Today I Like... A Creature I Don't Know


Meine erste “Begegnung” mit Laura Marling war eher untypisch: Ich mietete ein Zimmer, in dem ein Poster von ihr an der Wand hing. Das altmodische Schwarzweiß, die anmutige Figur in der Mitte, die jugendlich und erwachsen zugleich wirkte und der simpel-trotzig-weise Albumtitel I Speak Because I Can sprachen mich sofort an. Ich hörte besagte Platte und war augenblicklich verzaubert von der unvergleichlichen Schönheit, die Songs wie “Rambling Man“ und “Goodbye England (Covered In Snow)“ innewohnt.

September 2011. Aus dem Zimmer bin ich längst ausgezogen, aber Laura Marling habe ich nicht vergessen. Die Frau ist, man kann es nicht anders sagen, ein Phänomen: Geboren in Hampshire, England, lernte sie mit fünf Jahren Gitarre spielen. Mit 15 folgten erste Auftritte, mit 16 der erste Plattenvertrag. Und jetzt, mit 21 Jahren, nur 18 Monate nach I Speak Because I Can, veröffentlicht sie ihr drittes Album A Creature I Don’t Know.

Das neue Album ist noch einmal eine Steigerung zum vorzüglichen Vorgänger. Während I Speak Because I Can trotz dunkler Momente so unschuldig wie eine Schneelandschaft daherkommt, ist A Creature I Don’t Know, wie der Titel vermuten lässt, düsterer, abgründiger, leidenschaftlicher als der Vorgänger. In den Texten wird geliebt, gestritten und gekämpft als handele es sich um einen Roman von Emily Bronte: Don’t you be scared of me/I’m nothing but the beast/and I’ll call you when I need to feast.

Während die Lyrics so poetisch und wunderschön sind wie eh und je, ist die Musik um einiges komplexer als die des Vorgängers. Der Opener “The Muse“ fasziniert durch seinen Jazzeinschlag nebst Banjo, währen “The Beast“ sich von der düsteren Folkballade zum rotzigen Rocksong wandelt. Weitere Höhepunkte sind der tiefschwarze Akustikwalzer “Night After Night“ und das rockige “Salinas“, bei dem man die brennende Sonne förmlich auf der Haut spüren und den Staub schmecken kann.

A Creature I Don’t Know ist ein großartiges, überwältigendes und alles andere als leichtverdauliches Album. Marlings Entwicklung im letzten Jahr ist beachtlich und sie hat die Latte für kommende Alben noch ein Stückchen höher gelegt. Im Grunde kann ihre Karriere nur noch zwei Wege einschlagen: Sie erleidet den kreativen Totalabsturz oder wird die größte Songwriterin ihrer Generation. Ich hoffe auf Letzteres.


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