TV Night: True Detective (Season 2)



Abgesehen von Mad Mens letzter Staffel gibt es dieses Jahr wohl kein Stück Fernsehen, das so sehr erwartet wurde wie die zweite Staffel von True Detective. Ich hatte ja schon erwähnt, dass die erste Staffel einen gigantischen Hype ausgelöst hat und ich war so gespannt wie jeder andere, ob Urheber Nic Pizzolatto seinen Erfolg noch toppen oder zumindest das Niveau würde halten können.

Da es sich um eine Anthologie handelt, erzählt Pizzolatto in der zweiten Staffel eine neue Geschichte (mehr oder weniger): Setting ist nicht mehr Louisiana, sondern Südkalifornien und statt eines Duos - die fabelhaften Matthew McConaughey und Woody Harrelson - haben wir es hier mit einem Quartett zu tun. Ray Velcoro (Colin Farrell) ist Polizist beim Vinci PD, Antigone "Ani" Bezzerides ist Polizistin beim Ventura County Sheriffs's Office und Paul Woodrugh (Taylor Kitsch) arbeitet für die Highway Patrol. Vierte Hauptfigur ist Frank Semyon (Vince Vaughn), ein krimineller Unternehmer. Was die vier zusammenführt, ist der Mord an Stadtmanager Ben Caspere, dessen Leiche Paul findet. Da sowohl Rays als auch Anis Abteilungen (scheinbar) Interesse haben, den Mörder zu finden, werden die beiden in einer Task Force eingesetzt, zu der schließlich auch Paul stößt sowie Rays Kollege Teague Dixon (W. Earl Brown). Aber auch Frank will wissen, wer für die Tat verantwortlich ist, denn er hatte mehrere Millionen in Casperes Plan für eine neue Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinie gesteckt, die nun futsch sind.

Wie schon in der ersten Staffel macht der initiale Mord jedoch nur einen Bruchteil des Gesamtgeschichte aus, die sich ebenso mit dem Privatleben der Charaktere befasst. Und wie schon in der ersten Staffel sind alle Hauptfiguren ziemliche Wracks. Velcoro streitet sich mit seiner Ex-Frau um seinen Sohn, der möglicherweise gar nicht sein Sohn ist, da seine damalige Frau einst vergewaltigt wurde. Frank hat ihm seinerzeit einen Tipp gegeben, wer für die Tat veranwortlich ist, sodass Ray den vermeintliche Vergewaltiger getötet hat und seitdem als Informant für Semyon arbeitet. Und natürlich hat Ray ein schweres Alkoholproblem. Ani ist die Tochter eines Sektengurus, der eine Art Kommune in Südkalifornien "betreibt". Mehrere ihrer Geschwister haben sich umgebracht; Ani selbst ist als Kind sexuell missbraucht worden. Sie trainiert exzessiv den Kampf mit dem Messer als Mittel der Selbstverteidigung. Paul ist in einem Trailer Park aufgewachsen, hat im Irak-Krieg gekämpft und ist homosexuell - was er jedoch nicht wahrhaben will. Frank ist ebenfalls als Kind misshandelt worden. Er hat sich hochgearbeitet und führt eine glückliche Ehe mit Jordan (Kelly Reilly), erträgt es aber nicht, dass ein Großteil seines Geldes und seines Einflusses mit dem Caspere-Deal flöten gegangen ist.

Und da haben wir schon das erste Problem: Wie wahrscheinlich ist es, dass von drei Polizisten alle mehrfach schwer traumatisiert sind? In der ersten Staffel hat Pizzolatto den Stereotyp des kaputten Polizisten schon auf neue Höhen getrieben und auch hier erreichen die Figuren mühelos das Level von Rust Cohle. Das ist auf Dauer nicht nur langweilig, das ist auch unwahrscheinlich. Wie kann jemand als Polizist voll funktionieren, wenn nicht sogar ein Genie sein, wenn er Privatleben so überhaupt nichts auf die Reihe kriegt, nicht einmal das Nüchternsein? Ein Kritiker hat True Detective eine "non-stop misery parade" genannt, was absolut treffend ist. Die zweite Staffel anzuschauen ist die meiste Zeit einfach nur wahnsinnig deprimierend. Wenigstens sind mit Farrell und McAdams zwei sehr gute Schauspieler an Bord; bei Kitsch und Vaughn hingegen bin ich mir nicht sicher, ob es an ihrem Spiel oder an dem Drehbuch liegt, dass ihre Figuren so farblos sind. Frank zumindest nimmt man den furchteinflößenden Gangsterboss vor allem in den ersten Folgen nicht so recht ab. Und so gerne ich mir auch Farrell und McAdams angesehen habe, McConaughey und Harrelson sind nach wie vor eine Liga für sich.

Weitere Punkt: das Setting. Während die Küste von Louisiana einen ganz eigenen Charme zwischen Exotik und Grusel versprühte, spielt die zweite Staffel in Südkalifornien - wie etwa jede zweite Krimiserie. Dass wir nicht in Los Angeles sind macht die Sache nur wenig besser. Immerhin sind auch bei den neuen Folgen die Landschaftsaufnahmen gigantisch, vor allem die Luftbilder von dem Industriekomplex Vinci.

Das größte Problem der zweiten Staffel ist jedoch die verworrene Geschichte. Wie schon in der Auftaktstaffel ist der Mord nur ein kleines Puzzlestück, dahinter steckt in Wahrheit ein großes Netz von korrupten Politikern und Polizisten, die versuchen, mit allen Mitteln ihre Machenschaften geheim zu halten und ihr Geld unter anderem mit Zwangsprostitution verdienen. Anders als in der ersten Staffel ist es hier jedoch ziemlich schwer, den viele Personen und der Handlung generell zu folgen. Lange Zeit wird nicht klar, wie die verschiedenen Figuren überhaupt zusammenhängen und wer sie eigentlich sind. Man hat den Eindruck, dass Pizzolatto hier ein wenig The Wire nacheifert, nur dass er es nicht schafft, die verschiedenen Handlungsstränge zu koordinieren. Und es liegt nicht (nur) an mir: Reihenweise Kritiker und Zuschauer haben gefragt, worum es eigentlich geht, sogar der Guardian.

Schlimmer noch: Obwohl so viel passiert, habe ich mich die meiste Zeit ziemlich gelangweilt. Während die Spannung in der ersten Staffel kaum auszuhalten war, habe ich mir hier ständig gefragt: "Was soll das?" - gefolgt einem frustrierten "Was auch immer" (Titelsong der Staffel ist ironischerweise Leonard Cohens "Nevermind"). In der zweiten Hälfte der Staffel wird es zwar etwas besser, aber trotzdem will Pizzolatto zu viel auf einmal: Krimi, Pulp, Noir, Psychodrama... Die ganze Geschichte ist ein einziges, riesiges Chaos. Die Handlungsstränge an sich sind dabei wenig originell und anders als in der ersten Staffel mit ihren beiden Zeitebenen auch sehr konventionell erzählt.

Das soll nicht heißen, das alles schlecht ist: Ray und Ani sind trotz ihrer Probleme zwei faszinierende Charaktere; Frank Semyons Frau Jordan (toll besetzt mit Kelly Reilly) ist erfrischend nüchtern und hat keine Angst, ihrem vor sich hinschwurbelnden Ehemann deutlich die Meinung zu sagen. Am besten sind die Autoszenen, in denen die Polizisten sich langsam kennenlernen - hier von gibt es leider viel zu wenige. Auch ist True Detective trotz der Weltuntergangsstimmung manchmal überraschend humorvoll.

Fazit: Die zweite Staffel True Detective kann der ersten leider nicht das Wasser reichen. Trotz der guten Schauspieler und der tollen Kamerarbeit lässt die verwirrende Geschichte den Zuschauer frustriert zurück. Neuer Versuch in Staffel 3?


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