The day my grandfather made a joke.

 

Manchmal ist es schon verwunderlich, dass die besten Familiengeschichten erst spät erzählt werden, oder gar nie ans Licht kommen und an Weihnachten und Ostern stattdessen lieber über Tod, Krankheit und den Garten gesprochen wird. Neulich jedoch fanden meine Oma und mein Vater alte Zeitungsausschnitte, die sie an eine der interessantesten familiären Begebenheiten erinnerten. Am 15. Februar 1961(?) gab mein Opa im Wochenblatt für Westerkappeln, Lotte und Wersen folgende Anzeige auf: "Hubschrauber zu kaufen gesucht, da hier die Wege der Gemeinden Westerkappelns und besonders Wersens nicht mehr passierbar sind. Kommt nicht nach hier, liebe Freunde und Bekannte! Ihr müßtet elendig im Schlamm versinken. Schönen Gruß auf diesem Wege."

Natürlich wollte er nicht wirklich einen Hubschrauber kaufen. Die eher ungewöhnliche Kritik an den schlechten Straßenverhältnisse erregte jedoch ziemlich viel Aufmerksamkeit. Laut Zeitungsbericht war sie "in aller Munde" und die betreffende Straße wurde kurzerhand als "Hubschrauberweg" bekannt. Zwei Reporter wollten meinen Opa besuchen, doch blieben sie auf dem Weg selbst im Schlamm stecken, sodass es nie zu dem Interview kam. Ein Kommentator mit Kürzel "b." schrieb über ihn: "Ein lieber Mensch, man müßte diesem humorvollen Zeitgenossen bei der nächsten Karnevalsfeier auch den Orden wider den tierischen Ernst am großen Band mit Steckkreuz verleihen." Selbst Werner Höfer, WDR-Journalist und Moderator des Internationalen Frühschoppens, verlor ein paar Worte über die Anzeige des Eisenbahners aus Sennlich.

Was mir am besten an dieser Geschichte gefällt ist, dass mein Opa, den ich im Übrigen nie kennengelernt habe, nicht einfach einen schnöden Beschwerdebrief an die jeweiligen Gemeinden schrieb, der wahrscheinlich ohnehin sofort im Papierkorb gelandet wäre, sondern sich des Humors bediente, um auf ein Problem aufmerksam zu machen. Genützt hat es freilich wenig. Reaktionen der Wersener oder Westerkappelner Verwaltung sind nicht bekannt; es ist eine traurige Ironie, dass mein Opa die Asphaltierung des Wegs nicht mehr erlebte. Allerdings zog er mit seiner Familie nicht lange nach der Anzeige nach Osnabrück und entkam so den Schlammmassen. Manchmal denke ich, was wohl passiert wäre, wenn tatsächlich jemand einen Hubschrauber zur Verfügung gestellt hätte, nur einmal, zum Spaß. Vielleicht hätte das die Bürokraten hinter ihrem Schreibtisch hervorgelockt und nicht nur die Zeitgenossen, sondern auch wir hätten mehr Gesprächsstoff gehabt.

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