Books I've Read: Andrew Motion - Keats

 
Die Keats-Obsession geht weiter: Nachdem ich Bright Star gesehen habe, erfuhr ich, dass Jane Campions Informationen über Keats hauptsächlich aus Andrew Motions Biographie stammen, die schlicht und einfach Keats heißt; Motion war zudem Berater für den Film. Eigentlich hätte es mich nicht überraschen sollen, dass es eine, ja sogar mehrere Biographien über Keats gibt, aber ich dachte, dass so wenig über sein Leben bekannt ist, dass ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen bin nachzusehen, ob jemand seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Als ich dann erfahren habe, dass Motion eine Biographie geschrieben hat, war ich Feuer und Flamme, zumal sie fast 600 Seiten stark ist. Das ist schon erstaunlich angesichts der eher dürren Faktenlage und Keats' kurzer Lebensdauer.

Nun, auch nachdem ich das Buch gelesen habe, muss ich sagen: die Faktenlage ist dürr. Oftmals bleibt auch Motion nichts anderes übrig, als Vermutungen anzustellen. Dabei ist das Problem nicht nur, dass abgesehen von seinen Gedichten und seinen Briefen wenig von Keats erhalten ist, sondern auch, dass die Erinnerungen, die seine Freunde aufgeschrieben haben, oft erst viele Jahre wenn nicht gar Jahrzehnte nach Keats' Tod verfasst wurden und deshalb mitunter nicht ganz der Realität entsprechen, etwa wenn Severn behauptet, John habe "Bright Star" auf der Reise nach Italien geschrieben, wo es doch schon Monate davor entstanden ist. So schreibt Motion dann auch fast so viel über Keats' Freunde wie über den Dichter selbst, was aber nicht so schlimm ist, da es hilft, Keats besser zu verstehen. Trotz der Probleme, mit denen ein Keats-Biograph zu kämpfen hat, ist Keats tatsächlich sehr lesenswert. Ich habe viele Dinge erfahren, die ich noch nicht über ihn wusste, etwa, dass er Shelley gar nicht wirklich leiden konnte. Interessant ist vor allem Keats' ambivalente Haltung gegenüber Frauen: "I have not the right feelings towards women", sagte er selbst. Er hegte ihnen gegenüber oft Misstrauen und war der Ansicht, dass Ehe und dergleichen einen negative Einfluss auf seine Schöpfungskraft hätten, was sich erst etwas gemildert hat, als er Fanny Brawne kennengelernt hat.

Die Beziehung zu Fanny hat mich ja fast noch am meisten interessiert, eben wegen Bright Star. Aber auch hier ist nur sehr wenig bekannt, da Fannys Briefe leider nicht erhalten sind. Der Großteil des Drehbuchs sind praktisch Campions Vermutungen, die aber durchaus der Realität entsprechen könnten. Interessant fand ich auch, dass Charles Brown nicht bloß der dramaturgisch notwendige Bösewicht ist, sondern auch im wahren Leben versucht hat, die Beziehung zwischen den beiden zu torpedieren. Der einzige Unterschied zwischen Fakt und Fiktion ist vielleicht, dass Keats in seinem letzten Jahr wesentlich kränker war, als es im Film dargestellt wird. Es war nicht leicht, von seinem langen und qualvollen Tod zu lesen. Besonders Leid tut es mir, dass Keats nie erfahren hat, wie vielen Menschen seine Gedichte etwas bedeuten.

Ich denke, Motion ist es ganz gut gelungen, dem Enigma Keats ein wenig näher zu kommen und mit dem Mythos vom weltfremden, hypersensiblen Junggenie aufzuräumen. Und wenn John Keats uns auch immer fremd bleiben wird, haben wir immer noch seine einzigartigen Gedichte wie "Ode on a Grecian Urn", "La Belle Dame Sans Merci" oder "Ode to a Nightingale". A thing of beauty is a joy for ever.

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