei musste ihr Vater sie förmlich von der Bühne seines Kinos zerren, weil sie nicht aufhören wollte, "Jingle Bells" zu singen.

Gerüchten zufolge war Frank Gumm homo- oder bisexuell, was ein Grund dafür gewesen sein mag, dass die Familie 1926 nach Lancaster in Kalifornien zog, wo sie ebenfalls ein Kino betrieb. Ein anderer Grund war möglicherweise, dass Ethel Gumm die Showkarriere ihrer Töchter vorantreiben wollte, auch wenn Finch sich bemüht zu zeigen, dass sie nicht die überehrgeizige Showbiz-Mom war, als die sie Judy oft hingestellt hat. Wie auch immer, die Gumm Sisters tourten fleißig durch die westlichen amerikanischen Staaten und hatten 1929 sogar ihren ersten Auftritt auf Zelluloid in dem Kurzfilm The Big Revue. Da der Name Gumm allerdings für Gelächter beim Publikum sorgte, änderten sie ihn 1934 in Garland. Alle Mädchen bekamen zudem neue Vornamen und aus Baby wurde Judy. Ein Jahr später trennten sich die Schwestern allerdings, als Suzanne heiratete.

Judy bekam derweil die Chance, sich bei MGM vorzustellen. Tatsächlich wurde sie unter Vertrag genommen, auch wenn das Studio zunächst nichts mit ihr anzufangen wusste. Sie hatte die Statur eines Kindes und die Stimme einer Erwachsenen, und sie war keine klassische Hollywood-Schönheit (wobei ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, warum sie immer als hässliches Entlein dargestellt wird). Ein weiterer Tiefschlag folgte 1935, als Judys Vater an einer Hirnhautentzündung starb. Aufwärts ging es für sie erst drei Jahre später, als sie einen Auftritt in Broadway Melody of 1938 hatte und mehrere erfolgreiche Filme mit Mickey Rooney drehte.

The Wizard of Oz machte sie ein Jahr später zu einem Star - genau genommen zu MGMs größtem Star. Doch während Garland einen erfolgreichen Film nach dem nächsten drehte, kamen immer mehr ihre psychischen Probleme zum Vorschein, vor allem ihre Tablettenabhängigkeit. Sie litt unter Schlaflosigkeit und war von MGM mit zahlreichen Pillen ausgestattet worden, bis sie nicht mehr ohne sie konnte. Judys gesamte folgende Karriere war die reinste Achterbahnfahrt: Erfolge, darunter Meisterwerke wie eben Meet Me in St. Louis, wechselten sich mit Totalabstürzen ab. Nicht selten verlor sie Rollen, weil sie verspätet oder gar nicht zum Set erschien. Ihre Ehen, darunter mit Regisseur Vincente Minnelli, waren von kurzer Dauer und von vielen Auseinandersetzungen geprägt.

Ein Wendepunkt kam 1950, als MGM sie endgültig feuerte. Garland versuchte, sich das Leben zu nehmen (auch wenn die zugefügte Schnittwunde am Hals eher oberflächlich war). Nach einer Auszeit widmete sie sich vor allem der Bühne, wofür die Fans sie frenetisch feierten, etwa bei einem legendären Konzert in der Carnegie Hall. Auch in einigen Filmen spielte sie mit, darunter Judgment at Nuremberg. Da sie chronisch pleite war, drehte sie auch eine wöchentliche Fernsehsendung namens The Judy Garland Show, die trotz positiver Kritik jedoch nach einer Staffel abgesetzt wurde. Von da an ging es immer weiter bergab: Judy enttäuschte auf der Bühne und erschien nicht am Filmset. Auch von den Tabletten kam sie nicht los. Am 22. Juni 1969 starb sie in London an einer versehentlichen Überdosis von Barbituraten. Sie war 47 Jahre alt.

Finch gelingt es in Rainbow, die Person hinter der Legende zu zeigen (wobei er leider recht wenig zu ihren Filmen sagt). Vor allem hat er keine Scheu, all die Mythen und Geschichten, die Judy selbst erzählte, zu entkräften. So war Judys Mutter wohl nicht das Monster, als das sie sie dargestellt hat, und auch MGM war nicht durchgängig teuflisch. Sie hatte viele Freunde und Unterstüzter im Studio, wenngleich dessen "Pillenpolitik" sicher großen Anteil an Judys Problemen hatte. Garland war ein komplexer und auch sehr schwieriger Mensch, wie Finch durch viele Interviews mit Zeitgenossen zeigt. Interessant waren die Unterschiede zu anderen Biographien: Während John Fricke etwa behauptet, dass sich Garland und Astaire vor Easter Parade nie begegnet sind, erzählt Finch, dass sich die beiden schon lange vorher kannten. Da der mit Astaire persönlich gesprochen hat, glaube ich ihm eher. Dennoch zeigt sich ans solchen Stellen, dass man Judy Garland wohl nie wird ganz ergründen können. Judys Leben war voller Höhen und Tiefen. Sie konnte unzuverlässig und sie konnte gemein sein, eine richtige Diva. Aber Judy war auch eine liebende Mutter (unter anderem von Liza Minnelli), eine enthusiastische Künstlerin und ein Naturtalent, das mit Leichtigkeit alle in Grund und Boden singen und spielen konnte, und das die Leinwand zum Strahlen brachte. Denn eins steht trotz aller biographischen Unsicherheiten fest: Wenn es Judy Garland gut ging, dann war sie die Beste.

Fazit: Sachliche, aber liebevolle Biographie mit vielen tollen Fotos.

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