A Belgian Excursion: Up Above and Down Below

Vom Grote Markt war es nicht weit bis zur Schelde, dem Fluss der Stadt. Ich ging durch eine schmale Gasse und kam am Het Steen aus, einem  Schloss aus dem 13. Jahrhundert. Es wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, da auf seiner westlichen Seite eine viel befahrene Straße verläuft und östlich am Fluss einige nicht übermäßig ansehnliche Schiffe angelegt haben. Im Norden und Süden befinden sich zudem große Parkflächen. Kurz gesagt: Die Umgebung könnte nicht viel unidyllischer sein. Das Schloss ist recht klein und nicht sehr spektakulär, aber es gibt ein ganz passables Fotomotiv ab.


Vom Innenhof des Schlösschens gelangt man auf die Wandelterrasse, eine knapp einen Kilometer lange, erhöhte Promenade an der Schelde. Dort - ihr könnt es euch denken - trafen sich Austerlitz und der Erzähler, bevor sie später in dem bereits erwähnten Bistro am Handschuhmarkt einkehrten. Auf der Wandelterrasse konnte ich zum ersten Mal erahnen, was für eine große Hafenstadt Antwerpen ist. Nicht nur hatte viele Schiffe entlang des Flusses angelegt, am Horizont tauchten auch unzählige Kräne auf.

 

Ich verließ die Terrasse und ging unten am Fluss entlang. Dort befindet sich wie gesagt, ein riesengroßer Parkplatz. Auch einige alte Trolleys waren dort in einem speziell abgetrennten Bereich untergebracht. Obwohl es dort nicht sonderlich schön war, saßen viele Leute am dem Kopfsteinpflaster am Ufer, insbesondere Jugendliche.
 

Mein Ziel war der Sint-Annatunnel, ein Fußgänger- und Radfahrertunnel, der unter der Schelde entlangführt. Dieser ist im Innenstadtbereich die einzige Möglichkeit, auf die andere Seite des Flusses zu kommen. Ich ging und ging und ging die Schelde entlang, aber irgendwie war kein Tunneleingang in Sicht. Irgendwann entschloss ich mich dann, auf die andere Seite des Parkplatzes zu wechseln, bis ich ein Straßenschild sehen konnte, das mir wie erwarten mitteilte, dass ich viel zu weit gelaufen war. Großartig. Also ging ich in der prallen Mittagssonne zurück zur Zuidterras, einem Restaurant, das sich wie der Name sagt, am südlichen Ende der Wandelterrasse befindet. Aber auch wenn der Tunneleingang auf dieser Höhe war, konnte ich ihn nicht finden. Nachdem ich mehrere Karten studierte, bemerkte ich dann, dass sich der Eingang nicht am Kai, sondern ein Stück weiter Richtung Innenstadt befindet. Na toll, das hätten sie jawohl genauer aufzeichnen bzw. erklären können.

Am Sint-Jansvliet kam ich dann zu einem kleinen, braunen Gebäude, das wie ein winziger Bahnhof aussah. Darin befand sich tatsächlich der Eingang zu Tunnel. Ein Aufzug führte in die Tiefe, aber ich nahm lieber die Holzrolltreppe, die, wie die ganze Anlage, aus den dreißiger Jahren stammt. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist anscheinend nichts mehr an dem Tunnel gemacht worden, so bröckelt es von den Wänden und es riecht sehr muffig, aber gleichzeitig war es wie eine kleine Zeitreise.

 

Die lange Rolltreppe führt 31 Meter unter die Erde, wo der insgesamt 572 Meter lange Tunnel beginnt. Tatsächlich ist er so lang, dass das Ende nicht zu sehen ist. Leuten mit Klaustrophobie ist das nicht unbedingt zu empfehlen. Der Tunnel ist überwiegend in weißgrau gehalten und wirkt sehr kühl. An der rechten Seiten steht kleine Tafeln, die einem anzeigen, wieviele Meter man schon zurückgelegt hat. Am anderen Ende befindet sich ebenfalls eine Rolltreppe, die ins Freie führt.

 

Da ich schon ziemlich erschöpft war vom vielen Laufen schaute ich mir das Viertel auf der anderen Seite nicht wirklich an. Ich setzte mich nur für einen Moment an die Schelde und genoss die Aussicht auf die Innenstadt inklusive der Kathedrale. Danach dreht ich wieder um. Wieder zurück am Kai, sprach mich plötzlich eine Frau an: "Parlez-vous Francais?" Auch das noch. "Un peu...", erwiderte ich, woraufhin sie mich fragte, wo der Bahnhof sei. Mich, ausgerechnet mich, wo ich doch mit Kamera um den Hals und Karte in der Hand kaum touristischer aussehen konnte! Ich verstand sie wohl, aber da ich seit Jahren kein Französisch mehr gesprochen habe, wusste ich nicht, wie ich ihr antworten sollte. Ich wollte nur sagen, dass sie links abbiegen und dann immer geradeaus gehen musste, aber mir fiel nicht ein, wie. "Tournez, eh, à la gauche, eh... allez, allez", stammelte ich und zeigte Richtung Innenstadt. Sie zeigte auf den Tunneleingang: "Là?" Ich hoffte, dass sie wissen wolle, ob sie dort abbiegen solle und nicht, ob es sich dabei um den Bahnhof handelt. "Oui.... là." Ich wollte ihr noch sagen, dass es mindestens 15 Minuten bis zum Bahnhof waren, aber ich wusste halt nicht wie. Sie bedankte sich und ich zuckte hilflos mit den Schultern.

 

Mein nächstes Ziel war das MAS, Museum aan den Stroom. Ich wollte mir weniger die Ausstellungen anschauen als auf das Dach des zehnstöckigen Museums, von dem man einen wunderbaren Blick auf die Stadt haben soll. Das Gebäude liegt nördlich der Innenstadt an einer Hafengegend namens 't Eilandje. Vor einigen Jahrhundert war dies Antwerpens Haupthafen und Napoleon selbst befahl die Aushebung des Bonapartedok. Heute haben dort nur einige Yachten Platz. Fun Fact: Mittlerweile ist Antwerpens Hafen größer als die Stadt selbst.


Der Besuch der Panoramaterrasse ist kostenlos, aber es war gar nicht so leicht, dorthin zu kommen. Ich stieg in den Aufzug, aber er hielt bereits in der dritten Etage. Dort war eine Gruppe Männer damit beschäftigt, ein Auto irgendwie in den Ausstellungssaal zu schieben, obwohl es nicht aussah, dass der Platz dafür ausreichen würde. Nachdem die Aufzugtür schloss, wollte ich nach oben fahren, aber der Lift regte sich überhaupt nicht, egal wie sehr ich auf die Taste drückte. Wenigstens fuhr er nach einigem Zögern wieder runter ins Erdgeschoss. Dort wartete ich darauf, dass der andere Lift seine Türen öffnete, aber auch hier musste ich mehrmals drücken, bis er sich in Bewegung setzte. Irgendwann kam ich dann schließlich oben an. Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass die Aussichtsterrasse nicht nur sehr klein, sondern auch von Plexiglas umgeben ist. Hmpf! Dabei hatte Robert so davon geschwärmt. Die ungefilterte Aussicht bekommt man wohl nur, wenn man in dem Restaurant speist. Ich machte trotzdem ein paar Fotos.



 

Auf dem Weg zum Hostel wollte ich noch ein paar Kirchen mitnehmen. Als ich die erste jedoch ansteuerte, sah ich plötzlich mehrere Frauen in den Hauseingängen stehen - in Dessous. Ach, du scheiße, dachte ich mir. Ganz offensichtlich war ich im Rotenlichtviertel gelandet, was meine Karte mir dezent verschwiegen hatte. Natürlich war ich weit und breit die einzige Passantin. Einige Männer gingen unsicher die Straße auf und ab, während die Frauen sie anflirteten. Beschämt starrte ich auf den Boden und ging so schnell weiter wie ich konnte. Das alles erinnerte mich an John Irvings Witwe für ein Jahr. Trotzdem hätte ich nie damit gerechnet, dass die Frauen am Nachmittag schon so in den Türen und Fenstern stehen.

Die erste Kirche, die St. Pauluskerk, war nicht sonderlich beeindruckend, die St. Borromeuskerk aber schon mehr. Leider hatte sie bereits geschlossen, dabei hätte ich gerne das von Rubens mitgestaltete Innere gesehen (auch wenn ich kaum noch laufen konnte und mich alle fünf Minuten hinsetzen musste). Die St. Jacobskerk sah ebenfalls ganz okay aus, aber war ebenfalls zu.

Pauluskerk

Borromeuskerk


Jacobskerk

Nach fast neun Stunden Power-Sightseeing kam ich ziemlich erschöpft im Hostel an. Die anderen machten sich fürs Ausgehen fein, während ich nur noch auf dem Bett liegen wollte. Die eine Schweizerin hatte mit einem Australier angebandelt. Es war offensichtlich, dass er sie ins Bett bekommen wollte - zumindest für alle außer sie. Immer diese Hosteldramen. Als er zum Duschen verschwand, wandte sie sich mir zu. Für die drei Schweizerinnen war ich so etwas wie ein Kuriosum, da ich alleine unterwegs war. "Fühlst du dich nicht seltsam?", fragte Fabienne (so ihr Name). Bis gerade eben nicht. "Nein", erwiderte ich. Für sie war es unvorstellbar, alleine irgendwo hinzufahren. "Da würde ich mir komisch vorkommen." Okay... Ich weiß wirklich nicht, warum ich so oft wie das Mitglied einer Freakshow behandelt werde, nur weil ich mal was alleine unternehme. Das ist doch nun wirklich nicht ungewöhnlich. Fabienne, eine angehende Psychologin (!), gab mir jedoch das Gefühl, der absolute Oberkauz zu sein. Gut, meinetwegen.


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