Today I like... "I'm Dreaming"


Randy Newman ist zurück! Gestern stellte er einen neuen Song namens "I'm Dreaming" als Download zur Verfügung, was in jeder Hinsicht ein besonderes Ereignis war. Neue Songs von Newman gibt es, abgesehen von seinen Filmkompositionen, nur selten, die Veröffentlichung seines letzten regulären Albums Harps & Angels etwa liegt mittlerweile schon vier Jahre zurück. Zudem ist es das erste Mal, dass er einen Song ausschließlich über das Internet verbreitet. Was hat ihn zu diesem außergewöhnlichen Schritt angetrieben? Die bevorstehende Wahl in den USA. "I'm Dreaming" handelt von weißen Rassisten, die es nicht ertragen, dass ein schwarzer Präsident im Weißen Haus sitzt. “No other Western industrialized nation would’ve elected a black president. I’m proud of this country for having elected Obama in 2008. But from the beginning of his term, I noticed a particular heat to conversations that wouldn’t ordinarily generate that kind of passion: The budget, appointments, health care. I think there are a lot of people who find it jarring to have a black man in the White House and they want him out. They just can’t believe that there’s not a more qualified white man. You won’t get anyone, and I do mean anyone, to admit it.", erklärt der Meister selbst.

Ich glaube, Newman hat da nicht Unrecht. Das Verhalten der Republikaner in den letzten vier Jahren geht meiner Meinung nach über die normalen politischen Animositäten hinaus. Ich kann mich nicht erinnern, dass schon einmal ein Präsident von der Opposition so in seiner Arbeit behindert wurde, oder dass ihm so viel Hass entgegen schlug. Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit Obamas Hautfarbe zusammenhängt. Man nehme zum Beispiel die einfach nicht verstummenden Vorwürfe, Obama sei gar kein Amerikaner, sondern in Kenia geboren. Erst letzte Woche wollte Kansas ihn von der Wahlliste streichen, sollte er nicht beweisen, dass er in den USA geboren ist. Ist es nicht komisch, dass ausgerechnet bei Obama der Geburtsort angezweifelt wird? Das kann nicht bloß daran liegen, dass Obamas Vater in Kenia geboren wurde. Mitt Romneys Vater hat schließlich das Licht der Welt in Mexiko erblickt und bisher kam niemand auf die Idee, Mitt Romney nach seiner Geburtsurkunde zu fragen, um zu überprüfen, ob er in Wahrheit nicht Mexikaner ist. Jemand mit nicht-weißer Hautfarbe ist in den Augen vieler erzkonservativer Amerikaner anscheinend immer noch nicht richtig amerikanisch.

Zurück zu "I'm Dreaming". Der Song ist in vielerlei Hinsicht typisch Newman. Natürlich ist er zutiefst satirisch; wie in "Sail Away" oder "Political Science" nimmt er die Sichtweise eines weißen Rassisten ein, um ihre Bigotterie und Ignoranz zu entlarven. Am ehesten erinnert der Song jedoch an "Rednecks", seinem Meisterstück aus dem Jahr 1974, das aus der Perspektive eines tumben, rassistischen Südstaatlers geschrieben wurde. Der Protagonist in "I'm Dreaming" träumt von den guten alten Zeiten als nur weiße Männer Präsident werden konnten: "A real live white man who knows the score, how to handle money or start a war." Dabei bedient er sich wie schon häufiger bei Irving Berlin; diesmal formuliert er die berühmten Zeilen aus "White Christmas" um: "I'm dreaming of a white president, just like the ones we've always had." Höhepunkt sind die Schlusszeilen: "He won’t be the brightest, perhaps, but he’ll be the whitest, and I’ll vote for that." Ein Schelm, wer da an Mitt Romney denkt.

Meiner Meinung nach hat Newman mit "I'm Dreaming" mal wieder unter Beweis gestellt, dass er einer der besten lebenden Songwriter ist. Ich kenne keinen Musiker, der die hohe Kunst der Satire so beherrscht wie er. Zumindest die vielen hasserfüllten Kommentare auf YouTube scheinen zu beweisen, dass er in ein Wespennest gestochen hat. Ich würde mir nur wünschen, dass noch mehr Musiker so klar Stellung beziehen wie Newman. Und natürlich, dass möglichst viele Leute am 6. November wählen gehen.

Kommentare

  1. Ich hoffe, auch richtig wählen am 6.11. Nur zu gut, daß nun auch noch rausgekommen ist, daß Romney die Mehrheit der Wähler Obama's als so eine Art Sozialschmarozer bezeichnet hat und dies wohl auch nicht korrigiert hat - in Deutschland würden da die Kandidaten sagen: "ich bin falsch zitiert worde" - mh, kennst Du ja irgendwoher, oder? Hoffentlich hat sich der Romney damit selbst in die Tonne getreten. Liebe Grüße! Rudi

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