Books I've Read: Riad Sattouf - The Arab of the Future 2





Vielleicht erinnert ihr euch: Anfang des Jahres las ich den ersten Teil von Riad Sattoufs autobiographischer Graphic Novel The Arab of the Future, oder, wie sie auf Deutsch heißt, Der Araber von Morgen. Zunächst wusste ich nicht, dass es von dem Werk auch eine deutsche Übersetzung gibt, was in sofern bedauerlich war, als dass die deutsche Version des zweiten Teil einige Monate früher erschienen ist als die englische. Da ich den ersten Teil auf Englisch besitze, wollte ich aber nicht mittendrin die Sprache wechseln, sodass ich eine ganze Weile warten musste, bis ich endlich die Fortsetzung lesen konnte.

Im ersten Teil hatte Sattouf erzählt, wie sich seine Mutter Clémentine, eine Französin, und sein Vater Abdel-Razak, ein Syrer, kennengelernt haben. Nach dessen Promotion zieht die junge Familie, einschließlich Riad, zunächst nach Libyen, dann nach Syrien in das Heimatdorf seines Vaters in der Nähe von Homs. In der Anfangszeit hat Riad noch erhebliche Schwierigkeiten, sich einzugewöhnen. Zu Beginn des zweiten Teils, der die Jahre 1984 und 1985 umfasst, hat sich der Junge einigermaßen eingelebt, aber vieles erscheint ihm befremdlich, um nicht zu sagen beängstigend.

Riads Leben ist von Terror bestimmt - im Sinne einer alles erfüllenden, tief sitzenden Angst. Vor allem seine Einschulung bereitet ihm Alpträume. Schon im Vorfeld hatte Riad Geschichten von brutalen Lehrern gehört, die auf die Kinder eindreschen. Tatsächlich schlägt seine Lehrerin die Jungen (Mädchen gibt an der Schule nicht) bei jeder Kleinigkeit mit einem Stock auf die Finger. Der Unterricht besteht im Wesentlichen aus dem Singen der syrischen Nationalhymne, dem Zählen von Äpfeln und dem Vorlesen des Korans - dass kein Schüler dessen Inhalt versteht, interessiert nicht weiter. So viel zu den Träumen seines Vaters, der den festen Glauben hat, dass "der Araber von Morgen" allen anderen aufgrund seiner Bildung überlegen sein wird. Die Schule scheint vornehmlich dazu da zu sein, die Kinder im Sinne des Assad-Regimes zu indoktrinieren. Im Vorfeld der Wahl - die Assad Senior mit 100 Prozent Zustimmung "gewinnt" - schärft die Lehrerin ihren Schülern ein, dass sie bitte ihre Eltern erinnern sollen, mit "Ja" für Assad zu stimmen. In den Pausen versucht Riad mit aller Macht zu beweisen, dass er kein Jude ist, wie alle aufgrund seiner blonden Haaren und seiner halb-französischen Herkunft denken, da er sonst halbtot geprügelt würde.

Wie der erste Teil hat auch die Fortsetzung von The Arab of the Future ihre humorvollen Momente, diesmal bleibt einem das Lachen allerdings noch häufiger im Halse stecken. Es ist einfach nur absurd, dass die Leute Syrien für das großartigste Land der Welt halten, obwohl die Häuser auseinander fallen und es die meisten Zeit nicht einmal Strom gibt. Erst nach langem Reden kann Clémentine Abdel überzeugen, moderne Küchengeräte wie eine Waschmaschine oder einen Herd anzuschaffen, die aus Europa nach Syrien geschmuggelt werden müssen.

Am erschreckendsten ist, wie sehr die Religion das Leben selbst der angeblich säkularen Bevölkerung bestimmt. Abdel, immerhin Wissenschaftler, hat für die Ruinen für Palmyra nur Verachtung übrig, da sie aus vor-arabischer Zeit stammen. Regelrecht das Blut in den Adern gefriert einem, als Riad mitbekommt, dass seine geliebte Cousine von ihrem Vater und Bruder ermordert wurde, weil sie, verwitwet und nicht neu verheiratet, schwanger geworden ist. Die Sattoufs zeigen die Täter - auch auf Drängen von Clémentine - an, doch auf Druck des Dorfes geben sie an, dass es sich um einen Ehrenmord handelt, sodass die Männer nach drei Monaten Gefängnis frei kommen und als Helden gefeiert werden.

In The Arab of the Future wird der Leser zum Kind - wie Riad sind wir entsetzt und fassungslos über die Zustände im Syrien unter Hafez Al-Assad. Die Zeichnungen sind dabei schlicht, aber effektiv: die verprügelten Kinder etwa haben übergroße Augen und von Schmerz deformierte Körper, so wie sie dem kleinen Riad vorgekommen sein müssen. Wie in der vorherigen Ausgabe ist The Arab of the Future farblich angenehm zurückhaltend: die Szenen in Syrien sind in ein helles Rot, die in Frankreich in taubenblau getaucht. Nur wenn er Gewalt zeigt, färbt sich alles in ein tiefes Rot.

Auch der zweite Teil von The Arab of the Future ist ein beeindruckender, wenngleich verstörender Blick in das Syrien der Achtzigerjahre. Durch die Augen eines Kindes erhält der Leser Einsicht in eine altertümliche, von Gewalt geprägte Gesellschaft. Auch wenn diese Sicht natürlich subjektiv ist, ist das Buch eine zeitlose Geschichte über das absurde, brutale, alptraumhafte Leben in einer Diktatur. Ich bin schon sehr gespannt auf den finalen dritten Teil, auch wenn ich dafür wieder viele Monate des Wartens in Kauf nehmen muss.

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