Today I Like... William Elliott Whitmore & Tyler Lyle


William Elliott Whitmore


Einerseits ist es schon merkwürdig, dass ich erst bei seiner dritten Daytrotter-Session auf den guten Mann aufmerksam geworden bin, andererseits, wie heißt es doch so schön: Besser spät als nie. Wenn ich William Elliott Whitmore höre denke ich an den letzten Streifen einer glutroten Sonne, die hinter der langen, flachen, schwarzen Prairie verschwindet und einen Mann mit Banjo, der sich allein vor einem funkensprühenden Lagerfeuer die Seele aus dem Leib singt. Okay, vielleicht ein etwas klischeehaftes Bild, aber Whitmores Songs sind definitiv von der roughness und hardship der Landschaft geprägt, in der er aufgewachsen ist: Lee County, Iowa.

Rau beschreibt Whitmores Musik dann auch am besten. Da ist zum einen natürlich seine Stimme, deren Vergleich mit Tom Waits definitiv naheliegend ist. Musikalische Vergleiche würde ich viel früher ansiedeln: Charley Patton und Charlie Poole fallen mir spontan ein (oder unter den Zeitgenossen: Lucero, Ryan Bingham und Hayes Carll). Rau bedeutet aber auch authentisch. Seine Songs beweisen, dass Musik keine Heerscharen von Produzenten oder zahlreiche Effekte braucht, um gut zu sein, es reicht ein Banjo oder eine Gitarre und ein bisschen foot-stomping. Und natürlich eine Stimme, bei der man hört, dass jedes Wort ernst gemeint ist, dass jemand genau weiß, wovon er singt.

Bei Iowa denke ich spätestens seit „It sure can get cold in Des Moines“ an Einsamkeit und fehlende menschliche Wärme. Auch bei Whitmore geht es vorrangig um Verlust, Tod und den Mangel an Empathie. In „There Is Hope For You“ schließt der Erzähler mit seinem Leben ab: „There is hope for you, but it’s much too late for me.” Für seinen Zuhörer den Spatzen hat er dennoch einige Ratschläge parat: „Be whatever it is that you want to be.“, und „Treat your fellow humans well.“ Auch in “Who stole the soul” ist die Verzweiflung omnipräsent: „Who stole the soul/who stole the heart/and who took the spark from inside of me/why can’t I breathe.”

Das bedeutet nicht, dass er nicht auch von den angenehmeren Seiten des Lebens wüsste, in erster Linie booze, hier bekannt als „South Lee County Brew“ oder „Horrible White Dynamite“. Da wird es sogar ein bisschen humorvoll: „I used to teetotal and now I just yodel.“ Nicht zu vergessen der Tipp für nächtliche Sauftouren: „It’s time to go home when you can’t stand up no more, when you can’t tell the ceiling from the floor“.

Unten könnt ihr euch eine Performance von “Dry” ansehen, vielleicht der Prototyp eines Whitmore-Songs: wahrhaftig, ehrlich und wunderschön.





Tyler Lyle

Musikblogs sind was Feines. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, einen schönen Tag mit William Elliott Whitmore zu verbringen, als Fuel/Friends mir die zweite grandiose Neuentdeckung des Tages beschert hat: Tyler Lyle. Heathers Facebookkommentar umfasste nichts weiter „terrific“, was Grund genug für mich war, mir den Titelsongs von Lyles neuem Album The Golden Age & The Silver Girl (silver girl wie in „Bridge over troubled water“ – man hört die Paul Simon Connection!) anzuhören. Der ist terrific indeed, so sehr, dass ich mir gleich das ganze Album heruntergeladen habe. Sehr gut investierte sechs Dollar.

Ich weiß gar nicht so genau, was ich über dieses Album schreiben soll, da Tylers liner notes auf seiner Bandcamp-Seite so dermaßen schön sind, dass alles was ich hier schreibe nur ein müder Abklatsch sein kann. Nur so viel: es ist ein break-up album, ein Album über eine Trennung und einen Neuanfang. Auch wenn sicherlich viel Schmerz in diesen Songs liegt, ist es doch insgesamt ein optimistisches Album, ganz nach dem Motto „It is better to have loved and lost than to never to have loved at all.“ Oder um es mit Tyler zu sagen: „But the world moves on and so do we.“

Dieser „Zwiespalt“ zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zwischen Verlust und Versöhnung findet sich auch in der Musik wieder. Es gibt es die ruhigen, traurigen Songs wie „Sorrow“ (!), aber auch die hoffnungsvollen, lebensbejahenden Songs (klar in der Überzahl) wie der Titelsong oder „California“ (Lyle, ursprünglich aus Atlanta, wohnt seit kurzem in Santa Monica). Besonders reizvoll finde ich die hübschen, dezenten Arrangements, die neben Gitarre und Banjo auch Flöten, Streicher und Trompete beinhalten.

The Golden Age & The Silver Girl ist ein rundum gelungenes Album. Mein Wunsch ist: Lest die liner notes und lasst euch verzaubern, holt euch das Album und teilt es mit allen, die gerade jemanden verloren haben. He’ll sing us a song and it will make us feel better.


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