Project Ireland: Connemara Skies


An meinem zweiten Tag in Galway hatte ich die Qual der Wahl. Es gibt nämlich drei großartige Optionen in der Umgebung: Die Cliffs of Moher, die Aran Islands und Connemara. Am liebsten hätte ich natürlich alle drei gemacht, aber da ich nur noch einen Tag übrig hatte, musste ich mich für eins entscheiden. Gefühlte 99 Prozent der Touristen schauen sich die Cliffs of Moher an, was mich ein bisschen abschreckte, denn ich mag keine Orte, die total überlaufen sind. Außerdem fuhr ich danach ja noch nach Donegal, wo ich mir die Slieve League ansehen wollte, die höchsten Klippen Europas. Daher entschloss ich mich, mir doch etwas anderes als eine Steilküste anzusehen. Die Aran Islands (Inishmore, Inishmaan und Inisheer) waren mir von allen Seiten empfohlen worden und ich hätte sie auch sehr, sehr gerne angesehen, aber ein Tag erschien mir zu kurz dafür, da hätte ich mich schon für eine Insel entscheiden müssen, um halbwegs was zu sehen. Man konnte zwar fliegen und musste nicht die Fähre nehmen, was Zeit sparte, aber es wäre trotzdem ein ziemlich teurer Tagesausflug geworden (ein return flight kostet etwa 50€), sodass ich mich dagegen entschied. Blieb noch Connemara. Das reizte mich mindestens ebenso sehr wie die Aran Islands, besonders nach dem ich The Guard gesehen habe, der dort spielt. Es war leicht mit dem Bus zu erreichen und der Lonely Planet hatte eine gute Wanderempfehlung. Also fuhr ich nach Connemara.

Ich musste relativ früh aufstehen, da der Bus bereits um halb neun fuhr. An sich nicht so schlimm, wenn ich nicht schon wieder eine fast schlaflose Nacht gehabt hätte. Ich meine, „The Fields of Athenry“ ist ja ein wirkliches schönes Lied, aber nicht wenn es um drei Uhr morgens von Betrunkenen gegrölt wird. Und auch meinen werten Zimmergenossen war es schnurzpiepegal, dass ich schlafen wollte. Sie versuchten nicht einmal, bei ihrer Rückkehr leise zu sein. Aber das Karma schlug zurück: Um acht klopfte es an der Tür. Als ich öffnete, erblickte ich eine energische Frau in den Vierzigern. „Ist Gerry da?“ Ich wusste die Namen der Herren nicht, also bat ich sie herein, damit sie selbst nachsehen konnte. Wie sich herausstellte, war die Sechsertruppe mit ihren Ehefrauen unterwegs, die jedoch in einem anderen Zimmer schliefen. Gerrys Ehefrau war jedenfalls überhaupt nicht zufrieden mit der Sauferei ihres Gatten und blies ihm erstmal den Marsch, obwohl der noch halb im Koma lag. Da konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, besonders, als sie ihm fast Prügel androhte, sollte er um neun nicht am Frühstücktisch sitzen. „I’ve never seen such a mess!“, schimpfte sie, als sie abrauschte. Ha ha ha.

Der Busbahnhof in Galway ist eine ziemliche Katastrophe, da die Fahrpläne an den verschiedenen Haltestellen hinten und vorne nicht stimmen. So war ich im ersten Moment etwas unschlüssig, welchen Bus ich dann nun nehmen sollte, bis sich herausstellte, dass der Bus nach Westport über Clifden fuhr. Viel bekam ich nicht von der Fahrt mit, da ich prompt einschlief und erst gut anderthalb Stunden in Roundstone wieder aufwachte, einem der wenigen Dörfern in Connemara. Die Gegend besteht hauptsächlich aus Heide, Steinen und kleinen Seen, ab und zu fährt man dann mal an einem Haus vorbei. Clifden, das im Westen von Connemara liegt, ist mit knapp 3000 Einwohnern der mit Abstand größte Ort.


Dort angekommen, machte ich mich erstmal auf den Weg zur Touristeninformation, um nach dem Wanderweg zu fragen, den der Lonely Planet empfohlen hatte. Na ja, genau genommen wollte ich nur eine Karte, die ich auch bekam, allerdings war sie so grob, dass sie praktisch nutzlos war. Immerhin erklärte mir die Dame, wo der Weg genau begann. Eigentlich war es auch kein Wanderweg, sondern eine einfache Straße, was natürlich ein bisschen schade, aber auch nicht so schlimm war. Als erstes kam ich an zwei Kirchen vorbei, St. Joseph (katholisch) und Christ Church (Church of Ireland). Dass es eine anglikanische Kirche in einem so kleinen Ort wie Clifden gibt fand ich schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass nur etwa drei Prozent der Iren in der Republik der Church of Ireland angehören.


Der Weg, den ich gehen wollte, nannte sich Sky Road. Nach zweieinhalb Kilometern teilt sich die Straße in die Sky Road und die Lower Sky Road, um nach vier weiteren Kilometern wieder zusammenzulaufen. Ich wollte erst die Sky Road entlanggehen („because it’s more scenic“, wie die Dame von der Touristeninfo sagte) und dann über die Lower Sky Road zurück nach Clifden laufen, was einen Rundwanderweg von ungefähr dreizehn Kilometern Länge ergibt. Nach einer halben Stunde machte ich noch einen Abstecher zum D’Arcy Monument, einem kleinen Denkmal, das sich auf einem Hügel befindet. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick auf Clifden und die Bucht.


An der Sky Road ist relativ viel Verkehr, da sich dort eine Pension nach der anderen befindet. Eine hat sogar ein Eingangstor, das dem eines Schlosses ähnelt. Da bekommt der Ausspruch „My home is my castle“ eine ganz neue Bedeutung. Die Dame in der Touristeninfo hatte nicht zuviel versprochen, denn der Ausblick war wirklich fantastisch. Besonders von einem Aussichtspunkt in der Mitte der oberen Sky Road hatte man einen wunderbaren Blick auf den Ozean, die Errislannen Peninsula und die wilde, grüne Landschaft. Auch die Überreste des Clifden Castle, in dem der Stadtgründer John D’Arcy im 19. Jahrhundert wohnte, waren zu sehen. Das Schönste war, dass zwischendurch sogar die Sonne schien. So war einiges los an dem Aussichtspunkt. Ich war jedoch die einzige, die zu Fuß unterwegs war, alle anderen hatten ein Wohnmobil, Auto oder Fahrrad.




Nach weiteren zwei Kilometern bog ich dann auf die Lower Sky Road ab, die wie der Name sagt unterhalb der hügeligen Halbinsel verläuft. Nach wenigen hundert Metern verdunkelte sich plötzlich der Himmel und es fing an zu regnen, aber fragt nicht wie. Sintflutartig prasselte der Regen herunter und das Wasser strömte die Straße herab. Das war dann auch für meine Schuhe zu viel, die sich mit Regenwasser füllten, das munter hin und her schwappte. Selbst meine Regenjacke und die Trekkinghose hatten Mühe, diese Wassermassen abzuweisen. Nach ungefähr zwanzig Minuten war der Spuk vorbei. Ich zog das Tempo an um weiteren Schauern möglichst zu entgehen, außerdem wollte ich den Bus um drei erwischen. Um viertel vor drei war ich wieder in Clifden. Der Bus war glücklicherweise schon da, sodass ich gleich einsteigen konnte. Zwei Minuten später fing es nämlich tierisch an zu plästern. Meine Regenjacke war völlig durchnässt, aber zum Glück war die Fließjacke in meinem Rucksack halbwegs trocken. Ich hatte sie auch dringend nötig, denn trotz des schlechten Wetters machte der Fahrer die Klimaanlage an, sodass es bitterkalt war im Bus. Und die Rückfahrt dauerte anderthalb Stunden. Wenigstens war die Hose schnell getrocknet, aber meine Socken waren immer noch klitschnass.



Wieder im Hostel bin ich erstmal schnell unter die Dusche, um mich aufzuwärmen. Abgesehen davon war ich jedoch sehr zufrieden mit meinem Ausflug. Connemara ist unglaublich schön und sehr wild, beinahe unberührt. Einen Abstecher kann ich voll und ganz empfehlen, dort leben wollte ich aber nicht, dazu ist es mir einfach zu einsam. Nächstes Mal geht es dann weiter nach Donegal.

Alle Fotos von Galway und Connemara finden sich hier.

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