TV Night: Sherlock [Series 3]



Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum ich mir eigentlich noch Fernsehserien antue. Oft genug werden sie genau dann abgesetzt, wenn einem die Geschichte und die Figuren richtig ans Herz gewachsen sind, oder man muss sehr lange Wartezeiten zwischen den Staffeln in Kauf nehmen. So wie bei Sherlock. Sage und schreibe zwei Jahre lagen zwischen der Ausstrahlung der zweiten und der dritten Staffel, was nicht nur für mich eine ziemliche Geduldsprobe war. Der Grund ist freilich, dass die Modernisierung des Arthur-Conan-Doyle-Klassikers so dermaßen populär ist, dass sich die Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und Martin Freeman vor Angeboten kaum retten können und unter anderem erst einmal den Hobbit drehen musste, bevor sie sich endlich wieder Sherlock widmen konnten.

Was die Wartezeit so schwierig gemacht hat war natürlich der unvermeidliche Cliffhanger am Ende der zweiten Staffel. Wir erinnern uns: In "The Reichenbach Fall" hat Oberschurke Moriarty (Andrew Scott) es geschafft, den Ruf seines Erzfeindes Sherlock (Cumberbatch) zu ruinieren. Alle Welt hält den Superdetektiv für einen Betrüger, doch das reicht Moriarty nicht. Er droht Sherlock, seine Freunde John Watson (Freeman), Mrs. Hudson (Una Stubbs) und DI Greg Lestrade (Rupert Graves) ermorden zu lassen, sollte Sherlock sich nicht vom Dach des St. Bart's Hospitals stürzen. Also springt Sherlock vom Krankenhausdach - aber wie im Original ist sein Tod natürlich nur vorgetäuscht. Wie er das jedoch im Detail gemacht hat, blieb unerklärt.

So rätselten die Zuschauer 24 Monate, wie Sherlock "es getan hat" und fast noch mehr, wie John Watson auf die Rückkehr, oder eher die Wiederauferstehung, seines besten Freundes reagieren würde. Das hat zur Folge, dass Sherlock sich in der dritten Staffel in erster Linie um das Privatleben der Figuren dreht und noch mehr als in den ersten beiden Series eine "Geschichte über einen Detektiv, und nicht eine Detektivgeschichte" ist, um es mit den Autoren Mark Gatiss und Steven Moffat zu sagen. Gerade in der ersten Folge "The Empty Hearse" spielt der Kriminalfall - eine Terrorgruppe, die Anschläge in London verüben will - nur eine Nebenrolle. Sherlock und John müssen ihre Beziehung erst einmal neu definieren, zumal John inzwischen mit seiner Arzthelferin Mary Morstan (Freemans Partnerin Amanda Abbington) verlobt ist. Mir hat das alles sehr gut gefallen, zumal man auch mehr über Sherlock und seinen Bruder Mycroft (Gatiss) erfährt.

Was die dritte Staffel ebenfalls auszeichnet ist, dass hier noch mehr mit den Erwartungen der Zuschauer gespielt wird. So sorgt unter anderem der häufige Einsatz von "Traumsequenzen" dafür, dass man sich oftmals nicht sicher sein kann, ob etwas nun tatsächlich oder nur in der Fantasie einer Figur geschieht. Das kann zwischenzeitlich verwirrend sein, aber am Ende einer Episode fügen sich alle Bruchstücke stets zu einem Gesamtbild zusammen und man begreift, wie durchdacht das Ganze in Wahrheit ist. Außerdem schlagen Gatiss und Moffat allerlei Haken. Die drei Folgen sind voller Überraschungen und gerade die dritte Episode "His Last Vow" hat eine Offenbarung parat, die einen echt aus den Socken haut. Und dann gibt es am Ende natürlich wieder einen Cliffhanger.

Der typische Humor darf natürlich auch nicht fehlen, wobei die dritte Staffel erstaunlich "meta" ist. So nehmen die Autoren genüsslich die Fandom (zu der ich mich nicht zähle) auf die Schippe, die in den letzten Jahren in unzähligen Fanfictions Sherlock homoerotische Abenteuer durchleben ließ, ungeachtet seiner Asexualität. In einer Folge benutzt Mycroft außerdem das Wort "Elementary", das ja immer Sherlock zugeschrieben wird, obwohl er es in Conan Doyles Geschichten nie benutzt, und das der Titel der (ziemlich schlechten) US-Modernisierung von Sherlock Holmes ist.

So ist Sherlock nicht nur wieder mordsspannend, sondern überzeugt vor allem durch die Weiterentwicklung der Charaktere, die von den Darstellern mit Leben erfüllt wird. Gerade Freeman legt in "The Empty Hearse" eine Glanzleistung hin und verdeutlicht auch ohne Worte sehr schön die Gefühlsachterbahn, die Watson angesichts von Sherlocks Rückkehr durchleben muss. Cumberbatch ist natürlich brilliant wie eh und je in der Rolle des arroganten, gefühlskalten Genies. Auch die anderen Darsteller sind durchweg großartig, vor allem auch die "Neuankömmlinge" Abbington und Lars Mikkelsen in der Rolle des Bösewichts Charles Augustus Magnussen. Daneben kann Sherlock durch die innovative Regie- und Kameraarbeit punkten, besonders in den angesprochenen Traumsequenzen.

Fazit: Auch in der dritten Staffel lässt Sherlock keine Wünsche offen. Die Sendung ist spannend, witzig und intelligent - und genau deswegen schaue ich mir Fernsehserien noch an. Dennoch wäre es ganz schön, wenn ich nicht wieder zwei Jahre auf die nächste Staffel warten müsste.

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