Movie Night: My iz dzhaza - Wir sind aus Jazz


Vor ziemlich genau einem Jahr hatte ich an dieser Stelle über den Song "старый рояль/Der alte Flügel" geschrieben, den ich auf einem Konzert gehört und der mich auf Anhieb begeistert hatte. Nach einigem Suchen fand ich heraus, dass das Lied aus der sowjetischen Komödie мы из джаза (My iz dzhaza) stammt, zu deutsch Wir sind aus Jazz. Seitdem wollte ich diesen Film sehen, was sich allerdings als schwierig herausstellte, da er bereits 30 Jahre alt ist und wohl nie auf DVD erschienen ist (zumindest nicht außerhalb Russlands). Nun habe ich neulich zufällig entdeckt, dass die netten Leute von Mosfilm My iz dzhaza auf YouTube hochgeladen haben - in HD und mit englischen Untertiteln! Ich war außer mir vor Freude und musste mir den Film natürlich umgehend anschauen.

Odessa in den 1920er Jahren: Kompositionsstudent Kostya (Igor Sklyar) liebt Jazz, sehr zum Missfallen seiner Lehrer für die jeder Jazzmusiker ein "Agent der Weltimperialismus" ist. Sie zwingen Kostya, zwischen seinem Studium und seiner Lieblingsmusik zu wählen, woraufhin er sich für den Jazz entscheidet. Kostya beschließt, die erste sowjetische Jazzband zu gründen und heuert Banjospieler Stepan (Alexander Pankratov-Chorny) und Schlagzeuger Zhora (Nikolai Averyushkin) an. Die beiden Wandermusiker haben zuvor noch nie von Jazz gehört, aber da sie dringend Geld benötigen, wollen sie es mit der neuen Musik versuchen. Bei seinem ersten Auftritt wird das Trio jedoch gnadenlos beschimpft. Kurz darauf werden sie allerdings für die Geburtstagsfeier eines älteren Herrn gebucht, den alle nur "Papa" nennen. Papa ist ein großer Jazzliebhaber, doch wie sich herausstellt, auch der Kopf einer kriminellen Vereinigung. Die Party wird schließlich von der Polizei beendet und Kostya, Stepan und Zhora landen im Knast. In der Zelle lernen sie immerhin den Saxofonisten Ivan (Pyotr Shcherbakov) kennen, der sich ihnen anschließt. Die vier machen sich auf den Weg nach Moskau, in der Hoffnung, dort berühmt zu werden. Das ist allerdings gar nicht so leicht, denn in Moskau gibt es bereits ein berühmtes Jazzensemble. Den Jazzfans der ersten Stunde sind die ganzen neuen aufstrebenden Bands ohnehin ein Dorn im Auge und der Regierung erst recht.

Für seinen Film hat sich Regisseur und Mitautor Karen Shahnazarov eine interessante Zeit ausgesucht: Jenes kurze Fenster, in dem der Jazz überall in der Sowjetunion aufblühte, bevor die Regierung einige Jahre später mit aller Macht versuchte, die "imperialistische" Musik zu unterdrücken. Das erlaubt es ihm, die Repressionen, die die Musiker zu erleiden hatten, weitgehend auszuklammern und sich dem Thema auf eine komödiantische Weise zu nähern. Tatsächlich ist My iz dzhaza ein unglaublich komischer Film, was in erster Linie an den skurrilen Figuren liegt, allen voran Stepan und Zhora. Die beiden haben mich ein bisschen an Groucho und Harpo Marx erinnert: Stepan ist ein Schlitzohr, der dem Erfolg mit allerlei Tricks versucht nachzuhelfen, während Zhora ziemlich einfach gestrickt ist und den Zuschauer eher durch seine Mimik als durch Worte zum Lachen bringt. Ganz anders Kostya: Er steht exemplarisch für den sensiblen Künstler, der mit viel Ernst seine Musik betreibt während Finanzen für ihn eine untergeordnete Rolle spielen. Ivan hingegen steht für das alte Russland: Nicht nur redet er ständig von irgendwelchen Adligen, vor seinem Engagement in der Jazzband hat er auch nur in Blaskapellen gespielt. Der Jazz bereit ihm daher einige Probleme, vor allem das Konzept der Improvisation.

Was den Film so unterhaltsam macht ist das Aufeinandertreffen dieser unterschiedlichen Figuren, die sich nicht nur musikalisch, sondern auch auf persönlicher Ebene zusammenraufen müssen. Sobald dies gelungen ist, treten der Slapstick und die Skurrilitäten etwas in den Hintergrund und es bleibt Platz für ernstere und auch richtig herzerwärmende Momente. Das einzige, was mich an dem Film ein bisschen gestört hat, ist das abrupte Deus ex Machina-Ende. Auch dass es sich bei der kubanischen Sängerin um eine braun angemalte russische Schauspielerin handelt, hat aus heutiger Sicht einen schalen Beigeschmack, ist aber wohl den bescheidenen Mitteln der damaligen Zeit geschuldet. Ohnehin habe ich mich manchmal gefragt, wie My iz dzhaza wohl ausgesehen hätte, wenn er nicht durch die Zensur hätte gehen müssen. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei um einen fantastischen Film mit tollen Schauspielern, einem witzigen Drehbuch und einfach wunderbarer Musik.

Fazit: Großartige kleine Komödie über die Anfänge des russischen Jazz und die Macht der Freundschaft.


Und noch einmal, weil's so schön ist:


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