Movie Night: Meet John Doe



Eigentlich hatte ich diesen Film ja zu Weihnachten schauen wollen (neben dem obligatorischen It's a Wonderful Life), aber da es zeitlich nicht geklappt hat, ist es eben Neujahr geworden. Ist auch nicht so schlimm, denn obwohl Meet John Doe - der ebenfalls von Frank Capra ist - an Heiligabend endet, ist er nur bedingt ein Weihnachtsfilm. Die Geschichte beginnt mit Journalistin Ann Mitchell (Barbara Stanwyck), die gefeuert wird, als ihre Zeitung einen neuen Herausgeber bekommt. Vor lauter Wut erfindet sie in ihrer Kolumne die Zuschrift eines "John Doe", der aus Protest gegen das politische System androht, Heiligabend vom Dach des Rathauses zu springen. Mitchell macht keinen Hehl daraus, dass es diesen John Doe nicht gibt, doch als die Kolumne auf ein riesiges Echo stößt und sich die Zeitung mit Fälschungsvorwürfen konfrontiert sieht, entscheidet sich die Redaktion, einen John Doe einzustellen. Die Wahl fällt auf den obdachlosen "Long John" Willoughby (Gary Cooper), einem ehemaligen Baseball-Spieler. Dieser zieht mit einem exzentrischen Typen namens "The Colonel" (Walter Brennan) durch die Lande, der alle sesshaften Menschen mit äußerster Skepsis betrachtet, da sie nur daran interessiert scheinen, ihren Wohlstand auszubauen.

Willoughby scheint perfekt für die Rolle zu sein: Er will das schnelle Geld, ist nur auf der Durchreise und verfügt über ein hübsches Gesicht, mit dem alle weiteren "Briefe" John Does, die freilich aus Mitchells Feder stammen, illustriert werden. Doch die Sache läuft nicht so, wie die Verantwortlichen es geplant haben. John Does Plädoyers für mehr Nächstenliebe werden zu einer Massenbewegung; gleichzeitig kommen Willoughby immer mehr Zweifel an den Absichten von Herausgeber D.B. Norton (Edward Arnold), der die John-Doe-Bewegung dazu benutzen will, sich seinen Weg ins Weiße Haus zu ebnen. Auch Mitchell muss erkennen, dass Norton nicht der Wohltäter ist, für den er sich ausgibt.

Meet John Doe ist Capra in Reinkultur. Auch hier steht der kleine, anständige Mann im Mittelpunkt, der sich beharrlich dagegen wehrt instrumentalisiert zu werden und den Verlockungen des Kapitals widersteht. Und wie auch in vielen seiner anderen Filme drückt Capra hier mächtig auf die Tränendrüse, etwa wenn John Does Anhänger davon berichten, wie sie sich von seinen Reden zur Nächstenliebe haben inspirieren lassen. In den meisten Fällen ist das jedoch sehr herzerwärmend; wenn der Redakteur allerdings von der Großartigkeit Amerikas und seiner Präsidenten schwafelt wird es arg parthetisch. Wer dazu bereit ist, darüber hinwegzusehen (ebenso wie über die wenig überraschende romantische Anbandlung zwischen Ann und John), der findet einen nachden-kenswerten Film, der erstaunlich aktuell ist, etwa wenn John Doe die Schere zwischen Arm und Reich anspricht. Viele von seinen Fragen sind auch heute noch relevant, zum Beispiel warum es so schwer scheint, den Geist von Weihnachten das ganze Jahr hindurch zu pflegen.

Gleichzeitig ist Meet John Doe weit weniger optimistisch als andere Capra-Filme. Auch wenn er teilweise als Komödie geführt wird, ist der Film absolut nicht zum Lachen, und das nicht nur wegen der Suizidthematik. Es ist vor allem die Macht des Geldes und die Manipulierbarkeit der Masse, die einem als Zuschauer ein mulmiges Gefühl bescheren. Dass Meet John Doe vergleichsweise düster ist liegt auch daran, dass ein tragisches Ende ganz bis zum Schluss im Rahmen des Möglichen lag; erst nach diversen Testaufführungen entschieden sich Capra und Autor Robert Riskin für einen etwas hoffnungsvolleren Schluss.

Was Meet John Doe ebenfalls zu einem sehenswerten Film macht, sind die Schauspieler. Gary Cooper glänzt als zunächst eher unbedarfter John Doe, der eigentlich nur ein wenig Geld verdienen will, aber im Verlauf des Films sein Gewissen entdeckt und sich tatsächlich zum Sprachrohr einer Bewegung entwickelt. Stanwyck ist die herrlich leidenschaftliche Journalistin, die zwischen ihren Idealen und der Notwendigkeit, ihre Familie zu versorgen, schwankt, während Edward Arnold als Faschist Norton beängstigend böse ist. Walter Brennan hingegen sorgt als wunderbar exzentrischer Tramp für die wenigen komischen Momente des Films.

Noch ein Wort zur DVD: Leider war ich etwas vorschnell mit dem Kauf, sonst hätte ich auf die restaurierte Fassung von Laureate zurückgegriffen, die allerdings etwas schwer zu bekommen ist. Bei den meisten Versionen, wie auch meiner, ist die Bildqualität nämlich unter aller Kanone, was den Genuss stark trübt. Dass so etwas überhaupt veröffentlicht wird, ist eine absolute Unverschämtheit. Jede Raubkopie, die mit einer Handykamera im Kino abgefilmt wurde hat wahrscheinlich eine bessere Qualität als das, was man hier so vorgesetzt bekommt. Aber da Meet John Doe in der Public Domain ist, waren wohl einige Firmen auf das schnelle Geld aus. Da kann man sich auch gleich die 240p-Versionen auf YouTube angucken.

Fazit: Auch wenn Meet John Doe etwas zu sentimental und auch etwas zu lang ist, handelt es sich um einen nachdenklichen Film mit tollen Schauspielern.


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