Movie Night: Picnic at Hanging Rock



Seit ich keinen Fernseher mehr habe schaue ich nur noch selten in die (virtuelle) Programmzeitung. Gestern wollte ich eigentlich auch nur nachgucken, ob eine Folge von Inspector Barnaby läuft, die ich noch nicht kenne (guilty pleasure), als ich sah, dass Arte Picnic at Hanging Rock (oder zu deutsch Picknick am Valentinstag) zeigt. Diesen Film wollte ich sehen, seit ich im National Film and Sound Archive in Canberra war, da er als einer der wichtigsten australischen Spielfilme gilt, und außerdem ein Frühwerk von Peter Weir ist, der später unter anderem bei Witness, Dead Poets Society und The Truman Show Regie führte.

Picnic spielt in einem Mädcheninternat im nördlichen Victoria. Am Valentinstag 1900 machen die Schülerinnen mit zwei ihrer Lehrerinnen einen Ausflug zum Hanging Rock, um dort ein Picknick abzuhalten. Während die meisten in der Sommerhitze dösen, beschließen Miranda, Marion, Irma und Edith, den Felsen etwas näher zu erkunden, trotz des Verbots der Schulleiterin. Edith, die etwas pummelig ist, wird die Kletterei bald zu viel, während die anderen drei immer höher steigen. Als die Mädchen immer länger fortbleiben, macht Lehrerin Miss McCraw sich schließlich auf die Suche nach ihnen. Erst als die Gruppe ins Internat zurückkehrt, erfahren die Zurückgebliebenen, und auch die Zuschauer, dass Miranda, Marion, Irma und Miss McCraw spurlos verschwunden sind, während Edith verstört und mit zerkratzten Beinen zum Picknickplatz zurückgelaufen ist.

Das Verschwinden der Schülerinnen und ihrer Lehrerin sorgt natürlich für großes Aufsehen in der Gemeinde. Die Polizei, die Anwohner, Hunde und ein indigener Fährtenleser suchen nach den Vermissten, doch sie sind wie vom Erdboden verschluckt. Besonders hart trifft das Verschwinden Sara - eine Waise, die extrem an ihrer Mitschülerin Miranda hing. Die Schulleiterin Mrs. Appleyard sorgt sich vor allem um den Fortbestand ihres Internats, nachdem einige Eltern ihre Töchter dort aus Angst abgemeldet haben. Auch Michael, einen jungen Engländer der zu Besuch in Victoria ist, lassen die Mädchen nicht los, da er sie kurz vor ihrem Verschwinden noch gesehen hat. Zusammen mit Albert, der bei Michaels Verwandten angestellt ist und sich als Saras verlorener Bruder entpuppt, macht er sich auf die Suche. Tatsächlich entdeckt Michael die stark dehydrierte, aber nahezu unverletzte Irma, die sich jedoch an nichts erinnern kann.

Picnic at Hanging Rock ist ein Film, der einen so schnell nicht mehr los lässt. Er ist kein klassischer Krimi und wer hier eine Auflösung erwartet, der wird enttäuscht. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Joan Lindsay, die zwar eine Erklärung für das Verschwinden mitlieferte, diese aber dann auf Anraten ihres Verlegers wegließ. Das war ganz richtig so, denn die Lösung ist nicht übermäßig befriedigend - zumindest nicht aus europäischer Sicht (sie wurde posthum doch noch veröffentlicht und man kann es nachlesen). Der große Reiz der Geschichte besteht in dem Rätsel, das in seiner Unlösbarkeit drastische Auswirkungen auf alle Zurückgebliebenen hat, und nicht nur sie, sondern auch den Zuschauer nicht aufhört zu beschäftigen.

Was Picnic zudem einzigartig macht, ist die dichte Atmosphäre des Films. Im ersten Teil ist er einfach wahnsinnig sinnlich fotografiert, wenn die Mädchen in ihren weißen Engelskleidern in flirrender Sommerhitze durch den Busch schweben, während im zweiten Teil die gespentische Spannung überhand nimmt und die Charaktere an den Rand des Wahnsinns (und darüber hinaus) treibt. Das ist starker Tobak. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Inszenierung neue Standards im australischen Kino gesetzt hat; ich zumindest war überrascht, dass zum Beispiel Sirens in seiner Ästhetik ganz offensichtlich stark von Picnic beeinflusst wurde.

Fazit: Gilt zurecht als Meilenstein des australischen Kinos.

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