Project Ireland: The Tower/The Second Night of My Drinking


Meine erste Nacht im Pub bezahlte ich natürlich mit einem Kater, der allerdings nicht allzu schlimm war. Trotzdem war ich ganz froh, als Kylie mir mitteilte, dass sie mich erst um vier bräuchte, um zuzusehen, wie Sam die Gäste eincheckt. So konnte ich noch mit den anderen frühstücken und anschließend ins Tower Museum gehen. Hinter den Stadtmauern, am Magazin Gate, gibt es einen alten Turm, in dem sich heute ein Museum befindet. Die Ausstellung im Erdgeschoss widmet sich der Geschichte Derrys von der Steinzeit bis zum 21. Jahrhundert. So richtig los geht es mit Columcille und seinem Kloster, dann folgt ein Sprung ins 17. Jahrhundert mit der Plantation, der Ansiedlung der schottischen und englischen Siedler, und dem Flight of the Earls, der Flucht der alten gälischen Aristokratie nach Kontinentaleuropa. Auch die Belagerung Derrys spielte natürlich eine große Rolle. Ansonsten wurden die gleichen Themen angeschnitten wie im Ulster Museum in Belfast: Die große Hungersnot und die überfüllten Häuser (eher Hütten, die von zwei oder drei Familien bewohnt wurde, obwohl kaum eine darin Platz hat), die Spannungen zwischen Nationalisten und Unionisten, die Teilung Irlands, der Bürgerkrieg und ein eher kleiner Bereich über die Troubles. Anschließend zeigten sie noch einen Film über Derry im 20. Jahrhundert, der sich unter anderem der Massenemigration nach dem Zweiten Weltkrieg (ein Achtel der Einwohner verließ die Stadt dauerhaft), Bloody Sunday und dem Good Friday Agreement widmete. Ich nahm an, dass der Film schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, denn er erwähnte trotz positivem Ausblick nicht, dass Derry im nächsten Jahr City of Culture ist.

Die verbleibenden vier Stockwerke widmeten sich der Armada, oder genauer gesagt “La Trinidad Valencera“, eins der Schiffe, das vor der Küste Donegals sank. Obwohl die Ausstellung vier Stockwerke umfasste, war sie gar nicht sooo groß. Wie ich schon in Belfast erfahren hatte, litt die Armada unter schlechtem Wetter, schlechten Karten und schlechter Navigation. Nachdem die Valencera gesunken war, fanden die Überlebenden Unterschlupf in einem Kloster, bis die Engländer davon Wind bekamen und die meisten von ihnen umbrachten. Der Rest der Ausstellung befasste sich mit der Bergung des Wracks. Ehrlich gesagt hat mich das nicht so interessiert, zumal ich sowas ähnliches ja schon in Belfast gesehen hatte. Man konnte auch auf das Dach des Towers, von dem man einen guten Blick über Derry hatte, der leider etwas durch das Plexiglas getrübt wurde, sodass Fotos nicht wirklich in Frage kamen. Insgesamt verbrachte ich ungefähr eineinviertel Stunden in dem Museum. Es hat mir schon gut gefallen, vor allem die Ausstellung über Derry, aber ich fand £4.20 Eintritt vielleicht doch ein bisschen viel im Vergleich zum Ulster Museum.


Auf dem Rückweg erlebte ich, immerhin erst nach einer Woche, meinen ersten irischen Regen. Ich meine diesen Regen, der einen innerhalb einer Minute vollkommen durchnässt, aber abrupt aufhört, sobald man Zuhause angekommen ist. Nun ja.

Am Nachmittag guckte (oder eher hörte) ich zu, wie Sam die Gäste eincheckte, ansonsten gab es nichts für mich zu tun. Ich saß nur auf dem Sofa und sah Filme. Selbst drei Wochen später sitze ich meist auf dem Sofa und gucke Filme, während ich darauf warte, dass Gäste kommen. Das Hostel hat ein Lovefilm-Abo, sodass man sich hunderte, wenn nicht gar tausende Filme per Knopfdruck ansehen kann. Das führt dazu, dass die Fernbedienung reihum gegeben wird und jeder Mal was aussuchen darf, wobei das angesichts der Riesenauswahl nicht unbedingt eine Freude ist. Außerdem will man durch seine Wahl auch nicht den Rest der Anwesenden langweilen.

Das ist eine zweischneidige Sachen, denn ich schaue gerne Filme, aber nicht unbedingt in solchen Massen. Auch sehe ich tagsüber eigentlich gar nicht so gerne fern, aber da die Sofas mordsbequem sind, ist es der beste Platz, um auf Gäste zu warten. So habe ich glaube ich in den drei Wochen mehr Filme gesehen als im ganzen Jahr davor. So viele, dass ich mich gar nicht an alle erinnern kann (oder will). Mit der Fußball-EM ist die Filmquote etwas gesunken, aber so zwei, drei Filme pro Tag schaue ich meistens schon. Ein Nachteil ist, dass man selten gezielt nach Filmen sucht, sondern sich eher durch Listen wie “Most Popular“ wurschtelt. Das führt dazu, dass erstaunlich viele Fantasy-Filme ausgesucht werden. Ich hasse Fantasy, vor allem wenn Zombies oder Vampire darin vorkommen. Ich musste mir in meiner Zeit hier schon dreimal Interview with the Vampire ansehen, obwohl ich Vampirfilme, Brad Pitt und vor allem Tom Cruise nicht ausstehen kann. Andererseits habe ich aber schon die eine oder andere Entdeckung gemacht wie z.B. Submarine oder (erst heute) The Guard und alte Lieblinge noch einmal angesehen, wie Almost Famous, The Third Man oder North by Northwest. Nur Bright Star haben sie leider nicht, dabei könnte ich mir den glatt schon wieder anschauen.

Abends sind wir erneut ausgegangen, da es Kevins letzte Nacht in Derry war. Da alle sich spontan entschieden hatten, ihren Aufenthalt zu verlängern, waren wir die gleiche Gruppe, außerdem war Sam dieses Mal mit dabei. Er, Kevin und Tom glühten schon ordentlich mit Wodka vor, und auch Keesheeanne war ein bisschen tipsy. Es war ganz interessant, die kulturellen Partyunterschiede genauer zu beleuchten. So sind Hauspartys in den USA, wie man sie im Fernsehen sieht, gar nicht so untypisch. Sie trinken wirklich aus roten Bechern und am Ende tauchen nicht selten die Cops auf. Beim ersten Mal gibt es eine Belehrung, beim zweiten Mal ein Bußgeld und beim dritten Mal (innerhalb einer Nacht) Knast. Übrigens darf in den USA nach zwei Uhr kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, sodass man deshalb anschließend noch „nachglüht“.

Diesmal gingen wir zunächst in die Don Bar, die in der Nähe des Hostels liegt, laut Kevin ein „IRA Pub“, obwohl er uns einbläute, die Gäste nicht nach ihrer IRA-Vergangenheit zu fragen. Er meinte, sie würden von sich aus Geschichten erzählen, aber es waren nur zwei oder drei Leute da, sodass wir unter uns blieben (wahrscheinlich brauchten selbst die Iren nach dem langen Wochenende eine Pause). Diesmal trank ich ein Pint Cider, was eine gute Alternative zum Bier ist. Da Keesheeanne recht redselig war, erfuhr ich mehr über sie, unter anderem dass die ein, wie Kevin es nannte, „Ivy-League-Girl“ ist, mit Abschlüssen von der Penn State und der Johns Hopkins. Obwohl sie erst 25 ist, hatte sie auch einen recht guten Posten in Washington, den sie für ihre Reise jedoch aufgegeben hat. Noch interessanter fand ich aber, dass sie eigentlich aus Utah, aus einer Mormonenfamilie stammt, aber, wie sie beteuert, „den Absprung geschafft“ hat.Tatsächlich muten einige Mormonengesetze etwas merkwürdig an. So müssen sich die Männer rasieren und man darf nichts zu sich nehmen, dass irgendwie süchtig machen könnte, also keinen Alkohol und nicht mal Kaffee und Tee. Ich glaube, ich muss nicht unbedingt nach Utah fahren.

Anschließend gingen wir noch ein Pub in die Waterloo Street, was für mich eher langweilig war, da Quizabend war (an dem wir nicht teilgenommen haben) und eine Horde junger Mädchen dort war, von denen eine um Mitternacht 18 geworden war. Sie waren mega-aufgekratzt und wollten haufenweise Fotos mit uns machen, vor allem mit Sam und Kevin. Tom war zudem Zeitpunkt so betrunken, dass er kaum mehr stehen konnte. Als sie um halb zwei den Laden dicht machten, gingen wir zurück ins Hostel und feierten da noch ein bisschen weiter, na ja, in erster Linie diskutierten Tom und Kevin über die Beastie Boys, die Tom doof fand, was Kevin nicht gelten lassen wollte. Um halb drei war ich jedoch so müde, dass ich mich verabschiedet habe. Kevin hat noch bis fünf weiter gemacht, als ihn sein Taxi zum Flughafen abgeholt hat. Der Mann ist hart im Nehmen.

Filme zum Eintrag, an die ich mit erinnern kann (mit Bewertung von 1-5):
Repo Man (*1/2)
Zombieland (***)
The Brothers Grimm (**)
und wahrscheinlich noch irgendein asiatischer Action-Fantasyfilm mit Untertiteln

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