My Own Private Odyssey: On Seeing the Parthenon Marbles

Kaum zu glauben, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich schon fast so etwas wie erholt. Das traf sich sehr gut, denn ich hatte mir vorgenommen, zunächst Filipapou Hill zu besteigen und dann endlich das Akropolis-Museum zu besichtigen. In Athen gibt es ziemlich viele Hügel und ich hatte vor, sie alle zu "erstürmen" als Ausgleich dafür, dass die Reiseroute keine größeren Wanderungen hergab. Außerdem war der Hauch Natur ein netter Ausgleich zum Kulturprogramm und natürlich auch zur Stadt mit ihrem chaotischen Straßenverhältnissen.

Now, whatever you do - don't plan a daytrip to Filipapou Hill. Entgegen meiner Erwartungen dauerte der Aufstieg von der Akropoli-Station aus nämlich nur 20 Minuten. Aus der Entfernung hatte der Hügel immer so hoch und vor allem steil ausgehen, aber aus der Nähe betrachtet stellte sich heraus, dass er weder das eine noch das andere war. Ich hatte sicher nicht mit einer Tageswanderung gerechnet, aber schon gedacht, dass es länger dauern würde und etwas fordernder wäre, aber nein. Auch das Monument, das den Hügel kennzeichnet, war viel kleiner als ich erwartet hatte. Eins stimmte immerhin: die Aussicht auf die Akropolis (und die Stadt) war wirklich wunderbar.




Nach diesem kurzen Unterfangen habe ich mich also auf den Weg ins Akropolis-Museum gemacht, einem imposanten Neubau an der Promenade, der 2009 eröffnet wurde. Es steht auf einer Ausgrabungsstätte, die man dank Glasboden auf dem Weg zum Eingang betrachten kann. Im Erdgeschoss befinden sich diverse Gaben, insbesondere Urnen, aber auch einige Statuen. Am besten gefielen mir die Darstellungen von Asklepios mit seinem schlangenumschlungenen Stab.

Im ersten Stock fanden sich sehr viele Statuen, unter anderem aus dem archaischen Zeitalter, das vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis zum Beginn der Persischen Kriege 479 v. Chr. reichte. Zudem sind dort viele Darstellungen der Athena zu sehen - nicht verwunderlich, da es sich ja um die Schutzgöttin der Stadt handelt. Der Legende zufolge verschluckte Zeus Athenas schwangere Mutter, woraufhin er Kopfschmerzen bekam, jemand seinen Schädel mit der Axt öffnete und Athena in voller Rüstung heraussprang. Sie ist nicht nur die Göttin des Kampfes, sondern auch der Weisheit, der Kunst, des Handwerks und noch einiger anderer Dinge. Außerdem war sie Jungfrau, was sich in dem Beinamen Parthenos widerspiegelt - doch mehr dazu gleich. Wenn als Athena als Kriegsgöttin dargestellt wurde bekam sie den Beinamen Nike. Ich bekam zufällig mit, wie die griechische Reiseführerin einer amerikanischen Gruppe sich darüber aufregte, dass Englischsprecher es "Naiki" nennen. "It's Niki! You pronounce it wrong! Change that!" Was ich übrigens auch sehr interessant fand war, dass die Statuen bereits vor zweieinhalbtausend Jahren mit Farben versehen wurde, was heute nicht mehr zu sehen ist.

Der zweite Stock ist für Veranstaltungen reserviert; darüber befindet sich die berühmte Parthenongalerie. Zunächst schaute ich mir jedoch einen Film über das Bauwerk an. Das Parthenon entstand im 5. Jahrhundert v. Chr. Neun Jahre dauerte der Bau, bei dem 16.500 (!) Einzelteile verwendet wurden. Die Säulen laufen übrigens leicht spitz zu, damit es "lebendiger" wirkt. Im Zentrum des Tempels stand eine 13 Meter hohe Statue, die der Jungfrau Athena gewidmet war und dementsprechend Athena Parthenos hieß - so wie der gesamte Tempel Parthenon genannt wurde. Die goldverzierte Statue galt schon damals als eins der bedeutendsten Kunstwerke aller Zeiten und wurde sehr häufig im Miniaturformat nachgebaut.

Die Außenverzierung gliedert sich in drei Teile: die Metopen, das Fries und die Giebel. Die Metopen beinhalten 92 Reliefs, die mythologische Kämpfe zeigen; besonders bekannt ist die Ausein-andersetzung zwischen Lapith und Zentaur. Das Fries zeigt die Panathenäische Prozession, das größte Fest zu Ehren Athenas. Dafür wurden fast 400 Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und über 200 Tiere, insbesondere Pferde, in Marmor gehauen, der auch wahrscheinlich gefärbt war. Der Ostgiebel zeigt die Geburt Athenas mit ihrem Sprung aus Zeus' Kopf, während der Westgiebel verschiedene Gottheiten porträtiert.

Wenn man sich vor Augen führt, wie das Parthenon einst ausgesehen hat, ist es natürlich sehr bitter, das heute nur noch vergleichsweise wenig erhalten ist. Bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde es teilweise durch Brände zerstört; größerer Schaden entstand jedoch im 5. Jh. n. Chr., als die Stadt christianisiert war und die Gläubigen mutwillig die "Heidenkunst" zertrümmerten, darunter auch die Athena Parthenos. Dass der Tempel überhaupt noch steht, liegt wohl vor allem daran, dass sie daraus eine Kirche machten, die der Jungfrau Maria gewidmet war (was soll das eigentlich immer mit den Jungfrauen?). Später wurde aus dem Parthenon dann eine Moschee, bevor es 1687 bei einem venezianischen Angriff größtenteils zerstört wurde. Die Trümmer lagen dort dann eine ganze Zeit unbeachtet herum, bis ein gewisser Lord Elgin vorbeikam und einen beachtlichen Teil nach Großbritannien transportierte.

Bis dahin war der Film eher dokumentarisch gehalten und war ich überrascht, wie aggressiv der Ton des Sprechers wurde, als er auf Lord Elgin zu sprechen kam, aber die Griechen nehmen den Engländern diese Sache wirklich sehr übel. Wahrscheinlich kennt ihr den ganzen Streit um das Fries, daher nur so viel: Der Großteil davon befindet sich immer noch im British Museum in London, doch Athen kämpft vehement für die Rückgabe. John Keats war übrigens einer der ersten, der die Stücke seinerzeit zu Gesicht bekamen. Sie weckten in ihm Gedanken an seine eigene Sterblichkeit, die in dem Gedicht "On Seeing the Elgin Marbles" Ausdruck fanden. Ich selbst war übrigens vor zehn Jahren mit der Schule im British Museum, aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, ob ich damals auch die Elgin Marbles gesehen habe.

Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Restaurierung des Parthenons im vollen Gange. Alle sich in griechischer Hand befindlichen Teile des Fries und Giebels sind mittlerweile im Akropolis-Museum ausgestellt. Sie haben sämtliche Teile des Fries aneinandergereiht und die fehlenden durch Gipsreplikationen ersetzt, sodass man das komplette, 160 Meter lange Werk in der Galerie abgehen kann. Das war wirklich sehr beeindruckend. Ich weiß ja auch nicht, was ich zu dieser ganzen Sache sagen soll: Einerseits verstehe ich, dass das British Museum seinen Teil des Fries nicht herausgeben will, weil es schon so lange dort ist, und ich weiß ja auch nicht wie transportfähig es noch ist, aber es wäre schon eine tolle Sache, wenn man das komplette Fries in seiner Heimat betrachten könnte. Die Giebel fand ich übrigens genau so beeindruckend, doch leider ist von ihnen noch weit weniger übrig als vom Fries.

Auf dem Weg ins Erdgeschoss habe ich mich schon fast geärgert, dass ich meine Kamera nicht mitgenommen habe. Fotografieren ist nicht erlaubt, aber als ich sah, wie ungeniert die ganzen Reisegruppen knipsten fragte ich mich schon, wieso ich so dumm war mich an die Vorschriften zu halten. Andererseits hat man als Gruppe sicher weniger zu befürchten als als Einzelperson. Insgesamt kann ich das Museum jedoch wirklich empfehlen; ich würde sogar sagen, dass der Besuch der Akropolis nur Sinn macht, wenn man sich das Museum ebenfalls ansieht. Es hat mich nur traurig gemacht, dass wir nie erfahren werden, wie das Parthenon in seinem ursprünglichen Zustand ausgesehen hat.

Ich saß noch eine Weile im Eingangsbereich, weil es dort Wlan gab und schaute nebenbei einen kurzen Film über Spyros Louis, der erstaunlich interessant war. Louis gewann 1896 den ersten Marathon der Olympischen Spiele, was ihm zu einem Nationalheld machte. Der griechische Staat hatte nicht lange zuvor Bankrott erklärten müssen und der Sieg war Balsam für die hellenische Seele. So etwas könnten sie heute auch gebrauchen.


Danach musste ich erstmal überlegen, was ich als nächstes mache. Mein Tagesprogramm hatte ich erfüllt, und es erst war 11:45 Uhr. Ich hatte jedoch die feste Regel, nicht vor 16 Uhr ins Hostel zurückzukehren, da ich nicht beim Saubermachen im Weg sein wollte (wobei mir nicht sicher war, wieviel Zeit sie wirklich darauf verwenden). Ich ging erstmal ins Visitor Centre, da Planungen ohne funktionierenden Computer ja ziemlich schwierig sind. Ich hatte mir vorgenommen, einen Tag am Strand zu verbringen und die Dame am Schalter konnte mir auch einen empfehlen und mir die Busverbindung nennen. Wann allerdings die Züge nach Thessaloniki fahren, konnte sie mir nicht sagen. Immerhin teilte sie mir mit, wo ich das erfragen könne und gab mir ziemlich gute Stadtpläne von Athen und Thessaloniki.

Draußen vor dem Centre studierte ich meinen Reiseführer, als plötzlich ein junger Mann vorbeikam und mir einen Flyer für eine Kneipe in die Hand drückte. Ich dachte, er würde wieder abziehen, doch er machte überhaupt keine Anstalten zu gehen. Stattdessen begann er zu raten, wo ich herkomme. Was ich ganz interessant finde war, dass er wie die meisten Leute zuerst auf Polen tippte. Ich frage mich immer wie sie darauf kommen, wenn man bedenkt, wie schmal die meisten osteuropäischen Frauen gebaut sind und ich, na ja... nicht. Anschließend begann er über das Reisen zu reden. Er war erstaunt, dass ich auf keine Insel fahre und wie billig die Hostels in Athen sind. Schließlich packte ich zusammen, damit er sah, dass ich weiter wollte. Er lud mich noch zu einem internationalen Stammtisch ein, woraufhin ich sagte, dass ich es mir überlegen würde, was ich natürlich nicht vor hatte.

Nach dieser Begegnung suchte ich erst einmal meinen Lieblingsplatz im weißen Viertel auf, um in Ruhe etwas essen zu können. Ich war so froh gewesen, dass ich am Vortag nicht behelligt wurde, aber jetzt ging das Ganze anscheinend wieder von vorne los. Und es war nicht nur das Gequatsche. Was mich fast ebenso nervte war, dass ich ständig so angestarrt wurde, dass man meinen könnte ich wäre a) Elle Macpherson oder hätte b) zwei Nasen im Gesicht, was beides nicht zutrifft. Wobei das mit den Nasen auch kein passender Vergleich ist, denn es war in der Regel nicht mein Gesicht, wo sie hingesehen haben. Im Supermarkt beispielsweise stand ein etwa 9-jähriger Junge hinter mir an der Kasse. Als ich meine Sachen einpackte, musste die Kassiererin ihn erst daran erinnern zu bezahlen, weil er so damit beschäftigt war auf meine Brüste zu starren. Ein kleiner Junge! Was ist nur los mit den männlichen Griechen? Hat ihnen niemand beigebracht, dass man andere Leute nicht so angafft? Ich fühle mich jedenfalls nicht gerne wie der Affe im Zoo.

Im Anschluss ging zum Friedhof, da der laut Reiseführer einige beeindruckende, wenn auch kitschige Grabsteine bietet. Der Weg war jedoch länger, als ich vermutet hatte, sodass ich ziemlich kaputt war, als ich dort ankam. Zudem gab es nur relativ wenig Möglichkeiten, der prallen Mittagssonne zu entkommen. Was jedoch in erster Linie dazu führte, dass ich mich dort nur kurz aufhielt, waren die Mücken. Normalerweise werden ich nicht so oft von Mücken gestochen, doch auf dem Friedhof stürzten sie sich regelrecht auf mich - schließlich habe ich noch Blut. Innerhalb einer Minute waren meine Beine mit mindestens zehn Stichen übersäht, sodass ich nur schnell ein paar Bilder knipste und mich vom Acker machte.


Anschließend ging ich noch in einen Minimarkt, um mir eine Flasche Wasser zu kaufen. Ich war ein wenig erstaunt, als die Kassiererin einen Euro dafür verlangte, denn ich hätte schwören können, dass auf dem Preisschild 80 Cent stand. Ich wollte aber wegen 20 Cent keinen Streit anfangen, also sagte ich nichts. Und wenn sie es wirklich nötig hat, mich um 20 Cent zu betrügen, dann tut sie mir ehrlich leid. Ich fuhr zurück zum Syntagma-Platz und surfte dort ein wenig im Internet, bevor ich um halb fünf ins Hostel zurückkehrte.

Nachdem ich geduscht und gegessen hatte, bekam ich jedoch Lust, noch einmal rauszugehen. Ich entschied mich für einen weiteren Hügel: die Pnyx - oder Pnika, wie der Grieche sagt. Als ich jedoch das Hostel verließ, lief mir ein junger Mann, ein Mexikaner, hinterher und fragte, ob er mich begleiten dürfe. Ich biss mir zögerlich auf die Lippe, antwortet dann aber: "No offence, but I'd rather spend some time on my own." "Oh..." "I'm sorry, it's just that I don't have a lot of privacy in that hostel..." Er nickte und zog bedröppelt von dannen. Ich machte mich auf zur Metro, fühlte mich jedoch wie der schlechteste Mensch der Welt, weil er so enttäuscht ausgesehen hatte. Es tat mir wirklich leid, aber ich war nicht in der Stimmung für Gesellschaft und wäre es deshalb wohl auch keine gute gewesen.

Die Pnyx hielt, was der Reiseführer versprochen hat: Sie ist ein sehr ruhiges Fleckchen, und das obwohl sie sich direkt an der Promenade befindet - übrigens ganz in der Nähe von Filipapou. Nur bei Hundebesitzern und Jogaklassen ist sie sehr beliebt. Von der Pnyx hatte man ebenfalls einen sehr guten Blick auf die Akropolis, die im Licht der untergehenden Sonne noch etwas schöner aussah als ohnehin schon. Leider ist mir nicht wirklich gelungen, es festzuhalten. Meine Kamera war brandneu, sodass ich vor dem Urlaub keine Zeit gehabt hatte, sie auszuprobieren. Ich vertraute daher auf den Autofokus, der mich jedoch ziemlich oft im Stich ließ. Nun ja, fünf Wochen und ein Handbuch später bin ich etwas schlauer. Die Pnyx ist aber wirklich ein sehr schöner Ort, um der Hektik Athens zu entkommen.






Beim nächsten Mal dann noch mehr antike Schätze.

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