Movie Matinee: Paterson

Sieben Tage im Leben eines Busfahrers? Die Handlung von Paterson klingt unspektakulär, und sie ist es auch. Dennoch handelt es sich hier bei um einen der außergewöhnlichsten Filme, den ich seit langer Zeit gesehen habe. Paterson (Adam Driver) wohnt in Paterson, New Jersey, gemeinsam mit seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) und Bulldogge Marvin. Der gleichnamige Film folgt ihm für eine Woche, von Montag bis Montag. Jeden Morgen steht Paterson zwischen 6 und 6.30 Uhr auf, frühstückt, geht zur Arbeit, fährt Passagiere durch die Stadt. In seiner Mittagspause aber, und das ist das Besondere, setzt er sich an die Großen Wasserfälle des Passaic River und schreibt Gedichte, inspiriert von den Beobachtungen, die er im Alltag macht. Abends, wenn er nach Hause kommt, hört er Lauras Ideen zu, die die ganze Wohnung in schwarz und weiß dekoriert und davon träumt, wahlweise einen erfolgreichen Cupcake-Laden zu eröffnen oder eine berühmte Country-Sängerin zu werden. Abends, wenn er mit Marvin Gassi geht, legt er einen Stop in seiner Stammkneipe ein, um mit Wirt Doc (Barry Shabaka Henley) zu plaudern.

Regisseur Jim Jarmusch gelingt es, aus den Schilderungen von Patersons Alltag ein Erlebnis zu machen. Trotz des nahezu immer gleichen Tagesablaufs ist Paterson niemals langweilig. Jeden Tag hört Paterson im Bus von seinen Fahrgästen andere Geschichten über die berühmten Söhne und Töchter der Stadt, darunter Boxer Hurricane Carter und Anarchist Gaetano Bresci. Außerdem trifft er immer wieder Dichter. Nicht nur sind Paterson und Laura liebenswert, die ganze Stadt ist voll faszinierender Personen, während Hund Marvin die Rolle des klassischen Bösewichts übernimmt.

Gerade seine Darstellung von Normalität, von Alltag, ist es, die Paterson geradezu radikal macht. Anstelle großer, überraschender Wendungen sind es die kleinen Dramen des Alltags, die die Handlung vorantreiben. Außergewöhnlich ist der Hauch von Surrealität, wie Laura Schwarz-Weiß-Obsession, die Wiederholung bestimmter Sätze oder das regelmäßige Auftauchen von Zwillingen. Daneben stellt der Film immer wieder durch Rezitationen und Einblendungen Patersons Poesie in den Mittelpunkt - dankenswerterweise auch auf Englisch, denn, wie heißt es in dem Film, Gedichte in Übersetzung sind wie Duschen mit Regenmantel. Außerdem ist Paterson oft umwerfend komisch, etwa wenn Paterson seinen Kollegen Donny (Rizwan Manji) morgens fragt, wie es ihm geht, und dieser eine schier unendliche Listen an Problemen aufzählt.

Daneben überzeugt Paterson mit einem tollen Ensemble, allen voran der hauptsächlich als Star-Wars-Bösewicht bekannte Adam Driver. Paterson ist ein sehr schweigsamer, geradezu stoischer Mensch, aber dank Drivers einfühlsamer Darstellung weiß der Zuschauer immer genau, was gerade in ihm vorgeht. Auch Golshifteh Farahani als kreative, unerschütterlich optimistische Laura und William Jackson Harper als liebeskranker Bargast Everett zeigen eine tolle Leistung. Kleiner Bonus ist, dass die Lyrik von William Carlos Williams, der immerhin ein fünfbändiges Versepos über Paterson verfasst hat, eine prominente Rolle spielt.

Fazit: Paterson ist ein herrlich normaler, verrückter, witziger und warmherziger Film über die Macht der Poesie.

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