Heavy Rotation: Drive-by Truckers und Hiss Golden Messenger

Drive-by Truckers - American Band


American Band - der Titel des neuen Drive-by Truckers-Albums klingt zunächst harmlos. Tatsächlich aber ist American Band das vielleicht explosivste Werk der Gruppe überhaupt. Pünktlich zur US-Wahl legen die Truckers eine Platte vor, die sich mit der aktuellen Lage des Landes beschäftigt. Auch wenn die Band schon immer politisch war, schon politisch wie hier waren sie noch nie. Rassismus, Gewalt, Verzweiflung - American Band hat es in sich. Der erste Titel, "Ramon Casiano", bezieht sich auf den 15-jährigen, unbewaffneten Mexikaner, der 1931 von Harlon Carter erschossen wurde. Carter wurde später Vorsitzender der NRA und war maßgeblich daran beteiligt, dass sich die NRA vom Sportschützenbund zum größten Waffenlobbyverband der USA entwickelte. Für den Mord an Ramon Casiano musste Carter sich nie vor Gericht verantworten. Angeblich erschoss er den Jungen in Notwehr - eine Argument, das frappierend an die Erschießung von Trayvon Martin erinnert. Waffengewalt ist allgegenwärtig auf dem Album. "Guns of Umpqua" ist aus der Sicht eines Opfers des Amoklaufs am Umpqua-College geschrieben, während "What It Means" davon erzählt, dass Afro-Amerikaner immer noch wesentlich häufiger Opfer von Waffengewalt sind als Weiße und dass die alten Vorurteile immer noch bestehen.

Allerdings sind nicht alle Titel so explizit politisch. "Sun Don't Shine" etwa ist eine Liebeserklärung an Patterson Hoods neuen Wohnort Portland, Oregon, während "Ever South" davon handelt, dass man immer Südstaatler bleibt, auch wenn man in den Norden zieht. In "Baggage" reflektiert Hood über den Suizid von Robin Williams und seine eigene Neigung zu Depressionen, und dass es manchmal eine dünne Linie zwischen Lachen und Verzweiflung ist. Während sich die Truckers textlich auf ein neues Level begeben, bleibt musikalisch alles beim Alten. Sie rocken so schön wie eh und je, wenngleich Cooley und Hood bei Songs wie "Once They Banned Imagine" oder "Sun Don't Shine" zeigen, dass sie auch die leiseren Töne gekonnt beherrschen. Schön ist auch "Kinky Hypocrite" mit Jay Gonzalez' groovigem Klavierspiel.

Im 20. Jahr ihres Bestehens zeigen die Drive-by Truckers, dass sie nach wie vor relevant sind - vielleicht sogar so relevant wie nie zuvor. Wenn ihr euch nur ein Album zur Wahl anhört, dann dieses hier. A great record by a true American band.




Hiss Golden Messenger - Heart Like a Levee


Wenn es einen Singer-Songwriter gibt, auf den man sich verlassen kann, dann ist es M.C. Taylor aka Hiss Golden Messenger. Alle zwei Jahre etwa haut der Mann ein grandioses Album raus und sein neuestes Werk Heart Like a Levee ist da keine Ausnahme. Der Sound ist unverkennbar Hiss Golden Messenger und doch hat Taylor seine Palette noch einmal ein bisschen erweitert. Auf Levee gibt es sowohl klassischen Alt-Country wie "Say It Like You Mean It" als auch harten Gitarren-Funk wie "Like A Mirror Loves a Hammer". Taylor wandelt zwischen Folk und Rock und ist dabei so eingängig wie noch nie, ohne jemals langweilig zu werden. Dazu sind die Lieder erstaunlich uplifting - auch wenn sie eigentlich gar nicht so fröhlich sind. "I'm not doing too well" heißt es etwa im Titelsong, der trotzdem wie ein erhabenes Gospelstück klingt. Taylors Charaktere sind bodenständig, aber die Zeiten sind hart. Anders als beispielsweise Jason Isbell übt er sich dabei nicht in klassischem Storytelling, seine Lieder sind eher poetische Reflektionen.

Auch demonstriert Taylor auf Heart Like a Levee erneut, dass er so schöne Lieder schreiben kann wie kaum ein anderer. Das beste Beispiel ist das elegische "Highland Grace" mit seinem süßen Saxofonspiel, dem schwebenden E-Gitarren-Sound und dem souligen Klavier. Van Morrison hätte es nicht besser hingekriegt. Aber auch die anderen Lieder bieten viel zum Liebhaben, wie etwa "Biloxi", ein musikalischer Road Trip in die Kindheit, oder "Cracked Windshield", ein leises Stück, das seine Instrumente dezent, aber gezielt einsetzt. Die Deluxe-Version von Levee enthält das Zusatzalbum Vestapol, das reduziertere, aber ebenso betörende Stücke bietet.

Hiss Golden Messengers Lieder sind wie eine Blumenwiese oder Kaffee am Sonntagmorgen. Man möchte sie immer um sich haben, in ihnen eintauchen und dort verbleiben. Weil sie zeigen, dass auch die Traurigkeit sehr viel Schönes bietet. Take all of the grace and all of the sorrow.

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