Movie Night: Spotlight



Heute bin ich ausnahmsweise aktuell, denn wie ihr sicher mitbekommen habt, ist Spotlight bei der diesjährigen Oscar-Verleihung gestern als bester Film ausgezeichnet worden. Darin erzählt Regisseur und Co-Autor Tom McCarthy, wie der Boston Globe 2001 und 2002 den großflächigen, sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche in Boston aufdeckte. Dass der Globe das Thema überhaupt genauer beleuchtete, ging auf den damaligen Chefredakteur Marty Baron (Liev Schreiber) zurück, der gerade aus Miami nach Boston gewechselt war. Baron setzt "Spotlight", die Investigativ-Einheit der Zeitung, auf das Thema an, zu der der Chef Walter "Robby" Robertson (Michael Keaton), Mike Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Matt Carroll (Brian D'Arcy James) gehören. Ebenfalls miteinbezogen ist Redakteur Ben Bradlee, Jr. (John Slattery), Sohn des legendären Washington-Post-Chefredakteurs.

Zunächst gehen die Journalisten davon aus, dass nur ein Priester Kinder missbraucht hat. Sie versuchen nachzuweisen, dass der Kardinal der Diözese davon gewusst hat und durch Versetzungen versucht hat, das Geschehene zu vertuschen. Durch Gespräche mit Opfern und ihren Anwälten, darunter Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) und Eric MacLeish (Billy Crudup), erhält das Team bald Hinweise darauf, dass dreizehn Priester Kinder belästigt haben. Doch das ist nur der Anfang: Die Zahl der Täter erhöht sich auf 87 und die Journalisten müssen erkennen, dass die Diözese systematisch alles dafür getan hat, um die Vorfälle zu verheimlichen.

Es gibt vieles, dass Spotlight auszeichnet, allen voran sein Realismus. Anders als der reißerische Trailer vermuten lässt, zeigt der Film auf ruhige, konzentrierte Art und Weise journalistische Arbeit, wie sie wirklich ist: Die Reporter wälzen Berge von Material, sie klingeln an dutzende Türen - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Diese Akribie, dieses Nicht-Nachlassen ist der Grund, warum sie schließlich das Muster der Kirche ausmachen und die Täter identifizieren (wofür das echte Spotlight-Team 2003 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde). Daneben überzeugt Spotlight durch die behutsame Darstellung des Leids der Opfer. Indem sie den Überlebenden eine Stimme geben, demonstrieren McCarthy und Co-Autor Josh Singer eindrucksvoll, wie die Kirche ihre Autorität ausgenutzt hat, um das Vertrauen der Kinder (und ihrer Angehörigen) zu gewinnen und sie gleichzeitig unter Druck zu setzen, nichts zu verraten.

Außerdem glänzt Spotlight mit einem erstklassigen Cast. Während Rachel McAdams als Sacha Pfeiffer wunderbar subtil agiert, gibt Ruffalo eindrucksvoll den geplagten Rezendes, für den die Recherche fast so etwas wie ein persönlicher Kreuzzug ist. Die Recherche geht an keinem Reporter spurlos vorüber, die Presse idealisiert der Film allerdings keineswegs. Es zeigt sich, dass der Globe schon Jahre zuvor Hinweise auf den massenhaften Missbrauch von Kindern erhalten hat, aber wie so viele nicht entsprechend reagiert hat. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Das damalige Versagen wird zur Triebfeder für Robby, der dieses Versäumnis wieder gut machen will.

Für manche Kritker schwingt in dem Film auch ein bisschen Wehmut mit, denn wie viele Zeitungen würden heute, in der der schnellen Verbreitung von Nachrichten so eine große Bedeutung zugemessen wird,  noch ein Jahr in die Recherche investieren? Umso lobens-werter ist es, dass Spotlight daran erinnert, wie wichtig investigativer Journalismus ist. Noch wichtiger ist es allerdings, dass Spotlight daran erinnert, in welch gigantischem Ausmaß die katholische Kirche sexuellen Kindesmissbrauch toleriert hat (anders kann man es nicht sagen). Als der Film zum Schluss dutzende Orte in den USA und weltweit einblendete, in denen große Missbrauchsskandale aufgedeckt wurden, war der Saal merklich entsetzt. Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei einem Abspann schon einmal so totenstill in einem Kino war.

Fazit: Völlig zurecht mit dem Oscar als "Bester Film" ausgezeichnet.

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