Project Ireland: Music, Movies and Museums
Wie ich bereits erwähnt hatte, wollte der Regen in meiner
dritten Woche in Derry überhaupt nicht mehr aufhören, sodass ich mich eher auf
Indoor-Aktivitäten konzentrierte. In Juni/Juli fand ein Filmfestival in Derry
stand, von dem ich jedoch erst erfuhr, als es schon fast vorbei war. In
unregelmäßigen Abständen zeigte das Nerve Centre, ein kleines Programmkino,
ausgewählte Filme. An dem Tag, an dem ich darüber las, lief Albert Nobbs, als vorletzter der Reihe. Da der Film im Irland des 19. Jahrhunderts
spielt, interessierte er mich natürlich besonders, sodass ich mich entschied,
ihn mir anzusehen. Ein bisschen komisch war es dennoch, ins Kino zu gehen
obwohl ich ja schon den ganzen Tag Filme im Hostel schaute.
Als ich eine
Viertelstunde vor Beginn das Kino betrat, saß nur eine andere Person dort, die
auf Einlass wartete. Lustigerweise kannte ich den älteren Herrn, da er bei uns
im Hostel übernachtete. Sein Name war Roger. Bisher hatten wir uns so gut wie
gar nicht unterhalten, aber nun, da wir beide warten mussten, kamen wir ins
Gespräch. Ich hatte ihn immer für reserviert gehalten, aber wie sich
herausstellte, war dem überhaupt nicht so. Er erzählte, dass er aus Launceston
kam, woraufhin ich erwiderte: „Oh, I love
Tassie!“ Das ließ ihn regelrecht aufblühen, denn bisher hatte er wohl noch
nicht viele Europäer getroffen, die in Tasmanien, geschweige denn in Lonnie
waren. Ich muss schon sagen, dass der Working Holiday sehr praktisch ist, um
mit Australiern in Gespräch zu kommen, denn sie hören es schon gerne, wenn ihr
Land Ausländern gefällt und diese sich die Zeit nehmen, es zu besuchen. Viele
scheinen zu glauben, dass die Europäer nichts über Oz wissen und freuen sich
dann, wenn sie nicht erst beschreiben müssen, wo ihr Bundesstaat genau liegt. Roger
und ich sprachen übers Wandern und er war tatsächlich einigermaßen erstaunt,
als ich ihm sagte, dass ich Mount Wellington bestiegen habe. „Der hat es ganz
schön in sich“, meinte er anerkennend. Ich erzählte auch, dass ich gerne mal
den Overland Track wandern würde, aber mir nichts sicher sei, ob ich das
schaffe, da ich bisher nur Tageswanderungen gemacht habe. „Oh, wenn du Mount
Wellington geschafft hast, schaffst du auch den Overland Track. Der ist zwar
länger, aber nicht so steil.“ Das freute mich, vor allem weil Roger ein
erfahrener Bergsteiger war. Er arbeitet irgendwie für die Regierung, sodass er
sowohl beruflich als auch privat oft im Ausland ist und schon einen Großteil
der Welt gesehen hat. Da war ich schon ein bisschen neidisch.
Die Vorführung begann mit einigen Problemen, als die DVD
aussetzte und jemand erst den Kassiere/Vorführer benachrichtigen musste, damit
er den Film wieder in Gang bringt. Danach lief aber alles reibungslos. Er
erwies sich als gut, aber ich glaube nicht, dass ich ihn mir noch einmal
ansehen kann. Er ist einfach furchtbar traurig, ja nicht bloß traurig, sondern
richtig niederschmetternd. Albert Nobbs (Glenn Close) ist Kellner in einem
Dubliner Hotel, der ein Geheimnis mit sich herumträgt: In Wahrheit ist er eine
Frau, die sich als 14-jährige als Junge ausgegeben hat, um einen Job zu
bekommen und seitdem in dieser Rolle feststeckt. Die Dinge ändern sich, als
Albert den Maler Hubert Page (Janet McTeer) kennenlernt, der ebenfalls
eigentlich weiblich ist. Als Albert erfährt, dass Hubert mit einer Frau
verheiratet ist, sieht er zum ersten Mal die Möglichkeit, aus seiner Einsamkeit
auszubrechen. Mit, soviel sei verraten, fatalen Folgen. Trotz der originellen
Idee ist das Drehbuch ziemlich lahm. Für meinen Geschmack geht es zu wenig auf
die Genderproblematik ein und konzentriert sich allzu sehr auf Alberts
Faszination für das Dienstmädchen Helen, wobei er/sie aber immer ein Rätsel
bleibt. Dank der beiden Hauptdarsteller ist der Film dennoch sehenswert. Dabei
wird die wirklich gute Glenn Close sogar noch von Janet McTeer an die Wand
gespielt. Am liebsten würde ich nur die Szenen mit Hubert Page noch einmal
sehen, der Rest ist einfach zu deprimierend.
Nach dem Film wurde
ich von einem anderen Herrn angesprochen, der neben mir saß. Ich hatte ihn
angelächelt, da ich im Halbdunkel zunächst für Roger hielt (die beiden sahen
sich ziemlich ähnlich), sodass er mich einlud, mit ihm ins Pub zu gehen. Wie
sich herausstellte, hieß er auch Dannie, jedoch abgeleitet von Den(n)is. Er war
Teil der Trad Session bei Tinny. Auch wenn ich die Musik gerne mochte,
entschuldigte ich mich, da abgesehen von ein paar älteren Leuten ja kaum jemand
dort hinging, da hätte ich mich glaube ich eher unwohl gefühlt.
Wenn ich nicht
Filme sah, las ich. Die Adventures
and Memoirs of Sherlock Holmes hatte
ich inzwischen durch, sodass ich mich Yeats zuwandte. Ich war jedoch nicht in
der Stimmung für Lyrik, also ging ich in ein Antiquariat und holte mir etwas
Nachschub. Der Laden war ziemlich klein, aber sie hatten eine ganz gute
Auswahl. Irgendwie war ich immer noch auf dem Sherlock-Holmes-Trip und freute
mich wie Bolle, als ich nach längerem Kisten durchwühlen auf eine Ausgabe von The Hound of the Baskervilles/The Valley of
Fear traf. Der Vorteil war zudem,
dass ich das Buch nach dem Lesen im Hostel lassen konnte und nicht mit mir
herumschleppen musste, da ich eh vorhatte, mir den gesamten Sherlock Holmes
zuzulegen. Als zweites kaufte ich mir The Code of the Woosters.
Ich bin ein Riesenfan von Wodehouses Jeeves-Geschichten. Tatsächlich hatten sie
tonnenweise Bücher von Wodehouse, aber kaum etwas mit Jeeves und Wooster. Als
ich den Code sah, musste ich natürlich zuschlagen. Beide Bücher kosteten zusammen
vier Pfund, da kann man nicht meckern.
Der Einladung des
älteren Herrn folgte ich zwar nicht, aber ich ging nach längerer Zeit
(zumindest für irische Verhältnisse) mal wieder ins Pub. Sonntagnachmittag kam
Sam zu Maddie und mir ins Zimmer und fragte, ob wir auf ein Bier gegenüber ins
Derby gehen wollten. Andrea kam auch mit, sodass niemand im Hostel war. Sam
machte einfach einen Zettel an die Tür, dass wir im Pub gegenüber sind, was mir
ja schon fast ein bisschen peinlich war. Es war aber ganz lustig, zumal noch
Michael, ein australischer Gast mitgekommen war, der auch schon im anderen
Hostel in Schottland gewesen war. So erfuhr ich einige interessante Dinge, etwa
dass Steve den Großteil seiner Einnahmen wohl nicht mit den Hostels sondern auf
der Pferderennbahn macht. Na gut, wer weiß, wie viel Wahres darin steckt, aber
ich habe mich schon gefragt, wie sich unser Chefehepaar es sich leisten kann,
dauernd in Urlaub zu fahren.
Anschließend ging
ich mit Maddie noch zu Sandinos, da dort an diesem Nachmittag eine Trad Session
stattfand. Ich war überrascht, wie klein der Laden war. Sie hatten noch einen
größeren Saal für Konzerte, aber das eigentliche Pub war echt winzig, fünf
Tische und eine Bar. An den Wänden hingen Erinnerungsstücke an Che Guevara und
andere Helden der linken Szene. Da es schon ziemlich voll war, setzten Maddie
und ich uns an die Bar. Dort trank ich auch endlich mein erstes Guinness.
Bisher hatte ich mich nicht so recht „getraut“, da ich nicht so gute Sachen
über das Bier gehört hatte, aber schlimmer als die irischen Lager konnte es
eigentlich nicht werden, zumal in Irland alle so davon schwärmten. Nach dem
ersten Schluck schlug ich mich auf die Seite letzterer. Ich weiß gar nicht,
warum in Deutschland so viele Guinness verteufeln. Ich mochte es unglaublich
gerne. Die Musik war auch gut. Alles war sehr locker und spontan, aber es klang
trotzdem sehr gut. Ich mag den Irish way of life. Man kann sich am
Sonntagnachmittag (oder jedem anderen Tag) einfach in ein Pub setzen und ein
Bierchen schlürfen und nebenbei noch wunderbare Livemusik hören, und das alles
für ein Appel und ein Ei. Herrlich. Ich wünschte, das wäre auch in Deutschland
so.
Da sich meine Zeit
in Derry langsam aber sicher dem Ende zuneigte, wollte ich noch etwas
Sightseeing betreiben. So ging ich endlich mal ins Museum of Free Derry, was
ich mir schon seit längerem vorgenommen habe. In dem Museum geht es um die
Troubles in der Bogside, vor allem um Bloody Sunday. Das Museum an sich war
sehr klein, aber sie hatten einige wichtige Zeugnisse von dem Tag, zum Beispiel
das Banner der Civil Rights Association, auf dem immer noch Blutflecken
prangten. Und auch das blutbefleckte Taschentuch, das Father Daly geschwenkt
hatte, als er und ein paar andere versucht haben, den tödlich verletzten Jackie
Duddy aus der Schusslinie zu bringen. Es ist wirklich unfassbar, was an diesem
30. Januar 1972 direkt vor dem Haus, das heute das Museum ist, geschehen ist.
Nicht nur, dass die britische Armee auf unbewaffnete Zivilisten geschossen hat,
nein, sie haben Menschen in den Rücken geschossen, die versucht haben, wegzurennen
und sie haben auf Menschen geschossen, die versucht haben, den Verletzten zu
helfen, obwohl sie teilweise ein weißes Taschentuch geschwenkt haben. Es ist
wirklich nicht nachzuvollziehen, warum sie das getan haben. Selbst wenn sie
sich irgendwie bedroht gefühlt haben sollten, können sie doch nicht einfach das
Feuer auf Menschen eröffnen, ganz besonders nicht, wenn diese nur fliehen oder
helfen wollen. Zu allem Überfluss haben sie auch noch versucht, ihr
Fehlverhalten zu vertuschen und (höchstwahrscheinlich) einem der Opfer nach
dessen Tod Nagelbomben untergeschoben. Erst 2010 hat sich die britische
Regierung bei der Opfern und ihren Angehörigen entschuldigt. Im Museum hatten
sie Zeitungsausschnitte vom Tag danach sowie ausführliche Informationen zu
allen Opfern. Das war wirklich sehr beklemmend. Wer sich genauer dafür
interessiert, dem kann ich wirklich nur Bloody Sunday von Paul
Greengrass empfehlen.
Am nächsten Tag
ging ich zur Waterside, da ich mir das Workhouse Museum ansehen wollte. Zu
meiner großen Enttäuschung musste ich jedoch feststellen, dass die Ausstellung
über die Workhouses und die große Hungersnot zwecks Renovierung geschlossen
war. Das war echt ärgerlich, da ich nur deswegen dorthin gegangen war. Es gab
noch eine zweite Ausstellung darüber, wie Derry den Zweiten Weltkrieg erlebte,
die mich aber nicht so interessierte, da es hauptsächlich um U-Boot-Typen und
so etwas ging. So war ich nach 20 Minuten wieder raus.
Filme:
Albert Nobbs
(***1/2)
Strangers on a
Train (****1/2)
The Guard (****1/2) – tiefschwarzer irischer Humor at its best
Dead Poets Society (****)
Far North (*1/2) –
die widerlichste Schlussszene aller Zeiten: Eine Eskimofrau und ihre Tochter
nehmen einen Soldaten bei sich auf. Soldat und Tochter verlieben sich gegen den
Willen der Mutter. Als sie fortgehen wollen, erdrosselt die Mutter die Tochter,
zieht ihr die Gesichtshaut ab und legt sie sich übers eigene Gesicht. Als der
Mann wiederkommt, hält er die Mutter für die Tochter und schläft mit ihr, bis
sich die falsche Haut ablöst und der Soldat begreift, was passiert ist.
Unrealistisch und abartig hoch zehn.
Der Anfang von Brothers Bloom – scheint ganz sehenswert zu sein
Fernsehserien:
What about Brian
(**) – gutes Cast aber saulangweiliges Skript
The Mighty Boosh
(****) – göttlich! Total abgedreht, aber einfach brillant. Ich weiß nicht,
wann ich das letzte Mal so gelacht habe. Muss ich mir unbedingt auf DVD
besorgen.
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