Books I've Read: Michael Chabon - Moonglow





Michaels Chabons neues Buch Moonglow ist sein persönlichstes - zumindest scheint es so. 1989, kurz nach der Veröffentlichung seines ersten Buchs, besucht Chabon seine Mutter in Oakland. Diese kümmert sich um ihren krebskranken, im Sterben liegenden Vater - ein schweigsamer Mann, der unter dem Einfluss von Schmerzmitteln dem jungen Mike aus seinem Leben erzählt. Den Namen des Opas erfahren wir nie, Chabon spricht immer nur von "my grandfather". Aufgewachsen in Philadelphia in einer deutsch-jüdischen Familie, entpuppt sich der junge Opa als ziemlich cleverer Typ, hart arbeitend, aber immer auf der Suche nach Ärger. Das kulminiert in dem Versuch, aus Wut über seine Entlassung seinen Chef zu strangulieren.

Auch wenn der Großvater Mike bittet, seine Geschichte nicht in so einem nicht-chronologischen "Mishmash" zu erzählen, wie er es tut, springt Moonglow munter zwischen den verschiedenen Lebensabschnitten hin und her. Wir erfahren, wie der Großvater die Großmutter kennengelernt hat, eine französische Jüdin mit unehelichem Kind, Chabons Mutter, die sich während des Krieges in einem Nonnenkloster versteckt hat und deren Traumata sie in Form einer Halluzination von einem gehäuteten Pferd verfolgen. Wir erfahren, wie der Großvater, ein Modellraketenbauer, im Krieg als Teil einer Geheimdiensteinheit Jagd auf den Raumfahrt-Pionier und Nazi-Ingenieur Wernher von Braun machte. Und wie er nach dem Tod seiner Frau noch eine späte, kurze Liebe findet - entstanden durch die Absicht, eine Katzen fressende Schlange zu töten.

Chabon gibt sich alle Mühe, seinen Roman wie eine Autobiographie erscheinen zu lassen. Er gibt vor, die medizinischen Details seiner Großmutter studiert und mit Angehörigen von Personen, die Kontakt zu seinen Großeltern hatten gesprochen zu haben und flechtet angebliche Kommentare von seiner Mutter ein - nur um im Nachwort zu gestehen, dass alles "a pack of lies" ist. Gerade die Kriegserlebnisse des Großvaters, wie er quasi single-handedly Wernher von Brauns Verhandlungsposition gegenüber den Amerikanern schwächt, sind ein bisschen zu fantastisch, um wahr zu sein. Daneben beschreibt er die Erlebnisse des Großvaters in einem Detail, die ihn wie einen allwissenden Erzähler erscheinen lassen, bevor wir wieder in die intime Situation der Sterbebett-Lebensbeichte zurückkehren.

Wahr oder nicht, Moonglow ist ein großartiges Buch. Das liegt vor allem daran, dass der Großvater einfach ein äußerst faszinierender Mensch ist. Auf der einen Seite ist er einen streitlustiger Troublemaker, aber auf der anderen Seite ist er tief im Inneren von einem starken Gerechtigkeitsempfinden und Verantwortungsgefühl geprägt. Wenn der Opa seine angriffslustige Seite zeigt, verfügt der Roman über seinen herrlichen absurden Humor - etwa bei der versuchten Strangulation des Chefs oder wenn er eine besorgte Mutter dazu bringt, ihren Nazi-Partner anzugreifen. Das macht Moonglow stellenweise zu einem wilden Abenteuerroman, doch in erster Linie ist es eine große Liebesgeschichte. Es ist zutiefst anrührend, wie der Großvater zu seiner schwer traumatisierten, psychisch kranken Ehefrau hält und sich um die adoptierte Tochter kümmert.

Daneben ist Moonglow ein äußerst lesbares Buch. Während der Vorgänger Telegraph Avenue unter ausgedehnter Nerdiness litt, ist Chabons neuestes Werk ein vor Ideen sprühendes, humorvolles, trauriges, warmherziges und immer unterhaltsames Stück Literatur. Moonglow ist zweifellos das Buch, das meinem ewigen Liebling The Amazing Adentures of Kavalier and Clay stilistisch und thematisch am nächsten kommt: Eine Geschichte über die langen Schatten des Krieges, und eine Liebe, die alles überdauert.

Fazit: Vielleicht die beste falsche Autobiographie seit Dannie Abses There Was a Young Man from Cardiff.

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