TV Night: Bunheads



Manchmal hat man es wirklich nicht leicht als Serienliebhaber. Die BBC cancelt The Hour nach zwei Staffeln und einem Mordscliffhanger, AMC kündigt an, die finale Staffel von Mad Men aufzuteilen und die letzten Folgen 2015 (!) zu senden, und ABC Family hat Bunheads nach nur einer Staffel abgesetzt. Dennoch habe ich mir die Serie angesehen; schließlich stammt sie aus der Feder von Amy Sherman-Palladino, die mit Gilmore Girls meine wahrscheinlich liebste Serie überhaupt geschaffen hat.

Hauptfigur in Bunheads ist Michelle Simms, dargestellt von der zweifachen Tony-Gewinnerin Sutton Foster. Michelle ist eine begabte Tänzerin und Sängerin, doch ihre Karriere ist nie richtig in Schwung gekommen. Mittlerweile ist sie Mitte 30 und arbeitet als Showgirl in Las Vegas, ohne die Aussicht noch einmal eine wirklich große Rolle zu ergattern. Als sie für Chicago vortanzen will, erteilt ihr der Regisseur bereits bei ihrem Anblick eine Absage. Verletzt, frustriert und alkoholisiert gibt Michelle schließlich dem Drängen ihres Verehrers Hubbell (Alan Ruck) nach und heiratet ihn. Die beiden ziehen in Hubbells Heimatstadt, das gar nicht so paradiesische Paradise in Kalifornien. Das Glück der beiden ist jedoch nur von sehr kurzer Dauer: Bereits einen Tag nach der Hochzeit stirbt Hubbell bei einem Autounfall.

Nun muss sich Michelle mit ihrer Schwiegermutter Fanny (the one and only Kelly Bishop) arrangieren, die im selben Haus wohnt und eine Tanzschule in Paradise betreibt. Notgedrungen beginnt Michelle dort zu unterrichten und wird schnell zur einer Art großen Schwester für die vier ältesten "Bunheads", wie man die Ballerinas auch nennt (wegen des Haarknotens). Boo (Kaitlyn Jenkins) ist eine sehr talentierte Tänzerin, wird aber wegen ihrer weiblichen Figur beim Vortanzen immer wieder ignoriert. Sasha (Julia Goldani Telles) ist ebenfalls begabt und hat genau den androgynen Körper, der beim Ballett erwünscht ist, doch sie leidet unter ihren egoistischen Eltern. Ginny (Bailey Buntain) muss sich sowohl mit ihrer hysterischen Mutter als auch mit Liebeswirren herumschlagen, während die abgebrühte Mel (Emma Dumont) versucht herauszufinden, was sie eigentlich will.

Zunächst wusste ich nicht, ob Bunheads etwas für mich ist, da ich bisher keinerlei Beziehung zum Ballett hatte, aber die großartigen Tanzszenen haben mich schnell zum Fan werden lassen, besonders die Choreographie zu Tom Waits' "Picture in a Frame" (siehe ganz unten). Bis dahin hätte ich nicht geglaubt, dass Tanz mich so berühren kann. Aber selbst wenn man kein Freund des Balletts ist, lohnt es sich, Bunheads anzuschauen. Die Serie hat alles, was man von Amy Sherman-Palladino gewohnt ist: liebenswürdige und wunderbare schräge Figuren, Popkulturreferenzen ohne Ende und ein Drehbuch, das intelligent und brüllend komisch ist, das aber auch traurige Momente nicht ausspart, sondern diese mit viel Gefühl einbindet. Ohnehin gibt es ziemlich viele Parallelen zu den Gilmore Girls: die Serie spielt in einer Kleinstadt, sie behandelt die Beziehung zwischen drei Generationen und viele ehemalige Gilmore-Girls-Darsteller haben eine Gastrolle, darunter Sean Gunn, Liza Weil und natürlich Kelly Bishop, die besonders in den ersten Folgen wie eine Hippie-Version von Emily Gilmore daher kommt. Dennoch ist Bunheads nie ein Abklatsch, sondern hat genug eigene Merkmale, um für sich allein zu stehen.

Allerdings ist die Serie nicht frei von kleinen Schwächen: Dass sie gleich sechs Hauptfiguren hat führt dazu, dass in einer Episode oftmals sehr viele Handlungsstränge nebeneinander existieren, die dann nur obenflächlich behandelt werden oder gar einfach ins Leere laufen. Das wirkt mitunter konfus. Erschwerend kommt hinzu, dass wohl aus Budgetgründen immer mal wieder eine Figur für eine Episode fehlt, ohne dass der Zuschauer weiß wo sie abgeblieben ist. Andererseits zeichnet es Bunheads aus, dass die Autoren lieber die kleinen Dingen des Alltags behandeln anstatt eine überdramatische Geschichte zu verfolgen.

Zudem verfügt Bunheads über ein herausragendes Cast. Obwohl es für die vier Ballerinas die erste große Rolle ist, zeigen sie eine bemerkenswerte schauspielerische Bandbreite. Und natürlich sind sie alle sehr gute Tänzer, besonders Kaitlyn Jenkins (soweit ich das beurteilen kann). Kelly Bishop ist noch genauso großartig wie in Gilmore Girls: streng aber auch impulsiv, willensstark und doch verletzlich. Die Krönung ist jedoch Sutton Foster. Ich kann mir niemanden vorstellen, der für diese Rolle besser geeinigt wäre. Man hat den Eindruck, sie ist Michelle: sie ist schlagfertig, sarkastisch, vertrottelt, manchmal ein wenig egozentrisch, aber vor allem gutherzig. Zudem trägt Fosters ausgeprägte Mimik erheblich zum Unterhaltungswert der Sendung bei. Am besten ist sie jedoch bei ihren Showeinlagen. Sie hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und wenn sie tanzt und singt ist es, als ob die Welt für einen Moment stehen bleiben würde:



Ich kann einfach nicht verstehen, warum ABC Family so eine wunderbare Serie absetzt. Es hat eine Staffel gebraucht, um alle Figuren überhaupt kennenzulernen und es wäre so spannend gewesen zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln. Zudem gibt es so viele offenen Handlungsstränge und es macht mich wirklich traurig, dass wir nie erfahren werden, was daraus geworden wäre. Auch aus wirtschaftlichen Gründen macht das für mich keinen Sinn. In Zeiten des Internets und der Globalisierung ist einfach völlig dämlich, nur auf die Einschaltquoten eines Landes zu schauen und danach über Fortführung oder Absetzung zu entscheiden. Durch Gilmore Girls hat Amy Sherman-Palladino eine große Fangemeinde und viele Leute, gerade außerhalb der USA, würden sicher die DVDs kaufen, aber anscheinend denkt ABC Family nicht einmal daran, eine Box herauszubringen. Vielleicht wollen diese Leute einfach kein Geld verdienen? Aber es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Es ist nur schade, dass hier mal wieder die Möglichkeit verschenkt wurde, einer Sendung mit großem Potential die Chance zu geben, sich zu entwickeln. Ich für meinen Teil werde mich jetzt zurückziehen und um Bunheads weinen, mit der vielleicht schönsten Trauerbewältigung der Fernsehgeschichte:


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