Project Ireland: And the Sun Shone So Bright and It Lit Up All Our Days

Der nächste Tag begann doch tatsächlich warm und sonnig. Da war es fast ein bisschen schade, dass ich mir für den Vormittag vorgenommen hatte, ins Ulster Museum zu gehen, aber ich wollte es unbedingt sehen und da es mein vorerst letzter Tag in Belfast war, bin ich trotz des schönen Wetters hingegangen. Das Ulster Museum liegt in den Botanic Gardens. Es gliedert sich in drei Bereiche: History Zone, Nature Zone und Art Zone. Im Erdgeschoss befindet sich die History Zone; sie hatte verschiedene Artefakte zusammengetragen, unter anderem eine Kanone, ein Dinosaurierskelett und eine bunte Maske aus Sri Lanka, oder so. Im ersten Teil ging es um die „Troubles“, wobei die Ausstellung überraschend klein war. Als Beginn der Troubles zählt in der Regel der Civil Rights March in Derry am 5. Oktober 1968, in dem die katholische Bevölkerung gegen ihre Diskriminierung protestierte. Die Ausstellung informierte über verschiedene Punkte des Konflikts, etwa IRA vs. UDA/UVF, Bloody Sunday, Omagh, der Hungerstreik von 1981, Internment (Inhaftierung ohne Prozess – so wollte die Regierung die Gewalt eindämmen) und das Good Friday Agreement. Da komme ich aber noch genauer drauf zu sprechen, wenn ich über Derry schreibe.

Der größte Teil des History Zone beschäftigte sich mit der Geschichte Ulsters. Im 17. Jahrhundert enteigneten die Engländer viele irische Bauern und gab das Land an schottische und englische Siedler, dazu kamen noch viele Immigranten, die sich auf bisher unbesiedeltem Land niederließen. Dies ist quasi die Wurzel des gesamten Konflikts, denn die neuen Siedler waren Protestanten, die Iren hingegen Katholiken. Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber die Protestanten gewannen zunehmend die Kontrolle über Ulster, was in der systematischen Benachteiligung der Katholiken (aber auch nicht-anglikanischer Protestanten wie den Presbyterianern) resultierte. Das alles spitzte sich im 20. Jahrhundert zu, bis sich nach dem Ersten Weltkrieg ein Teil der Nationalisten und der britischen Regierung auf die Teilung Irlands einigten. Der anderen Teil wollte dies nicht akzeptieren, was das Land in einen Bürgerkrieg stieß. Mit der Großen Depression und dem Zweiten Weltkrieg kehrte etwas Ruhe ein, aber Ende der 60er-Jahre explodierte der Konflikt erneut und konnte erst dreißig Jahre später mehr oder weniger beendet werden. Daneben beschäftigte sich noch eine Ausstellung speziell mit Belfast, vor allem mit der Leinen- und Schiffbauindustrie, die mittlerweile jedoch größtenteils zum Erliegen gekommen ist.

Eine weitere Ausstellung drehte sich um die Girona, ein Schiff der Armada, das vor der nordirischen Küste sank. Neben den englischen Schiffen machte der Armada vor allem die fehlerhaften Karten und das britische Wetter zu schaffen, sodass mehrere Schiffe in der Irischen See untergingen. Die Girona war zudem völlig überladen gewesen. Aus dem Wrack konnte man aber mehrere Gegenstände fischen, etwa Münzen aus der Zeit.

Die Nature Zone versammelte eine ganze Reihe ausgestopfter Tiere bzw. Tiermodelle, von Spezies die aktuell in Irland leben oder ausgestorben sind, wie der Riesenhirsch. Die Erläuterungen zur Geologie und Mineralogie fand ich persönlich nicht so spannend, abgesehen von der Tatsache, dass Irland von 340 Millionen Jahren am Äquator lag. Können wir da nicht wieder hinkommen? Die Art Zone war überraschend klein, es gab Nippes aus dem 18. Jahrhundert sowie diverse Gemälde aus den Sechzigern und Siebzigern, die an sich ganz cool waren, nur roch es in dem Raum so stark nach Renovierung, dass ich nicht allzu lange dort geblieben bin.


Der Museum Shop hat auch einige schöne Sachen, vor allem Notizbücher, ich glaube, da muss ich vor meiner Abreise aus Irland noch einmal vorbeischauen. Queen-Mitbringsel hatten sie auch, so wie viele Dinosaurier, was insbesondere die jüngeren Besucher erfreut hat. Das Museum hat mir insgesamt sehr gut gefallen, vor allem die History Zone. Es war zwar nicht das Beste, in dem ich jemals war, aber man hat sehr viele interessante Dinge über Nordirland erfahren.

Nach einer kurzen Mittagspause im Hostel habe ich mich auf den Weg nach East Belfast gemacht. Da war ich zwar auch schon mal gewesen, aber da sich im Westen so viel in den letzten drei Jahren getan hat, wollte ich mal gucken, ob es im Osten auch so ist. Um nach East Belfast zu kommen, muss man auf die andere Seite des River Lagan. Das Viertel wird von den beiden gelben Kränen von Harland & Wolff namens Samson und Goliath dominiert, die sich wie zwei Riesen über den Osten der Stadt erheben. Ansonsten ist East Belfast wie Shankill stramm loyalistisch. Überall wehten die Union Jacks und das Antlitz der Queen.


Die Hauptader des Viertels ist die Newtownards Road, eine schier endlose Straße auf die Autofahrer meist nur im Stop and Go vorankommen. Gleich zu Beginn gab es ersten Unterschied zu 2009, als ich ein neues Mural entdeckte, das sich, worüber auch sonst, um die Titanic drehte. Daneben befand sich ein Mural, das zwei Kinder zeigte, die sich die Hand reichten, dazu ein Gedicht mit dem Titel „No More“ (Nie mehr), das die Menschen dazu auffordert, den Hass und die Gewalt endlich aufzugeben. Das fand ich sehr schön. Die alten Malereien von UVF und UDA gab es aber auch noch. Während die Zahl der Murals, im Shankill zumindest, eher abgenommen hat, ist die Zahl derer in East Belfast gestiegen, wahrscheinlich, um Touristen anzulocken. Auch haben sie mittlerweile ihre eigenen Taxitouren, für die der Westen so berühmt ist. Ich weiß nicht, wie das so ankommt. An diesem Tag war ich, wie schon vor drei Jahren, so ziemlich der einzige Tourist in der Gegend, was ich ein bisschen schade finde.


Bis zur Ecke Albertbridge Road befinden sich Murals, ich bin aber noch weiter nach Osten gegangen, da ich einen bestimmten Ort sehen wollte: Orangefield. Das ist das Viertel, in dem Van Morrison aufgewachsen ist. Er hat einen Song darüber geschrieben, mein Lieblingslied von ihm, daher wollte ich es unbedingt noch einmal selbst sehen. Vor drei Jahren war ich nur kurz dort gewesen, da es geregnet hat wie blöde, doch bei diesem strahlenden Frühsommerwetter konnte ich gar nicht umhin, mir es erneut anzusehen, schließlich heißt es in dem Song: And the sun shone so bright and it lit up all our days. Es ist schon unglaublich, was für einen starken Einfluss das Wetter auf die allgemeine Laune hat. Diese konnte an dem Tag überhaupt nichts trüben, auch wenn Orangefield ein ganzes Stück von der Innenstadt entfernt liegt und Rücken und Füßen sehr weh getan haben, als ich endlich dort ankam.

Genau genommen gehört Orangefield zu Bloomfield, das ein sehr gemischtes Viertel ist: In der Nähe der Newtownards Road, unter anderem in der ebenfalls von Morrison besungenen Cyprus Avenue, gibt es eine ganze Reihe hübscher, kleiner Villen, umgeben von Hecken und mit blühenden Gärten, während die Gegend um die Hyndford Street, wo Morrison aufgewachsen ist, eher ein Arbeiterviertel ähnlich dem Shankill ist (allerdings in etwas besserem Zustand). Das Herzstück der Gegend sind die Orangefield Playing Fields, ein Park mit Sport- und Spielplätzen. Nun, objektiv betrachtet ist der Park mehr als durchschnittlich und der von Morrison erwähnte Fluss eher ein Rinnsal, trotzdem war ich ganz verzaubert, als ich dort war. In dem Song klingt es so, als ob Orangefield der schönste Ort der Welt ist und ein bisschen davon hat wohl auf meine Wahrnehmung abgefärbt, aber ich fand es einfach toll zu sehen, was Van vor Augen hatte, als er diesen Song geschrieben hat. Es war sehr schön, einfach nur im Gras in der Sonne zu sitzen und seine Stimme zu hören: On a golden autumn day, all my dreams came true in Orangefield. On the throne of Ulster day, you came my way in Orangefield. How I loved you then in Orangefield, like I love you now in Orangefield. And the sun shone so bright, and it lit up all our lives and the apple of my eye baby was you. On the throne of Ulster day you came my way in Orangefield. Saw you standing by the riverside in Orangefield. How I loved you then in Orangefield, like I love you now in Orangefield.


Als ich wieder auf meinen Füßen war kam ich wieder runter von Wolke Sieben, denn sie schmerzten immer noch. Trotzdem hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, zu Fuß zurück zum Hostel zu laufen. In zwei Tagen hatte ich schließlich eine große Wanderung vor, dafür musste ich quasi trainieren. Auf dem Rückweg bin ich dann auch an Vans altem Haus vorbeigekommen, an dem eine kleine Plakette angebracht ist (zum Leidwesen des ehemaligen Bewohners). Sein Vater hat übrigens, ganz klassisch, bei Harland & Wolff als Elektriker gearbeitet. In Orangefield selbst hielt es sich noch in Grenzen mit den Flaggen, aber schon kurz dahinter an der Castlereagh Road ging's wieder los. Ein Haus war über und über dekoriert; seine Einwohner saßen davor und genossen die Sonne, einer winkte mir sogar zu.

 
Am Ende war es tatsächlich mind over matter, denn trotz der Muskelschmerzen blieb ich ein Dickschädel und lief ich zurück. Auf den Abstecher zum City Centre musste ich allerdings verzichten, das ging nicht mehr. Ich schaffte es noch gerade so zum Tesco Express in der Dublin Road. Endlich im Hostel angekommen, ließ ich mich prompt aufs Bett fallen. Beatrice und die irischen Kids waren glücklicherweise ausgezogen, sodass ich an meinem letzten Abend doch noch entspannen konnte.

So, das war es schon zu Belfast, zumindest vorerst. Fotos findet ihr hier. Das nächste Mal geht es dann nach Norden, zur berühmten Causeway Coast.

Kommentare