My Own Private Odyssey: Go Down to the Water

Am nächsten Tag hieß es also Abschied nehmen von Athen. Ich freute mich vor allem, das Hostel zu verlassen, ganz besonders nachdem ich morgens in die Küche kam und nicht eine Tasse vorfinden konnte, nicht einmal eine schmutzige. So musste ich meinen Kaffee wohl oder übel aus einer Schüssel trinken. Sehr französisch. Aber auch sonst fiel es mir nicht so schwer, mich auf den Weg zu machen. Versteht mich nicht falsch, Athen ist eine wirklich tolle Stadt, aber in den letzten beiden Tagen hatte ich mich schon ein bisschen gelangweilt (außerdem war ich ziemlich unzufrieden mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis der meisten Museen). Ich denke, drei bis vier Tage reichen aus, um das Wichtigste zu sehen. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich auch zwei Tage früher nach Thessaloniki fahren können - theoretisch zumindest. Praktisch war es so, dass am Donnerstag (als ich unter anderem auf dem Lykavittos war) Generalstreik herrschte, womit die Gewerkschaften ihre Sympathien mit den ERT-Angestellten ausdrücken wollten. Von daher war es doch ganz gut, dass ich noch etwas länger in Athen geblieben war. Am Samstag, dem Tag meiner der Abreise, fuhren die Züge dann zum Glück auch wieder planmäßig.

Ich brach vom Bahnhof Larissa auf, von dem die Züge Richtung Norden abfahren und der praktischerweise nur eine Metro-Station vom Hostel entfernt ist. Der Bahnhof ist überraschend klein, ich glaube sogar er hat nur ein Gleis, an dem dementsprechend viel los war. Der Zug war ganz bequem; neben mir saß ein junger Mann, der die meiste Zeit schlief und mir glücklicherweise kein Ohr abkaute. Ich las die meiste Zeit oder hörte Musik, sodass ich gar nicht viel von der Landschaft draußen mitbekam. Die meisten Orte, an denen wir hielten, wirkten eher klein mit Bahnhofsgebäuden, die aussahen, als ob sie kurz vor dem Zusammenbruch stünden. Teilweise kamen wir auch durch Schluchten, sodass ich einmal ziemlich überrascht war, als ich aus dem Fenster sah und neben mir einen beachtlichen Abgrund erblickte.

Die gebirgige Landschaft zwischen Attika und Makedonien (so heißt die Provinz, in der Thessaloniki liegt - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Land) dürfte der Grund dafür sein, dass der Zug fünfeinhalb Stunden gebraucht hat, um die 500 Kilometer zurückzulegen. Da das Hostel knapp vier Kilometer vom Bahnhof entfernt liegt und es zudem furchtbar heiß war, entschloss ich mir dafür, den Bus zu nehmen. Außerdem ist der öffentliche Nahverkehr in der Stadt wunderbar günstig: eine Fahrt kostet 80 Cent, wenn man das Ticket am Kiosk kauft, oder 90 Cent, wenn man es am Automaten im Bus zieht (in Thessaloniki haben sie nämlich Automaten).

Die Fahrt dauerte erstaunlich lange - eine gute halbe Stunde. Es war sehr voll, sodass ich stehen musste, und auch sehr heiß und stickig. Ich war überrascht, wie religiös viele der Leute an Bord waren, denn sie bekreuzigten sich sobald der Bus nur an einer Kirche vorbeifuhr (und er fuhr an ziemlich viele Kirchen vorbei). Thessaloniki liegt praktisch an einem Hang, sodass der Bus sehr ächzen mussten, um den Höhenanstieg zu überwinden, aber irgendwie hat er es doch geschafft.

Mit mir stiegen zwei junge Männer aus, die ganz offensichtlich auch Backpacker waren, sodass wir zusammen zum Hostel gingen. Ich hatte erst Bedenken, ob ich es finden würde, da sich die Wegbeschreibung in der Buchungsbestätigungs-Mail wahnsinnig kompliziert angehört hatte, aber am Ende war es eigentlich ganz einfach. Das Hostel lag in einem pinkfarbenen Haus und verfügte über eine große Terrasse, was schon einmal ein Pluspunkt war. Eine rothaarige Frau namens Vicky begrüßte uns. Sie hatte offenbar wahnsinnig gute Laune und war sehr freundlich. Da wir alle sehr verschwitzt waren, meinte sie, dass wir draußen Platz nehmen sollten, während sie uns einen Eiskaffee machen würde. Der Eiskaffee - Frappé genannt - ist mehr als nur ein Getränk in Thessaloniki, wo er erfunden wurde. In der Stadt wird man kaum auf eine Person treffen, die nicht mit einem Becher inklusive Strohhalm in der Hand herumläuft. Wer Thessaloniki wirklich erleben will, der kommt um einen Frappé nicht herum.

Ich wurde auf der Stelle ein großer Fan des Frappés, da er nicht nur schmeckt, sondern auch so einfach zu machen ist, wie Vicky mir am nächsten Morgen demonstrierte. Man gibt einen Löffel Instantkaffee mit einem Schuss Wasser in ein Glas und schäumt es auf. Danach wirft man zwei bis drei Eiswürfel rein und gießt zwei Finger breit Milch drauf (wenn man denn Milch in seinen Kaffee nimmt), anschließend füllt man das Glas mit gekühltem Leitungswasser auf. Zu guter Letzt sucht man noch einen Strohhalm aus, dessen Farbe die aktuelle Stimmung widerspiegelt - fertig! Der Frappé schmeckt sensationell und bei sommerlichen Temparaturen gibt es nichts besseres. Wenn ihr mal nach Thessaloniki kommt, solltet ihr euch unbedingt von Vicky in die Kunst des Frappé-Machens einführen lassen, denn sie macht daraus eine große Show, was sehr unterhaltsam ist.

Wie sich herausstellte, hießen die beiden jungen Männer Brad und Jonathan und kamen aus Adelaide, was mich sehr freute. Sie hingegen freuten sich jemanden zu treffen, der Adelaide mag. Sie meinten, sie hätten noch niemanden getroffen, der eine ganze Woche dort geurlaubt hatte, was ich mir kaum vorstellen konnte. Die beiden reisten acht Monate durch Europa und Afrika und waren von Sofia aus nach Thessaloniki gekommen, mit dem Bus. Die bulgarischen Busse sind wohl ziemlich "pimp", wie Jonathan es ausdrückte, mit bequemen Sitzen und Entertainment und Bedienung am Sitzplatz. Das Personal kam sogar so oft mit Essen und Getränken vorbei, dass die beiden es am Ende schon ablehnen mussten. Wow.

Das Innere des Hostels war auch sehr hübsch - toll dekoriert mit Grafiken, Postern und Lichtern, was es cool und gemütlich zu gleich machte. Am besten gefielen mir die vielen kleine Umschläge, die Vicky im Eingangsbereich an die Wand geklebt hatte, damit die Gäste eine Nachricht hinterlassen konnten. Eine klasse Idee. Ich schlief in einem Sechs-Bett-Zimmer - mit fünf Männern, darunter Jonathan. Das Zimmer war etwas eng, da sich auch eine Küchenzeile dort befand (es gab keine Gemeinschaftsküche), aber dafür gab es einen kleinen Balkon, von dem man einen Wahnsinnsausblick über Thessaloniki und den Thermaischen Golf hat. Anders als in Athen konnte man sich in diesem Hostel fast wie zu Hause fühlen.

Nachdem ich meine Sachen abgeladen hatte, ging ich erst einmal etwas einkaufen, da die Geschäfte am nächsten Tag ja geschlossen hatten. Der Supermarkt war kein Spar, hatte aber ungefähr die gleichen Preise. Nun ja. Am Abend entschied ich mich dafür, mir noch ein bisschen von Thessaloniki anzusehen. Das Hostel liegt relativ weit oben am Hang, in einem Viertel names Kastra. Ich mochte die Gegend sehr gerne, da mich das Kastra ein bisschen an das "weiße Viertel" in Athen erinnerte, nur das die Häuser nicht weiß waren. Die Gassen waren klein und verwinkeln, und viele Häuser hatten Blumenranken an ihren Wänden. Einige waren zwar praktisch schon Ruinen, aber durch die Street Art an den Wänden wirkten sie noch ganz charmant.




Die Innenstadt von Thessaloniki hat mich hingegen nicht so angesprochen, denn es handelt sich überwiegend um Siebziger-Jahre-Betonbauten. An einem hing ein großes Plakat, auf dem mehrmals das Wort "oxi" (nein) geschrieben stand, und noch irgendetwas anderes:


Zwischendurch trifft man auch immer wieder auf antike Überreste, doch mehr dazu ein anderes Mal. An diesem Abend wollte ich einfach nur runter zum Meer. Leider hat Thessaloniki keinen Strand, aber das Wasser ist ohnehin ziemlich dreckig. Am Ufer befindet sich jedoch eine Promenade, auf der es brechend voll war. Dort steht auch der Weiße Turm, das Wahrzeichen von Thessaloniki, der allerdings gar nicht (bzw. nicht mehr) weiß ist.




Ich blieb nicht so lange dort, da es mir einfach zu voll war. Meine Zimmergenossen verbrachten den Abend mit Poker, aber ich hatte keine Lust dazu, sodass ich einfach nur auf dem Balkon saß, las, und den Sonnenuntergang betrachtete:


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