Records of the Season: Mavis Staples, Jason Isbell, Vampire Weekend, Laura Marling

"Records of the Season", so weit ist es jetzt also schon gekommen. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit erschreckend wenig über Musik geschrieben habe, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich von den meisten Neuerscheinungen in diesem Jahr ziemlich underwhelmed war. Nun hatte ich, zumindest vor den Ferien, nicht übermäßig viel Zeit zum Musik hören, sodass ich alle Alben links liegen gelassen habe, die mich nicht spätestens beim dritten Durchgang wenigstens einen Moment lang gefesselt haben. Keine Chance für Grower also. Und vielleicht der Grund, warum selbst alte Lieblinge wie Dawes, Iron & Wine oder The National nicht bei mir hängen geblieben sind. Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Alben, die mich begeistert haben und diese möchte ich nicht unerwähnt lassen.




Mavis Staples - One True Vine

Für mich persönlich war dies die wahrscheinlich am sehnsüchtigsten erwartete Release des Jahres, denn auf One True Vine hat Mavis Staples wieder mit niemand anderem als Wilco-Mastermind Jeff Tweedy zusammengearbeitet. Bereits 2010 hatten die beiden ein vorzügliches Album namens You Are Not Alone herausgebracht, dem One True Vine in nichts nachsteht. Der Schwerpunkt liegt erneut auf Gospelsongs, die teils erstaunlich groovig sind, wie zum Beispiel "Every Step" mit seinem dröhnenden Bass, und dann wieder eher zart, wie "Holy Ghost" oder "Jesus Wept". Weitere Favoriten sind das Nick-Lowe-Cover "Far Celestial Shore" und das funkige "Can You Get to That". Besonders gefreut hat ich mich jedoch, dass sie einen meiner Lieblingsgospelsongs aufgenommen haben: Washington Phillips' "What Are They Doing in Heaven Today". Wie schon bei Randy Newmans "Losing You" gelingt Mavis hier eine außerordentlich einfühlsame und bewegende Interpretation. Aber gerade das zeichnet sie aus: Man merkt bei jedem Song, dass er wirklich von Herzen kommt. Es ist genau diese besondere Gefühlsintensität gepaart mit einer phänomenalen Stimme, die sie zu einer der besten Sängerinnen überhaupt macht. Und Tweedy weiß genau, wann er sich zurückhalten muss, um dieses Juwel besonders zum Glänzen zu bringen. Ich hoffe, dass die beiden noch viele gemeinsame Platten aufnehmen.



Jason Isbell - Southeastern

Zwar ist Jason Isbell immer noch in erster Linie als Ex-Mitglied der Drive-by Truckers bekannt, aber mit seinem letzten Album Southeastern dürfte er sich endgültig einen Namen als Solokünstler gemacht haben. Der Auftakt "Cover Me Up" ist wahrscheinlich Isbells beste Gesangsperformance überhaupt, bei der er eine Intensität an den Tag legt, die nur mit Ryan Adams' Heartbreaker-Zeiten zu vergleichen ist. Mit "Stockholm" (siehe unten) haut der Mann aus Alabama dann gleich noch ein Wahnsinnssong raus. Southeastern ist klassisches Americana, mal rockig, mal ruhiger. Das Album zeichnet sich in erster Linie durch sein Storytelling aus, etwa bei der Mörderballade "Live Oak" oder bei "Elephant", in dem es um das Leben mit einer tödlichen Krankheit geht. Am besten ist Isbell aber, wenn er von Einsamkeit und Entfremdung singt, etwa in "Flying Over Water" und "Relatively Easy" - in solchen Momenten wird deutlich, dass Southeastern eine Klasse für sich ist.



Vampire Weekend - Modern Vampires of the City

Ich weiß nicht warum, aber bei Vampire Weekend lege ich immer ein für mich eher ungewöhnliches Hörverhalten an den Tag: Es gibt einen Song, den ich dutzende Male hintereinander höre, während der Rest eher etwas untergeht: Beim selbstbetitelten Debüt war es "Walcott", bei Contra "I Think Ur a Contra" und bei Modern Vampires of the City ist es "Unbelievers" - aber schließlich kamen religiöse Debatten selten so tanzbar daher. Das Album an sich entzieht sich mal wieder jeder Klassifierbarkeit: poppige Keyboardsounds, rockige Gitarren, hand-clapping, wehmütiges Klavierspiel, ätherische Vocals, treibende Rhythmen und was nicht noch alles wird zusammen gewürfelt - mit erstaunlich schlüssigem Ergebnis. Wie ihre Mit-New-Yorker von Grizzly Bear verstehen Vampire Weekend es, originelle Songs zu schreiben, die trotzdem eingängig ist und vor allem wahnsinnig viel Spaß machen. Für mich ist Modern Vampires of the City ihr bisher bestes Album und ich habe das Gefühl, sie sind noch lange nicht am Ende.



Laura Marling - Once I Was an Eagle

Neues vom Wunderkind der englisches Folkmusik: Es sind ja auch schon wieder knapp zwei Jahre vergangen seit ihrem letzten Werk A Creature I Don't Know. Viel mehr Zeit braucht Laura Marling nicht, um ein großartiges Album aufzunehmen. Once I Was an Eagle ist jedoch ganz anders als ich erwartet hatte: Nachdem sie auf Creature mit verschiedenen Musikrichtungen wie Jazz und Rock experimentiert hat, hatte ich vermutet, dass sie dort weitermacht, doch auf Eagle geht sie eher einen Schritt zurück und spielt spärlichen, düsteren Folk. Nichtsdestotrotz ist ihr wieder ein sehr gutes, wenn auch etwas überlanges, Album gelungen. Eagle ist voll von poetischen, mysteriösen, gespentischen Liedern, die einen einfach nicht mehr loslassen und ein weiterer Beweis dafür sind, dass Marling die wohl beste Songwriterin ihrer Generation ist.

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