Christmas Carols: Sister Winter



Wow, es ist schon der 17. Dezember und erst jetzt stelle ich den ersten Sufjan-Weihnachtssong vor. Ich hatte ja schon im letzten Jahr erwähnt, dass Sufjan Stevens zehn EPs mit Weihnachtsliedern aufgenommen hat, die durchweg großartig sind (na ja, bis auf Vol. 8 vielleicht), sodass ich mich bei der ersten Christmas-Carols-Runde schon sehr zwingen musste, nicht ausschließlich Lieder von ihm vorzustellen.

Neben den ganzen traditionellen Weihnachtsliedern, die Sufjan oft auf höchst originelle Weise neu arrangiert hat, sind auch diverse Eigenkompositionen auf Songs for Christmas vertreten. Eine davon ist "Sister Winter". Von der musikalischen Gestaltung her passt der Song am ehesten in seine zweite Phase, wenn man so will, irgendwo zwischen Michigan und Seven Swans. Er beginnt eher schlicht mir Klavier, Akustikgitarre und ein paar Streichern, bevor gegen Ende die für Stevens typische "Klangexplosion" folgt, mit Gitarren, Bläsern, Schlagzeug, Chor, Windspielen und was nicht noch alles.

So wunderschön das auch ist, mag ich "Sister Winter" vor allem wegen seines Textes. Der Erzähler macht im Sommer eine schlimme Trennung durch, woraufhin sein Herz "kalt wie Eis" wird und er sich zurückzieht. Zum Weihnachtsfest erkennt er jedoch, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war und entschuldigt sich bei seinen Freunden. My friends, I have returned to wish you all the best.

Damit kann ich gut etwas anfangen. Da Weihnachten nun einmal am Jahresende liegt, schaut man meist unweigerlich auf die letzten zwölf Monaten zurück und es macht einen nicht immer glücklich, was man dort sieht. Jedenfalls bedaure ich immer, dass ich nicht mehr Zeit in die Pflege privater Beziehungen investiert habe. Es gehört wohl zum Erwachsenwerden dazu, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem alle mit "wichtigeren" Dingen beschäftigt sind, aber manchmal macht es mich schon traurig, wenn ich sehe, wie viele Treffen nicht zustande gekommen sind, weil niemand Zeit hatte.

Oft genug liegt es an mir. Normalerweise macht es mir nichts aus, dauerhafte Quasi-Bereitschaft zu haben, aber gerade in Monaten wie dem Dezember stelle ich fest, dass das für das Privatleben geradezu tödlich ist. Wie viele Beziehungen entwickeln sich gar nicht erst, weil ich Dinge nicht im Voraus planen kann, oder an Wochenenden und Feiertagen arbeiten muss? Oder neulich, als ich auf eine alte Bekannte traf und sie fragte, ob wir uns nicht mal in der Mittagspause auf einen Kaffee treffen wollten und ich zwar sagte "Klar doch" aber insgeheim auf Panikmodus schaltete, weil ich nicht wusste wie ich das organisieren soll oder wie ich ihr erklären sollte, dass Begriffe wie "Mittagspause" oder "Feierabend" oder "Wochenende" keine Bedeutung für mich haben. Was ich sagen will ist, dass ich in manchen Phasen einfach schon völlig damit ausgelastet bin, den Alltag auf die Reihe zu bekommen und für die Freundschaftspflege nicht viel übrig bleibt.

So plagt mich am Ende des Jahres regelmäßig das schlechte Gewissen und das ist der Grund, warum ich "Sister Winter" so mag. Eine Zeit lang habe ich den Song als musikalischen Weihnachtsgruß verschickt, was jedoch auf wenig Begeisterung stieß. Dennoch ist die Botschaft nach wie vor relevant für mich und ich versuche, mich zu ändern - wenigstens für Weihnachten. My friends, I have returned to wish you a happy Christmas.

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