TV Night: Breaking Bad



Nun gehöre ich also auch zum Breaking-Bad-Club. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Jahren über irgendeine Fernsehserie so viel gesprochen wurde wie über Breaking Bad. Zuschauer wie Kritiker lobten die Sendung in den höchsten Tönen und nicht wenige behaupteten, dass dies die beste Serie aller Zeiten sei. Selbst bei Kritiken zu anderen Sendungen gab es immer mindestens einen Kommentator, der einen Vergleich zu Breaking Bad ziehen musste, auch wenn die besagten Shows überhaupt nicht miteinander zu vergleichen sind. Es wurde unmöglich, sich in sozialen Netzwerken zu bewegen oder Zeitung zu lesen ohne nicht mindestens einmal in der Woche (meist sogar noch wesentlich häufiger) auf "Walter White", "Heisenberg" oder "Jesse Pinkman" zu stoßen. Selbst in Online-Art-Shops traf man immer wieder auf das Konterfei eines Herrn mit Henriquatre, Sonnenbrille und Hut. Obwohl die letzten Folge von Breaking Bad erst im September lief, schien sich die Serie schon lange vorher ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt zu haben.

Ich habe lange gezögert, mir die Sendung anzusehen. Wenn etwas dermaßen gehypt wird, setzt bei mir meist automatisch eine Abwehrreaktion ein - ein Grund, warum ich bis heute weder Herr der Ringe noch Harry Potter gesehen habe (das und weil ich mich überhaupt nicht für Fantasy interessiere). Hinzu kam, dass ich nicht unbedingt der weltgrößte Crime-Fan bin, besonders wenn es dort ziemlich brutal zur Sache geht. Irgendwann hat es mich aber schon genervt, dass alle Welt darüber sprach und ich nicht verstand, worum es ging. Also habe ich eines Tages angefangen, Breaking Bad zu schauen und je mehr Folgen ich sah, desto "süchtiger" wurde ich. Im Nachhinein war ich ganz froh, so lange gewartet zu haben, da die Sendung gerade am Ende so spannend ist, dass mir das Warten zwischen einzelnen Folgen oder Staffeln sehr schwer gefallen wäre. Der Nachteil war freilich, dass ich Spoilern nicht ganz aus dem Wege gehen konnte. Immerhin habe ich es geschafft, sie zu Ende zu schauen bevor jemand selbiges ausplaudert - gerade rechtzeitig, denn erst heute Morgen war ein Bericht in der Zeitung, dessen Bild verriet, wie es mit der Hauptfigur ausgeht.

Die Ausgangssituation ist natürlich auch weitgehend bekannt: Walter White (Bryan Cranston) ist ein brillanter Chemiker, der aus diversen Gründen nie Karriere gemacht hat und nun an einer High School in Albuquerque, New Mexiko unterrichtet und nebenbei als Autowäscher arbeitet. Aus seiner Lethargie wird der 50-Jährige erst gerissen als er erfährt, dass er an Lungenkrebs erkrankt ist. Da seine Versicherung von den Behandlungskosten praktisch nichts übernimmt und Walt auch sonst kein Vermögen hat, sucht er nach einem anderen Weg, um an Geld für die Chemotherapie und für seine Frau Skyler (Anna Gunn), seinen Sohn Walter Junior (RJ Mitte) und das Baby zu kommen. Eines Tages trifft Walt zufällig auf seinen ehemaligen Schüler Jesse Pinkman (Aaron Paul), der mit Drogen dealt. Walt bietet Jesse an, mit ihm zusammenzuarbeiten: Während er Crystal Meth kocht, soll Jesse den Vertrieb übernehmen. Tatsächlich schafft Walt es, das hochwertigste Meth zu kochen, das der Südwesten je gesehen hat. Er gibt sich das Pseudonym "Heisenberg" und wird zu einer Art Legende unter Junkies und ein Phantom für Polizisten - darunter auch sein Schwager Hank Schrader (Dean Norris), der bei der Drug Enforcement Administration (DEA) arbeitet.

In fünf Staffeln zeigt Breaking Bad wie Walter White sich mit Drogenbossen und der DEA auseinandersetzen muss, und wie seine Tätigkeit sich auf sein Familienleben auswirkt. In erster Linie verfolgt die Serie jedoch wie Walter White sich vom verzweifelten Familienvater schon fast zum Teufel höchstpersönlich entwickelt. Erfinder Vince Gilligan sagte, dass er mit Breaking Bad die Grenzen von Gut und Böse aufweichen wollte und genau das hat er getan. Keiner der Charaktere ist wirklich gut, jeder hat seine dunklen Seiten. Und auch als Zuschauer wirft man ethische Maßstäbe über Bord, wenn man manchen Figuren das Allerschlimmste an den Hals wünscht, einfach weil sie so abgrundtief böse sind. Trotz allem ist Breaking Bad eine sehr moralische Sendung. Gilligan und die anderen Autoren zeigen, dass jedes noch so kleine Fehlverhalten Konsequenzen hat, die manchmal sehr dramatisch sein können. Besonders reizvoll ist auch die konträre Entwicklung der Hauptfiguren, denn wo Walt zusehends Skrupel verliert, gewinnt Jesse an Bedenken dazu.

Für Wissenschaftler und Hobby-Analysten ist Breaking Bad ein Traum, denn nicht nur die Figuren bieten unendlich viel Interpretationsstoff, die ganze Sendung ist voller Symbolik. Oft wird ein bestimmtes Motiv am Anfang einer Staffel eingeführt, dessen Bedeutung man erst am Ende versteht. Andere Symbole erstrecken sich über die gesamte Serie und gerade die fünfte Staffel ist voller Selbstreferenzen. Das alles wirkt so durchdacht, dass man kaum glauben kann, dass Breaking Bad nicht von Anfang bis Ende durchgeplant wurde, bevor man mit dem Filmen begonnen hat (wurde es definitiv nicht).

Was die erwähnten Brutalitäten angeht - Breaking Bad ist für meine Begriffe sehr brutal und kann diesbezüglich locker mit jedem Schwedenkrimi mithalten. Manche Bilder sind so extrem, dass ich nicht weiß, ob ich sie jemals wieder vergessen kann. Andererseits ist Breaking Bad nicht selten auch wahnsinnig komisch - anders wäre es wohl auch kaum auszuhalten. In der ersten Staffel geht der Humor hauptsächlich von den Hauptfiguren aus: Walt stellt sich bei seinen ersten kriminellen Aktivitäten reichlich dämlich an, während Jesse nun allgemein nicht gerade die hellste Leuchte im Lampenladen ist. Die beiden entwickeln sich jedoch recht schnell weiter, sodass ab der zweiten Staffel vor allem Saul Goodman (Bob Odenkirk) für Lacher sorgt, der dubiose Anwalt mit zahlreichen noch dubioseren Freunden und unzähligen Mobiltelefonen.

Die ersten dreieinhalb Staffeln oder so ist Breaking Bad eine sehr gute Sendung, aber erst danach wird sie wirklich herausragend. Gerade die fünfte Staffel stellt alles in den Schatten, was ich bisher gesehen habe. Während die Erzählweise in den ersten vier Staffel relativ gemächlich ist, geht es in den letzten 16 Folgen Schlag auf Schlag, sodass dem Zuschauer kaum eine Atempause bleibt. Am Ende war ich traurig, dass es vorbei ist, aber gleichzeitig auch erleichtert.

Ich kann wirklich nichts schlechtes über Breaking Bad sagen - die Drehbücher sind fantastisch und die Schauspieler durch die Bank erstklassig, allen voran Cranston und Paul. Das einzige, was vielleicht ein bisschen schade ist, ist dass ich nicht weiß ob ich die Serie noch einmal sehen kann, denn Breaking Bad spielt sehr mit den Erwartungen der Zuschauer und lebt von seinen Überraschungsmomenten. Ich weiß auch nicht, ob es die beste Sendung aller Zeiten ist, das kann ich nicht beurteilen - aber ich weiß, dass es die beste Sendung ist, die ich jemals gesehen habe.


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