Project Ireland: Belfast revisited


Sorry für die paar Tage Funkstille, aber ich war in Ballintoy und hatte kein Internet. Jetzt geht’s aber weiter: Nach meiner ersten Nacht in Belfast erwachte ich ziemlich gerädert. Das Schlafen in 8-Bett-Zimmern habe ich definitiv nicht vermisst und mir graut es jetzt schon, wenn ich daran denke, dass das noch ein paar Wochen so weiter geht. Es war laut und – womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte – es war heiß. Da auf der Straße auch nachts reichlich viel Verkehr ist, hatte jemand das Fenster geschlossen, was jedoch nicht den Lärm, aber die frische Luft draußen ließ. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie der Raum am nächsten Morgen gerochen hat. Außerdem hatte ich mächtig Durst, aber ich hatte nur noch einen Rest aus meiner 0,5-Liter-Flasche Wasser, die ich in Amsterdam am Flughafen gekauft hatte. Das ist der Nachteil, wenn man abends fliegt, dass man nach der Ankunft nicht mehr einkaufen kann. Nun gut, es gibt noch einen 24-Stunden-Laden in der Botanic Avenue, aber als ich um 23:30 Uhr endlich im Hostel angekommen war, war ich auch froh, ins Bett zu können und nicht noch einkaufen gehen zu müssen.

Nachdem Frühstück machte ich mich also auf und besorgte das Notwendigste. Glücklicherweise wusste ich noch, wo der nächste Supermarkt war, nachdem ich mich vor drei Jahren dumm und dämlich gesucht habe, aber die Auswahl im Tesco Express war begrenzt. Für ein Pfund Nudeln wollten sie gar ein Pfund haben, das war mir zuviel. Da gerade Currysauce im Angebot war, habe ich die gekauft, zusammen mit einem Pfund Reis. Außerdem kamen noch Toast, Butter, Sandwichkäse, 2 Flaschen Wasser und Plastikbeutel hinzu, wofür ich insgesamt 8 Pfund (10 Euro) bezahlen musste. Nun ja. Aber sie hatten halt fast nur Markenprodukte statt der günstigeren Eigenversion.

Nachdem ich alles im Hostel abgeladen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Innenstadt. Ich ging den Donegall Pass entlang wo ich gleich ein paar Murals, Wandgemälde, fand, die ich beim letzten Mal übersehen hatte, unter anderem eine recht berühmte Abbildung von William of Orange alias King Billy. Die viktorianische City Hall sieht so beeindruckend aus wie eh und je; diesmal hatte sie die olympischen Ringe über dem Haupteingang hängen, da die Spiele ja bald in London stattfinden. Dementsprechend hingen auch überall bunte Fähnchen mit der Aufschrift „London 2012“. Nur das Riesenrad ist mittlerweile weg, das fand ich ein bisschen schade. Nicht, dass ich damit fahren wollte, aber ich mag Riesenräder irgendwie.


Da es wolkig war, hatte ich meine Regenjacke angezogen, was zur Folge hatte, dass mir an der City Hall zig Menschen eine Tour andrehen wollten. Von den Einheimischen trägt nämlich keiner einer Regenjacke, sodass ich als Tourist gebrandmarkt war. Das fand ich ein bisschen schade, denn auf dem Flug hatte mich ein noch ein junger Mann angestupst und gesagt: „Cheer up, mate, you're going home“, was mich so überrascht und verwirrt hat, dass ich nur gelächelt habe. Andererseits bin ich nicht sicher, ob ich wirklich wie die Einheimischen aussehen will, denn viele von ihnen laufen in Jogginganzügen durch die Gegend. Die Männer haben raspelkurze Haare und sind von Kopf bis Fuß tätowiert während die Frauen voll Make-up und Schmuck sind. Natürlich nicht alle, aber erschreckend viele. Aber ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen will: Die Leute müssen recht verzweifelt sein, denn abgesehen von ein paar spärlich besetzten Stadtrundfahrtsbussen sind nur sehr wenige Touristen zu sehen.


Ich wollte nicht haargenau das Gleiche machen wie vor drei Jahren, also bin ich erstmal Richtung Norden gegangen, da ich dort noch nicht war. Ich kam an der St Anne's Cathedral vorbei, dank derer das Viertel auch Cathedral Quarter heißt, die von außen nicht so besonders spektakulär aussieht. Von innen war sie jedoch ungleich imposanter. Nicht so protzig wie eine katholische oder osteuropäische Kirche, aber mit vielen schönen Fenstern, einem edlen Taufbecken und einer speziellen Kapelle für Veteranen. Die Gottesdienste sind aber meist so spärlich besucht, dass sie in einer weiteren Nebenkapelle gefeiert werden. Kaum dass ich durch die Tür war, wurde ich übrigens von einem sehr netten älteren Herrn empfangen, der mir einen Plan (auf deutsch) in die Hand drückte und mich zum Fotografieren animierte. Natürlich erhoffte er sich eine Spende, also habe ich einen kleinen Obolus abgedrückt. Wenn man bedenkt, was geboten wurde, war das schon okay, außerdem ist die Church of Ireland ja verhältnismäßig progressiv, denen gebe ich lieber was als irgendwelchen Fundamentalisten.


Im Cathedral Quarter gibt es auch einige hübsche kleine Gässchen, mit Blumentöpfen, die an den Hauswänden befestigt sind. Von dort aus ging ich zum Fluss und machte eine kleine Mittagspause. Ich saß direkt am Big Fish, einer wie der Name sagt großen Fischskulptur, was mich innerlich schmunzeln ließ, denn vor drei Jahren saß ich schon einmal dort und dachte, dass es doch vielleicht ganz nett wäre, 2012 zum Titanic-Jubiläum wieder herzukommen, weil dann bestimmt viel los ist, und nun bin ich tatsächlich hier. Damals war ich jedoch unentschlossen gewesen ob sich das schon lohnt, denn die damals angekündigte Grundsanierung der Docklands wurden mit einer Dauer von 15-20 Jahren veranschlagt.


Um so größer war meine Freude als ich feststellte, dass sich weitaus mehr getan hat, als ich erwartet hatte. Während vor drei Jahren der Geruch von Meerwasser noch durch den Geruch von Teer überlagert wurde, gibt es am Big Fish keine Bauarbeiten mehr. Dort hatte ich übrigens den grausigsten Kaffee meines Lebens getrunken, aber der Coffee Shop existiert mittlerweile nicht mehr. Warum wohl? Wie auch immer. Ihr wisst ja wahrscheinlich, dass die Titanic in Belfast gebaut wurde, was hier bis zum geht nicht mehr touristisch ausgeschlachtet wird. Die Leute sind aber auch sehr stolz auf das Schiff, und auf die rund 1700 anderen, die in den Shipyards von Harland & Wolff entstanden. Die aufgemöbelten Docklands (gegenüber der Innenstadt auf der anderen Seite des River Lagan) tragen jetzt jedenfalls den Namen Titanic Quarter und die neue Promenade am Fluss heißt, obacht, Titanic Trail. Ihr habt im Fernsehen vielleicht auch die Eröffnung eines Titanic-Museums namens Titanic Belfast (!) im April mitverfolgt. Ich habe mir den Bau mal aus der Entfernung angesehen, der protzt ganz schön, viel zu schick für die immer noch von Industrie geprägte Umgebung. Vielleicht sehe ich mir das Museum im Juli an, aber im Moment schreckt mich der Eintrittspreis von 14 Pfund noch etwas ab. In der St. Anne's Cathedral hatte es auch einen sogenannten Titanic Pall gegeben, einen Wandteppich, in den tausende kleiner Kreuze zur Erinnerung an die Opfer eingenäht sind.


Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn die Titanic nicht mit dem Eisberg kollidiert wäre. Wahrscheinlich wäre der Größenrekord bald von anderen Schiffen eingestellt worden und die Titanic wäre in Vergessenheit geraten. Für Belfast wäre das ein echtes Problem, denn der olle Dampfer ist die Touristenattraktion schlechthin und eine der wenigen, die nicht durch die Troubles, die Unruhen, belastet ist. Insofern hilft sie Belfast auch dabei, ein neues Image aufzubauen. Von daher kann ich es ihnen nicht mal verübeln, dass man das Schiff hier an jeder Ecke sieht. Irgendwie tut es mir auch leid, dass Belfast nur für solche schrecklichen Dinge bekannt ist, das hat die Stadt nicht verdient.

  
Von der Laganside bin ich wieder Richtung Süden gegangen, zu den Botanischen Gärten, wo ich mich eine Weile ins Gras gesetzt habe. Die Botanischen Gärten sind zwar ziemlich klein, aber sehr schön. Das Prunkstück ist das viktorianische Palm House, das aus Glas und Stahl besteht. Im Inneren befinden sich einige exotische Pflanzen, und ein grimmiger Gärtner, der dort auf und ab geht. Direkt neben den Gärten liegt die Queen's University, die berühmteste und älteste Uni in Belfast.


Ich bin dann zurück ins Hostel gegangen, da ich immer noch ziemlich erledigt war wegen der unruhigen Nacht. Beatrice war auch im Zimmer, überhaupt schien sie das Hostel nur abends für Partys zu verlassen, wie auch so einige andere, was ich ziemlich schade fand. Schließlich gibt es in Belfast so viel zu sehen, warum sollte ich also meine Abende in Pubs und meine Tage im Bett verbringen? Aber das war mir damals in Dublin schon aufgefallen, dass viele junge Menschen anscheinend nur zum Party machen nach Irland kommen. Ich wollte mich vorm Abendessen eigentlich ein bisschen hinlegen, doch Beatrice hat mir mal wieder ein Ohr abgekaut, da sie scharf auf Brad, einen Australier war, der mit ihr von Galway nach Belfast gekommen war. Brad ist zugegebenermaßen extrem attraktiv (außerdem hat er darauf bestanden meinen Abwasch zu machen), aber wahrscheinlich weiß er das selber und nutzt es aus. Beatrice war sich nicht sicher, ob er sie mag, bla bla bla, das Übliche. Am Vorabend hatte Brad eine deutsche Backpackerin geküsst, also vermutete ich mal, dass er nicht übermäßig viel für Beatrice übrig hat, andererseits wollte sie auch nur ein bisschen Spaß mit ihm haben. Das alles kulminierte in der Klage: „I haven't had sex for two weeks!“ „Okay...“, meinte ich nur überrascht, mehr bekam ich nicht heraus. Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich zu prüde für solche Unterhaltungen bin. Ich möchte nicht mit anderen Leuten über ihr Sexleben diskutieren, vor allem nicht, wenn ich sie erst sein fünf Minuten kenne. Nicht zu vergessen, dass sie sich fast nackt vor mir auszog und fragte, ob ich fände, dass sie einen BH tragen müsse. Außerdem hat sie dauernd von Make-up geredet. Sie hatte mindestens zwei Kulturtaschen voll Schminke dabei (musste mich aber nach Zahnpasta fragen) und zeigte mir immer, wie „natürlich“ doch ihr Look ist. Ich werde nie verstehen, warum Leute sich stundenlang schminken nur um ungeschminkt auszusehen. Ich hab ja wirklich nichts gegen ein bisschen Make-up, aber ich habe keine Lust, dauernd darüber zu reden.

Das war also mein erster Tag in Belfast. Auch die folgenden Tage war es so, dass das Sightseeing toll war, die Zeit im Hostel jedoch eher anstrengend. Doch mehr dazu beim nächsten Mal.

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