TV Night: Parade's End



Wenn es aktuell einen Schauspieler gibt, der in meiner Gunst ansatzweise mit Ben Whishaw mithalten kann, dann ist es Benedict Cumberbatch. Für mich ist er der einzig wahre Sherlock Holmes (sowie Martin Freeman der einzig wahre Dr. Watson ist), sodass ich mich sehr gefreut habe, als ich erfahren habe, dass er die Hauptrolle in der BBC-Serie Parade's End spielt, der Verfilmung der gleichnamigen Roman-Tetralogie von Ford Madox Ford. Da ich ja nicht nur eine Schwäche für den Cumberbatch sondern auch für Miniserien und Period Dramas habe, musste ich mir das natürlich unbedingt ansehen.

Benedict spielt Christopher Tietjens, einen Aristokraten aus Yorkshire, der im Department of Statistics arbeitet. Tietjens ist so gebildet, dass er die Encylopaedia Britannica korrigiert und außerdem ziemlich altmodisch, da er sich seiner gesellschaftlichen Stellung und die Verantwortung, die damit einhergeht, bewusst ist, während seine Umgebung zusehends rein monetäre Werte in den Mittelpunkt stellt. Die Geschichte beginnt im Jahr 1912, als Christopher die schwangere Sylvia (Rebecca Hall) heiratet, obwohl er nicht einmal weiß, ob das Kind wirklich seins ist. Kurze Zeit später brennt Sylvia mit ihrem Liebhaber durch, doch Christopher ist entschlossen, ihr treu zu bleiben. Doch dann trifft er die junge Suffragette Valentine Wannop (Adelaide Clemens). Die beiden fühlen sich vom ersten Moment an zueinander hingezogen, doch Christopher erlaubt es sich nicht, seinen Gefühlen nachzugeben.

Schließlich kehrt Sylvia zurück und unternimmt alles, um ihrem Mann das Leben zur Hölle zu machen. Auf der einen Seite scheint sie ihn abgrundtief zu hassen, aber auf der anderen Seite auch zu lieben, da sie stets bemüht ist, ihrem steifen Ehemann eine Reaktion zu entlocken und sehr eifersüchtig reagiert, als sie von Christophers Faszination für Valentine Wind bekommt. Zudem steht Sylvia exemplarisch für katholische Heuchelei: Sie will sich nicht scheiden lassen, weil ihre Religion das verbietet, aber mit Affären hat sie freilich kein Problem. Auch der Londoner Society entgeht die Chemie zwischen Christopher und Valentine nicht; bald sind haufenweise falsche Gerüchte im Umlauf, die Christophers Familie praktisch zerstören, da sich niemand die Mühe macht, ihn nach der Wahrheit zu fragen. Und dann bricht auch noch der Erste Weltkrieg aus.

Alle BBC-Serien, die ich in letzter Zeit gesehen habe, habe ich praktisch mit Lob überschüttet, und auch Parade's End halte ich für perfekt. Drehbuchautor Tom Stoppard und Regisseurin Susanna White zeigen die letzten Zuckungen des alten Englands, das mit dem Ersten Weltkrieg endgültig untergeht. Die Geschichte besticht dabei vor allem durch ihre komplexen Figuren und die interessanten Bilder wie dem Groby Great Tree auf dem Anwesen der Tietjens, der den Niedergang der Familie symbolisiert. Auf der einen Seite ist Parade's End sehr tragisch, weil die Charaktere allzu häufig in den Konventionen ihrer Zeit gefangen sind, aber dann bewegt es sich wieder am Rand der Satire, vor allem in der vierten Episode, als Christopher in einem französische Base Depot dient und die Absurdität der Kriegsbürokratie offenbar wird. Das hat mich sehr an Evelyn Waughs Sword of Honour erinnert.

Zudem sind die Schauspieler wirklich hervorragend, vor allem die beiden Hauptdarsteller. Obwohl Tietjens ziemlich hölzern ist, schafft Benedict Cumberbatch es, sein brodelndes Innenleben sichtbar zu machen, während Rebecca Hall sämtliche Facetten Sylvias glaubhaft darstellt. Die oftmals skurrilen Nebenfiguren wie der durchgeknallte Pfarrer Duchemin oder der fanatische Captain McKechnie sind noch ein weiterer Bonus.

Fazit: Parade's End ist eins der besten Werke über den Wechsel von Viktorianismus zur Moderne, das ich je gesehen habe. Ich kann es nur empfehlen (besonders auch die DVD-Ausgabe, die einen umfangreichen Blick hinter die Kulissen gibt).

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