Project Ireland: The Town I Loved So Well
Die North Atlantic Fiddle Convention war wie gesagt nicht
das einzige Festival an meinem letzten Wochenende in Derry. Im Rahmen der
Clipper Yacht Race kamen haufenweise Boote nach Derry, begleitet von einem
Rahmenprogramm, an dessen genaue Bestandteile ich mich aber ehrlich gesagt
nicht mehr erinnern kann. Am Samstag jedenfalls ging ich kurz zum Fluss
herunter. Es war tatsächlich mächtig was los und reihenweise Leute,
hauptsächlich Familien, schoben sich die Promenade entlang. Es waren jede Menge
Zelte aufgebaut, in denen in erster Linie etwas zu essen angeboten wurde, aber
eine Fiddletruppe war auch dabei. Im Yachthafen tummelten sich haufenweise
Segelboote mit bunten Fähnchen; jedes Mal wenn ein neues dazu kam, wurde ein
Kanonenschuss abgefeuert, was man sogar im Hostel hören konnte. Als ich dort
war, lief gerade die „Edinburgh“ ein, worauf die Menge jubelte und winkte,
während einige Leute am Bootsteg „Happy Birthday“ sangen, da anscheinend jemand
von der Crew Geburtstag hatte. Insgesamt herrschte eine schöne Atmosphäre, auch
wenn ich sonst nicht viel von dem Fest mitbekam.
Die Fiddler waren sehr angenehme Gäste, sodass ich nicht
übermäßig beansprucht wurde und in Ruhe meinen Sherlock Holmes lesen konnte,
der wirklich schwer aus der Hand zu legen ist. The Hound of the Baskervilles
dürfte die wohl bekannteste Geschichte aus dem Holmes-Kanon sein, während The
Valley of Fear etwas unbekannter ist, vielleicht weil das Ermittlerpaar die
meiste Zeit überhaupt nicht vorkommt. Beide Romane sind auf ihre eigene Weise
großartig: The Hound of the Baskervilles ist eher ein klassischer Krimi mit
gleichbleibendem Spannungslevel, während The Valley of Fear streckenweise
wie ein Wild-West-Roman wirkt, aber mit einer spektakulären Auflösung à la The
Usual Suspects aufwartet (ohne zuviel verraten zu wollen).
Einen kompletten Film sah ich in den letzten Tagen nicht
mehr, da ich die erste Staffel, bzw. einen Teil davon, von Brothers and
Sisters gesehen habe. Die Serie lief vor ein paar Jahren in Deutschland und
ich hatte sie ziemlich gut gefunden, doch sie wurde bereits nach einer Handvoll
Folgen wieder abgesetzt. Eigentlich schade, denn die Schauspieler sind wirklich
gut und die Geschichte ist auch gar nicht so schlecht. Außerdem sah ich die
erste Hälfte von Four Lions, einem Film über islamische Terroristen,
die einen Anschlag begehen wollen aber zu blöd dafür sind. Das war erstaunlich
witzig. Eines Abends hingegen wurden meine schlimmsten Befürchtungen war, als
ich ins Wohnzimmer kam und da Twilight lief. Ahhh! Ich hatte das
schon die ganze Zeit erwartet, da Vampirfilme ja so populär sind. Ich schaute
nur für 20 Minuten oder so zu, während ich aß, länger habe ich es wahrlich
nicht ausgehalten. Es lief u.a. die Szene, wo der Vampir seiner Angebetenen
einen Antrag macht, was an Schnulzigkeit nicht zu überbieten war. Dass mein
Abendessen nicht umgehend wieder rausgekommen ist, war schon erstaunlich. Ich
versteh auch nicht, warum alle so tierisch auf Robert Pattinson abfahren, der
kann ja wohl überhaupt nicht schauspielern.
An meinem letzten Arbeitstag war es zunächst sehr ruhig. Die
anderen zwei waren am Fluss um sich ein Boot anzugucken während ich im
Wohnzimmer saß und mich mit Enda, einem der Fiddler unterhielt, der mir sogar
Tee machte. Doch just als meine Schicht eigentlich vorbei war, strömten die
Leute herein, alle ohne vorher reserviert zu haben. Ich war ja ganz froh
darüber, denn ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass ich an manchen
Tagen praktisch überhaupt nicht arbeitete. Ein bisschen chaotisch war es allerdings,
weil einer der Schlüssel vom anderen Haus verschwunden war, aber zum Glück
hatten wir noch ein anderes freies Zimmer, in dem ich sie unterbringen konnte
(später packte irgendwer den verlorenen Schlüssel klammheimlich in die Box).
Ein Gast, John, wirkte, als ob er high sei, aber er war ganz nett. Als ich ihm
sagte, dass wir noch ein Bett frei hätten, rief er nur laut aus „It’s my lucky
day!“, und dann noch einmal, als ich ihm sagte, dass er auch in Euro bezahlen
könnte. Und kurz nachdem ein Pärchen im anderen Haus untergebracht hatte, traf
ich eine junge Frau vor der Tür, die sich als meine Nachfolgerin entpuppte,
Charlotte aus Brüssel. Ich unterhielt mich mit ihr, bis Kylie und Sam
zurückkamen, dann gingen wir alle zusammen indisch essen (sooo lecker!) und
schauten uns anschließend noch das EM-Finale im Pub an, zusammen mit einer
Horde junger Spanier, die natürlich völlig ausgerastet sind vor Freude. Ein
perfekter letzter Abend.
Na ja, und am nächsten Morgen hieß es dann Abschied nehmen.
Ich war unglaublich traurig, es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte
geheult, besonders als die anderen mir ein Dankeskarte mit einem großzügigen
Trinkgeld überreichten. Ich mochte Kylie und Sam wirklich gerne und ich fand es
schade, dass ich nicht mehr Zeit mit Charlotte verbringen konnte, da sie sehr
nett war und viele interessante Geschichten auf Lager hatte. Im Hostel hatte
ich mich auch wie Zuhause gefühlt und es würde mir sehr fehlen, mit anderen
Leuten zusammen zu sitzen und zu quatschen oder Filme zu sehen. Aber es half ja
alles nichts. Ich umarmte alle zum Abschied noch einmal und machte mich dann auf
den Weg zur Bushaltestelle.
Der Abschied von Derry war natürlich ebenso schwer. Die
Stadt war mir wirklich sehr ans Herz gewachsen und wenn das Wetter nicht
so schlecht wäre, könnte ich mir gut vorstellen, dort zu leben. Ich wäre gerne
noch mindestens einen Monat länger geblieben, aber das ging ja nun leider
nicht. Ich kann jedem nur empfehlen, die Stadt einmal zu besuchen. Vielleicht
im nächsten Jahr, wenn Derry City of Culture ist, das wäre doch eine schöne
Gelegenheit, sie von ihrer besten Seite kennenzulernen.
Alle Fotos von Derry finden sich hier (ärgerlicherweise habe
ich vergessen, dass Hostel zu fotografieren).
Das nächste Mal geht es dann nach Galway.
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