Movie Night: Meet Me in St. Louis



Weiter geht's mit der Erkundung amerikanischer Musicalklassiker: Diesmal war Meet Me in St. Louis an der Reihe. Ich hatte mir ja schon länger vorgenommen, ihn mir anzuschauen, da er zu Judy Garlands bekanntesten Filmen zählt (wohl auch weil sie dort Ehemann Nr. 2, Regisseur Vincente Minelli kennenlernte). Meet Me in St. Louis erzählt aus dem Leben der Familie Smith vom Sommer 1903 bis zum Frühjahr 1904. Produzent Arthur Freed hatte zunächst einige Probleme, ihn Louis B. Mayer zu verkaufen, da der Film kaum Handlung hat: Das einzige, das halbwegs für Spannung sorgt ist die Ankündigung des Vaters, dass die Familie nach New York zieht, was Mutter, Großvater und die fünf Kinder nur widerwillig hinnehmen, da keiner das geliebte St. Louis verlassen will, zumal 1904 dort die sehnsüchtig erwartete Weltausstellung stattfindet.

In erster Linie dreht sich der Film um das Liebesleben der beiden älteren Schwestern. Rose (Lucille Bremer) versucht ihren Schwarm Warren Sheffield (Robert Sully) dazu zu bewegen, ihr endlich einen Antrag zu machen, während sich Esther (Garland) in den Nachbarsjungen John Truett (Tom Drake) verguckt. Aufgelockert wird das Liebeswirrwarr durch die Streiche der jüngeren Schwestern Agnes (Joan Carroll) und Tootie (Margaret O'Brien).

Meet Me in St. Louis ist so harmlos, dass es einfach herrlich ist: eine der dramatischten Szenen ist, als John Esther nicht zum Weihnachtsball ausführen kann, da er zu lange Basketball gespielt hat und daher nicht mehr seinen Smoking vom Schneider abholen konnte (natürlich taucht er später trotzdem noch auf dem Ball auf). Und der Gipfel der Gemeinheit ist, als Warren nicht mit Rose, sondern mit Lucille (June Lockhart) zum Weihnachtsball kommt, sodass Esther aus Rache Lucilles Tanzkarte manipuliert. Aber selbstverständlich stellt sich heraus, dass Lucille eigentlich gar nichts von Warren will, sondern es auf Roses und Esthers Bruder Lon Jr. abgesehen hat, und dass sie überhaupt die netteste Person ist, die man sich vorstellen kann, sodass Esther die böse Tanzkarte für sich behält.

Was Meet Me in St. Louis trotzdem zu einem guten Film macht, sind die skurrilen, aber liebenswürdigen Charaktere: Das sind zum Beispiel der Opa (Harry Davenport) mit seiner umfangreichen Hutsammlung, die schlagfertige Hausangestellte Katie (Marjorie Main) und der sich streng gegebende Patriarch (Leon Ames), der im Inneren doch zart wie Butter ist. Mein, und wahrscheinlich jedermanns, Favorit ist jedoch Tootie. Ihr liebstes Hobby ist es, ihre Puppen im Garten zu begraben ("my doll has four fatal illnesses" erzählt sie dem Eismann) und auch sonst ist sie immer für einen frechen Spruch gut. Daneben versprüht der Film einen nostalgischen Charme, ohne je altbacken zu wirken: Wenn Warren aus New York anruft und er und Rose sich anbrüllen, weil die Verbindung so schlecht ist, dann ist das heute wahrscheinlich noch genauso unterhaltsam wie 1944.

In der Geschichte des Musicalfilms nimmt Meet Me in St. Louis einen besonderen Platz ein, da er (wenn man dem Bonusmaterial glauben darf) einer der ersten Filme war, bei dem die Songs einen Bezug zur Handlung hatten. Dabei mischten die Produzenten zeitgenössischen Lieder aus der Zeit der Weltausstellung, allen voran natürlich der Titelsong, mit Neukompositionen, darunter drei Titel von Hugh Martin und Ralph Blane, die gleich zu Klassikern wurden: "The Boy Next Door", "The Trolley Song" und "Have Yourself a Merry Little Christmas". Was ist erst jetzt erfahren habe: die ursprünglichen Lyrics lauteten "Have yourself a merry little Christmas, it may be your last", woraufhin Judy Garland verständlicherweise argumentierte, dass man so etwas unmöglich einem fünfjährigen Kind vorsingen kann und Martin den Text änderte.

Fazit: Meet Me in St. Louis ist ein echter Heile-Welt-Film. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass er 1944 entstand, als viele eine Ablenkung von den Schrecken des Krieges suchten (der Film war der zweiterfolgreichste des Jahres). Auch heute noch eignet er sich hervorragend, wenn man einen Film fürs Herz sucht, der aber nicht schmalzig ist. Trotz der handlungsarmen Geschichte ist er witzig, charmant und voll wunderbarer Songs. Seine größte Errungenschaft ist jedoch, dass er Familie in den Mittelpunkt stellt, der jeder gerne angehören möchte, sodass man die Figuren einfach lieben muss.

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