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Musik:

Gillian Welch – The Harrow And The Harvest

Allein das Artwork würde schon reichen, The Harrow And The Harvest zu meinem Lieblingsalbum des Monats zu machen: Gillian Welch als eine Art Göttin in langem Kleid mit mysteriösem Handzeichen und neben ihr, ihr langjähriger Partner Dave Rawlings, der ihr etwas zuflüstert während eine Eule auf seiner Schulter hockt. Gibt es eigentlich noch die Albumcover-Analyse-Rubrik im Musikexpress? Für eine Entschlüsselung würde ich mir die Zeitschrift mal wieder kaufen.

Aber nicht nur das Äußere, sondern auch das Innere ist phänomenal. Während mich das musikalisch ähnliche Paper Airplane von Alison Krauss & The Union Station eher kalt gelassen hat, ist Harrow eingeschlagen wie eine Bombe. Welch ist bisher ziemlich an mir vorbeigegangen – ich kannte natürlich ihren Namen und bin ein großer Fan von der Dave Rawlings Machine wo sie mitwirkt, aber ihre Soloalben waren mir unbekannt. Ihre musikalische „Erweckung“ hatte sie angeblich, als sie zum ersten Mal die Stanley Brothers hörte und genau in dieser Tradition steht das neue Album: Der gute alte Hillbilly/Old Timey/American Primitive – Sound, der auch mir sofort das Herz entflammt. Hinzu kommt, dass es sich bei Welch und Rawlings um zwei absolut perfekt miteinander harmonierende Sänger handelt.

Insgesamt ist es ein sehr ruhiges und trauriges Album, dass fast ausschließlich mit Gitarre und Banjo instrumentiert ist, mit Ausnahme vom etwas fröhlicheren „Six White Horses“. Erster Höhepunkt ist für mich „Dark Time of Mind“, wenn sie mit trauriger und sehnsüchtiger Stimme singt, nur von der Gitarre begleitet:

Take me and love me if you want me
Don't ever treat me unkind
'Cause I had that trouble already
And it left me with a dark turn of mind


Mein Favorit ist vielleicht “Down along the Dixie Line” das mich sofort an Holzveranden und Magnolienblüten denken lässt. Auch dieser Song erinnert stark an die Frühzeit amerikanischer Musik und Klassiker wie „Carry Me Back to Old Virginia“ und „White Dove“.

Way down in Dixie, oh do they miss me
Down along the Dixie Line
Banjos are strumming
Horseflies are humming
Ripe melons on the vine
The gold and the grey weeds
Saying look away
Way down along the Dixie Line

Can't you hear those drivers way?
Can't you see those bright rails shine?
Wanna catch that fireball man
Leave that North Land far behind


Wenn ich das höre, würde ich am liebsten sofort in ein Flugzeug nach Nashville, Memphis, Atlanta oder Jackson fahren. Dass das nicht geht, verstärkt nur meine Liebe für den Song. Can’t hardly keep from crying!

Weitere Höhepunkt des Albums ohne schlechte Songs sind „Hard Times“, eine herzzerreißende Geschichte über einen Mann, der seinen wertvollsten Besitz, sein Maultier, verliert, sowie „That’s the Way the Whole Thing Ends“, in dem der Bekannte der Erzählerin weinend in der Tür steht und Beistand sucht, obwohl er zuvor immer so überheblich war: „Standing in the backdoor crying, now you wanna be my friend.“ Welch kommentiert trocken: „That's the way the cornbread crumbles, that's the way the whole thing ends.” Einen besseren Abschluss gibt es nicht.




Townes Van Zandt

Wie ist es eigentlich möglich, dass ich den großen Sänger erst jetzt entdecke? Ich hatte natürlich von ihm gehört, da er fast jeden Musiker beeinflusst hat, den ich mag, und natürlich kannte ich seinen bekanntesten Song „Waitin’ around to die“, aber das war’s lange Zeit. Es ist das alte Problem: Es ist zuviel gute Musik auf der Welt, als dass man alles hören könnte was einen interessiert. Neulich habe ich mir das aber das Texas Troubadour-Boxset besorgt, das seine ersten sieben Alben sowie einige Live-Aufnahmen vereinigt.

Jetzt kann ich auf jeden Fall nachvollziehen, warum Van Zandt von Songwritern auf der ganzen Welt verehrt wird und auch Steve Earle verstehen, wenn er sagt, dass er in seinen Cowboystiefeln auf Bob Dylans Kaffeetisch steigen würde, um ihn zu sagen, das Townes der bessere Songwriter ist. Na ja, Dylan wird immer meine Nummer eins sein, aber Van Zandt spielt für mich definitiv in der selben Liga, zusammen mit anderen älteren Songwritergrößen wie Randy Newman, Tom T. Hall, Bruce Springsteen, Tom Waits und einigen anderen.

Ich kann gar nicht genug Gutes über Townes Van Zandt sagen. Hört euch am besten seine großartigen Songs an (mein aktueller Liebling: „Fare Thee Well, Miss Carousel“) und ihr werdet meine Begeisterung verstehen. Das Mann ist ein wahrer Poet, siehe hier:


Ich habe mir jetzt auf Empfehlung die Townes Van Zandt-Doku Be Here to Love Me bestellt und kann es kaum erwarten, sie mir anzusehen!




Literatur:

Ernest Hemingway:

Nachdem ich im Oktober A Farewell to Arms und neulich The Sun Also Rises gelesen habe, bin ich total infiziert von dem guten alten Schwerenöter. Ich habe mir jetzt For Whom The Bell Tolls bestellt und kann kaum erwarten, dass es endlich ankommt. An Hemingway scheiden sich ja bekanntlich die Geister, so hatte selbst mein Professor für Amerikanische Literatur eine Aversion gegen ihn, aber ich kann mit seinem spärlichen Stil durchaus was anfangen. Die übertriebene Maskulinität konnte ich bisher noch nicht ausmachen, denn auch wenn in seinen Bücher gesoffen wird, bis der Arzt kommt, sind seine Protagonisten doch oft körperlich angeschlagen (wenn auch durch Kriegsverletzungen), allen voran Jake Barnes mit seiner Impotenz. Was mich hingegen gestört hat, ist der Antisemitismus in The Sun Also Rises, aber abgesehen davon kann bisher nichts Schlechtes über Old Ernest sagen.

Das Warten auf For Whom The Bell Tolls führt mich zu:


Aktuelle Lektüre: Dangling Man von Saul Bellow

Vor zwei Jahren war ich von Bellow so infiziert wie jetzt von Hemingway (nein, eigentlich so gar noch mehr) und habe mich durch einen großen Teil seines Werks gelesen, darunter auch seinen ersten Roman Dangling Man. Jetzt habe ich es wieder hervorgekramt, da es so gut zu meiner aktuellen Situation passt, ich bin quasi „the dangling woman“, nur dass ich Arbeit suche während Bellows Protagonist Joseph darauf wartet, von der Army eingezogen zu werden, nachdem er sich freiwillig gemeldet hat.

Die ungewisse Zukunft nagt ganz schön an den Nerven, während die Umwelt meist so gar kein Verständnis dafür hat, dass nichts Richtiges tut (wenn sie nicht gerade neidisch auf all die Freizeit sind, während man selbst am liebsten sofort mit ihnen täuschen würde, um auch eine anerkannte Beschäftigung zu haben). Ein Beispiel aus dem Roman:

Q: „What are you doing with yourself?“
A. “Nothing.”
Q: “Who was it that told me you were doing a course in trade school…?”
A: “That’s just a rumour.”
Q: “What are you doing then?”
A: “Just living off Iva [seine Frau]”.
Q: “I heard you where studying or something.”
A: “No, I just sit at home all day and do nothing.”
Q: “Nothing.”
A. “Absolutely nothing.”

Ich mag gar nicht daran denken, wie viele ähnliche Unterhaltungen ich in den letzten Monaten geführt habe… Wobei sie ja in gewisser Weise recht haben, man hat ja alle Zeit der Welt irgendetwas zu tun, nur scheint es, dass das Warten einem schlicht und ergreifend die Energie raubt. Das ist mehr als Langeweile. Ich bevorzuge Paul Austers Formulierung: An anxious repose.

Meine Lieblingsstelle im Buch ist Josephs Unterhaltung mit seinem supererfolgreichen Bruder Amos:

„Joseph!“ he exclaimed. „I don’t know what to do with you. I’m beginning to think you’re not at all there, with your convictions and your hop-! I wish I knew how it was going to turn out with you. You’ll ruin yourself in the end. Think of Iva sometimes. What’s her future going to be like?”
“Oh, the future”.
“That’s what I said.”
“Well, who the devil has one?”
“Everybody,” Amos said, “I have.”
“Well, you’re in luck. I’d think about it a little if I were you. There are many people, hundreds of thousands, who have had to give up all thought of future. There is no personal future anymore. That’s why I can only laugh at you when you tell me to look out for my future in the Army, in that tragedy. I wouldn’t stake a pin on my future.”

Diesbezüglich ist der Roman sehr aktuell, auch wenn er schon über sechzig Jahre alt ist. In einer Gesellschaft, die ganz nach Geld ausgerichtet ist und in der Menschen auf ihren wirtschaftlichen Wert reduziert werden, ist kein Platz für diejenigen, die „in der Schwebe“ sind. Deshalb gehen doch die jungen Menschen in Spanien und Griechenland und Israel und Großbritannien auf die Straße: Weil ihnen ein Platz in dieser Gesellschaft verwehrt wird, weil sie ihre Zukunft verloren haben.


Things that suck:

Die Auflösung von The Middle East! Nach nur einem Album hat sich die australische Band (wahrscheinlich das einzig gute an Townsville, QLD) ihre Trennung bekannt gegeben. Dabei ist I Want That You Are Always Happy ein grandioses Album und eins meiner liebsten des Jahres. Nach einer EP hatten sie sich schon getrennt, aber dann wieder zusammengerauft. Dies scheint nun aber wirklich das Ende zu sein. Unglaublich schade! Zum Abschluss noch das Video von „Jesus Came to My Birthday Party“:


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