Books I've Read: Nathanael West - Schreiben Sie Miss Lonelyhearts


Ich fühle mich aus den unterschiedlichsten Gründen zu Büchern hingezogen; in diesem Fall war es der Titel. Ich überflog das Angebot einer Bücherborse, als mir ein Exemplar ins Auge fiel, das ganz oben in einer Kiste lag: Nathanael Wests Schreiben Sie Miss Lonelyhearts. Ich weiß nicht warum, aber der Titel machte mich so neugierig, dass ich das Buch umgehend kaufte.

Nun gut, man könnte bei dem Namen auch auf die Idee kommen, dass es sich um eine Schnulze handelt, aber es wird schnell klar, dass dem nicht so ist - unter anderem weil die Titelperson ein Mann ist, und zwar ein Briefkastenonkel. Als "Miss Lonelyhearts" beantwortet der Journalist (dessen wahren Namen man nie erfährt) die verzweifelten Briefe der Leser einer New Yorker Tageszeitung: Frauen, die von ihren katholischen Männern gezwungen werden, ein Kind nach dem anderen zu gebären, Mädchen, die ohne Nase geboren wurden, Jungs, deren taubstumme Schwestern von ihrem Vergewaltiger schwanger sind. Für Redakteur Shrike ist das Ganze in erster Linie ein großer Spaß; er hat Miss Lonelyhearts vor allem angestellt, um sich über ihn lustig machen zu können, insbesondere über dessen christlichen Glauben.

Miss Lonelyhearts hingegen verfällt durch die Briefe in eine tiefe Depression, der er mit verschiedenen Methoden zu entkommen versucht: Er trinkt, er prügelt sich in Bars, er versucht mehr oder weniger erfolgreich Frauen ins Bett zu bekommen. Doch egal, was er tut - er fällt jedes Mal auf die Schnauze und die Briefe verfolgen ihn weiter wie einen Geist. Und selbst wenn sein "Christus-Komplex" sich bemerkbar macht und er versucht, den Leuten zu helfen, wird er am Ende stets zur Lachnummer. Doch nicht nur das, er macht sich auch Feinde.

West ist mit Fitzgerald und Hemingway verglichen worden, wobei Miss Lonelyhearts sich stilistisch vor allem an letzterem orientiert, denn es ist sehr knapp geschrieben und umfasst in meiner Ausgabe gerade einmal 142 großzügig bedruckte Seiten. Inhaltlich hat es mich jedoch eher an Evelyn Waughs Tod in Hollywood erinnert, und das nicht nur wegen des desillusionierten Briefkastenonkels. Miss Lonelyhearts ist ebenfalls ein rabenschwarzes Stück Literatur, in dem West die Oberflächlichkeit der Gesellschaft kritisiert. Viele Figuren bewegen sich in ihrer Eindimensionalität an der Grenze zur Karikatur, vor allem Redakteur Shrike, der in den Menschen nur potentielle Abonnenten sieht, und deren Leid für ihn nichts weiter als ein großer Spaß ist. Miss Lonelyhearts hingegen ist eine jämmerliche Person, die einem einfach nur leid tun kann. Für ihn ist die Not seiner Mitmenschen ein Klotz am Bein, von dem er sich nicht befreien kann und der ihn schließlich in den Abgrund stürzt. So bleibt einem trotz der Ironie allzu oft das Lachen im Halse stecken. Nichtsdestotrotz ist Schreiben Sie Miss Lonelyhearts ein großartiges Buch, das auch nach 80 Jahren nichts von seiner Aktualität verloren hat (was man von der Übersetzung leider nicht behaupten kann).

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