Movie Night: Casablanca



Es ist mir ja ein bisschen peinlich, es zuzugeben, aber bis gestern habe ich tatsächlich noch nie Casablanca gesehen. Es war endlich mal Zeit, diese klaffende Bildungslücke zu schließen, schließlich ist Casablanca einer der berühmtesten Filme der Kinogeschichte. Man bedenke allein die vielen Zitate, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind wie "I think this is the beginning of a beautiful friendship", "We'll always have Paris" und natürlich "Here's looking at you, kid". Und dann ist da noch "Play it again, Sam", obwohl das im Film gar nicht gesagt wird. Casablanca ist im kulturellen Gedächtnis so präsent, dass wahrscheinlich jeder schon einmal von Rick und seinem Café gehört hat, selbst wenn er den Film nicht kennt.

Casablanca spielt Ende 1941 in der gleichnamigen Stadt, die für viele Flüchtlinge aus Europa Ausgangspunkt für die Weiterfahrt nach Lissabon und schließlich nach Amerika ist - wenn sie denn ein Ausreisevisum bekommen. In "Rick's Café Americain" treffen sich die Verzweifelten aus allen Ländern in der Hoffnung, vielleicht unter der Hand doch noch ein Visum zu bekommen. Betreiber Rick (Humphrey Bogart) hält sich zunächst weitgehend aus der Politik raus, bis eines Tages die schöne Ilsa Lund (Ingrid Bergman) das Café betritt, zusammen mit ihrem Mann, dem Résistance-Kämpfer Victor Laszlo (Paul Henreid).

Durch eine Flashbacksequenz erfährt der Zuschauer, dass Rick und Ilsa einst eine leidenschaftliche Affäre in Paris hatten. Als die Nazis in die Stadt einmarschieren, ist Rick gezwungen zu fliehen. Ilsa verspricht mitzukommen, doch taucht dann nicht zur vereinbarten Zeit am Bahnhof auf. Sie hinterlässt eine Abschiedsnotiz, und Rick fährt allein nach Marseilles. Dieser Schmerz sitzt tief bei dem Barbetreiber, was er Ilsa auch spüren lässt, die ihrerseits noch Gefühle für Rick hat. Durch einen Zufall gerät Rick allerdings in den Besitz wertvoller "transit papers". Somit ist er der Einzige, der Ilsa und ihrem Mann - der bereits aus einem Konzentrationslager geflohen und für die Nazis Staatsfeind Nr. 1 ist - zur Flucht verhelfen kann.

Ich hatte nicht erwartet, dass mich Casablanca so sehr begeistert würde. Der Film wird ja oft auf die Romanze zwischen Rick und Ilsa reduziert, und der "Was Frauen schauen"-Aufkleber auf der DVD verstärkte noch meine Befürchtungen, dass es sich hier um sentimentalen Kitsch handelt, aber dem ist überhaupt nicht so. Natürlich ist Casablanca eine große Liebesgeschichte, aber es ist noch viel mehr als das. So greift der Film brennende Probleme seiner Zeit auf, was schon recht bemerkenswert ist wenn man bedenkt, dass die USA dem Leid der Flüchtlinge gegenüber gern die Augen verschlossen hielten. Casablanca basiert auf einem Stück von Murray Burnett und Joan Alison, die auf einer Europareise erlebten, wie die Menschen versuchten, den Nazis zu entkommen; viele der Darsteller waren zudem selbst aus Europa geflohen. Auch wenn der Film historisch nicht ganz korrekt ist, ist er doch glaubwürdig. Was Casablanca allerdings zeitlos macht, sind die viele großen Fragen, die noch heute relevant sind, insbesondere wie man sich gegenüber menschlichem Unrecht verhält. Die große Spannung des Films liegt für mich daher in der Frage, für welche Seite sich Rick entscheiden wird und nicht so sehr, ob er wieder mit Ilsa zusammenkommt.

Was mich ebenfalls überrascht hat ist, dass Casablanca in weiten Teilen unglaublich witzig ist. Der Film wimmelt nur so vor ironisch-schlagfertigen Bemerkungen, die den ernsten Hintergrund der Geschichte auflockern, ohne je unpassend zu wirken. Einen großen Anteil daran hat auch Claude Rains als Polizeikapitän Louis Renault, der in seinem Opportunismus geradezu nonchalant wirkt. Man denke nur an eine Szene, wo er auf der Drängen der Nazis das Café wegen Glücksspiels schließt, nur um zwei Sekunden später seinen Gewinn vom Roulette einzustreichen.

Obwohl mehrere Autoren an dem Drehbuch beteiligt waren und am Set ein gewisses Chaos herrschte, da bis weit in den Dreh nicht bekannt war, wie die Geschichte endet, wirkt Casablanca wie aus einem Guss. An dem Film stimmt einfach alles. Da sind die großartigen Schauspieler, allen voran  Humphrey Bogart als Zyniker mit Herz und Ingrid Bergman als emotional zerrissene Ilsa; da ist das wunderbare Drehbuch, das Romanze, Kriegsdrama und Komik in Balance hält; da ist die Kameraarbeit von Arthur Edeson, die die Exotik Marokkos mit all ihren Gefahren einfängt, und da ist die Musik von Max Steiner, der Showsongs, Weltmusik und Nationalhymnen in seinem Soundtrack vereint. Was will man als Zuschauer mehr?

Fazit: Perfekt.

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