14 plus 20 Alben für 2014

Es ist mal wieder soweit: der musikalische Rückblick auf das Jahr 2014. Auch in den letzten zwölf Monaten habe ich weniger Neuerscheinungen gehört als erhofft, wenn auch nicht ganz so wenig wie gedacht. Ich habe insgesamt in 51 Alben reingehört, als nur zwei weniger als 2013. Eine Sache, die sich jedoch fortzusetzen scheint ist, dass nur die wenigsten Scheiben länger bei mir hängengeblieben sind, weshalb dieses Liste wieder etwas kleiner ausfällt. Zum einen hat mir die Arbeit nicht viel Zeit zum Hören gelassen und zum anderen habe ich wirklich sehr viel Fred und Ginger gehört. Im Unterschied zu 2013 ist es mir diesmal allerdings sehr schwer gefallen, eine Nummer eins zu bestimmen. Es gab keine Platte, von der ich so besessen war wie von Van Dyke Parks Songs Cycled im letzten Jahr; am Ende war es dann ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Erstplatzierten. Hier also meine Favoriten für das Jahr 2014:


14. The Both - The Both




Wenn ich einen Preis für das fun album of the year vergeben müsste, dann würde er an das selbtbetitelte Debütalbum von The Both gehen. Man merkt einfach, wie viel Spaß Aimee Mann und Ted Leo bei den Aufnahmen hatten. Das Ergebnis ist eine tolle Mischung aus fetzigem Indie Rock und melodiösem Pop, die trotz nachdenklicher Momente extrem cool ist.

Lieblingslieder: The Gambler, Milwaukee, Honesty Is No Excuse



13. John Fullbright - Songs




Bei John Fullbright bekommt man immer den Eindruck, dass er die Sounds der großen amerikanischen Musiker mit der Muttermilch aufgenommen hat, so sehr scheint er sie verinnerlicht zu haben. Auch auf Songs sind Einflüsse von Townes Van Zandt über Randy Newman bis Tom Waits zu hören, wobei das Album insgesamt etwas ruhiger ausfällt als der Vorgänger. Was nach wie vor überdeutlich wird ist, dass Fullbright ein formidabler Sänger und ein großer Komponist mit einem fantastischen Gespür für Melodien ist.

Lieblingslieder: Happy, High Road, Very First Time



12. Sharon Van Etten - Are We There




Sharon Van Ettens Alben sind nie einfach zu hören, aber das auch nur, weil sie einen so sehr bewegen, dass es manchmal kaum auszuhalten ist. Are We There bildet da keine Ausnahme. Van Etten experimentiert hier mehr mit Elektrosounds als auf dem Vorgänger Tramp, aber die rohe Emotionalität ist dieselbe. Ein weiteres großes Album einer Ausnahmekünstlerin.

Lieblingslieder: Your Love Is Killing Me, I Love You But I'm Lost, Every Time the Sun Comes Up



11. Drive-by Truckers - English Oceans




Die Truckers hatten es ja nicht unbedingt leicht in den Jahren, unter anderem musste die Band mehrere personelle Änderungen verkraften. Ihrer Musik hat das nicht geschadet, im Gegenteil: English Oceans ist ihr bestes Album seit Jahren (wobei die anderen auch nicht schlecht waren). Musikalisch tief im Süden verwurzelt, erzählen DBT großartige Geschichten von Menschen am Rande der Gesellschaft und haben überdies mit "Grand Canyon" einen stärksten Songs des Jahres zu bieten.

Lieblingslieder: Til He's Dead or Rises, When Walter Went Crazy, Grand Canyon



10. Sturgill Simpson - Metamodern Sounds in Country Music




Wer keine Countrymusik mag, kann dieses Album getrost auslassen, aber für alle anderen ist es sicher ein willkommener Beweis dafür, dass Country alive and well ist. Simpson steht fest in der Tradition von Countrygrößen wie Johnny Cash, Merle Haggard oder George Jones, ohne jedoch jemals wie ein Abklatsch zu wirken; auch weil er klassische Elemente mit psychedelischen Sounds und philosophischen Texten kombiniert. Country für das 21. Jahrhundert.

Lieblingslieder: Turtles all the Way Down, Long White Line, It Ain't All Flowers



9. The Baseball Project - 3rd




Als jemand, der bekanntlich mit Sport nichts am Hut hat ist es für mich immer wieder ein Phänomen, wie The Baseball Project es schaffen, aus Sportler-Biographien Songs zu machen, die schon fast die Dimension griechischer Tragödien erreichen. Auch 3rd hat haufenweise großartige Geschichten zu bieten, die die Super Group mit eingängigem College Rock verbinden.

Lieblingslieder: Hola America!, The Day Dock Went Hunting Heads, Monument Park



8. Tweedy - Sukierae




Sukierae ist sicher eine der interessanten Kollaborationen des Jahres, schließlich musiziert Wilcos Jeff Tweedy hier gemeinsam mit seinem Sohn Spencer, zudem gibt es Gastaufritte der Lucius-Damen und von The Baseball Projects Scott McCaughey. Gleich 20 Songs beinhaltet das nach Tweedys Frau benannte Album, von denen die meisten eher zurückhaltend arrangiert sind - zumindest im Vergleich zu den üblichen Wilco-Songs. Ein langes, aber warmes und charmantes Werk.

Lieblingssongs: High as Hello, Diamond Light Pt.1, Low Key



7. Ryan Tanner - Together Is Where We Belong




Großartige Songs von Ryan Tanner haben schon länger die Runde gemacht, letztes Jahr ist nun endlich sein Debüt Together Is Where We Belong erschienen. Der Songwriter aus Utah vereint Country und Folk zu zarten Songs, die stets von betörender Schönheit sind. Auf das dies der Grundstein zu einer großen Karriere sein möge.

Lieblingslieder: Judgment Day, Peaceful Mind, I Will Sing (Now That the Work Is Done)



6. Rosanne Cash - The River & The Thread




Wer jemals Zweifel daran hatte, dass Rosanne Cash eine eigenständige, großartige Songwriterin ist, der sollte sich unbedingt The River & The Thread anhören. Auf ihrer musikalische Reise durch den amerikanischen Süden vereinigt Cash Country, Folk, Blues, Rock and what have you zu ihrem ganz eigenen Sound. Ein abwechslungsreiches, aber stimmiges Album mit Songs, von denen einer großartiger ist als der andere.

Lieblingslieder: The Sunken Lands, Tell Heaven, World of Strange Design



5. Clean Pete - Al Zeg Ik Het Zelf




Clean Pete war nicht nur Liebe auf den ersten Hörgang, sondern für mich auch eins der Highlights auf dem Crossing Border. Die beiden Zwillingsschwester Renée und Loes Wijnhoven singen nicht nur traumhaft, sie schreiben auch wunderschöne, Cello-verstärkte Folksong, die mal verspielt und mal verträumt sind. Selten habe ich so bereut, dass ich kein Holländisch kann.

Lieblingslieder: Je Bent Te Vroeg, Alles Moet Kapot, De Zee




4. Arc Iris - Arc Iris




Schon während ihrer Zeit bei The Low Anthem hat Jocie Adams bewiesen, dass sie eine tolle Musikerin ist, auf Arc Iris jedoch erreicht sie noch einmal ein ganz anderes Level. Es ist schwer, das Album zu beschreiben, weil es so außergewöhnlich ist. Folk, Rock, Cabaret, Jazz, Soul - das alles und noch viel mehr findet sich hier und wird von Adams meisterhaft zu unvergesslichen Songs verwoben. Sicherlich eins der ungewöhnlichsten und einfallsreichsten Alben des Jahres.

Lieblingslieder: Money Gnomes, Whiskey Man, Powder Train



3. St. Vincent - St. Vincent




Mit St. Vincent dürfte Annie Clark endgültig den Rock-Olymp erklommen haben, gelingt ihr doch das, was nur wenige schaffen: Ein innovatives und anspruchsvolles Album, das gleichzeitig unglaublich eingängig und tanzbar ist. Vom groovigen Synthierock von "Rattlesnake" bis zum epischen "Severed Crossed Fingers" - St. Vincent ist ein Meisterwerk durch und durch.

Lieblingslieder: Birth in Reverse, Digital Witness, Severed Crossed Fingers



2. Hiss Golden Messenger - Lateness of Dancers




Hiss Golden Messenger alias M.C. Taylor ist ohne Frage neben Lady Lamb the Beekeeper meine Entdeckung des Jahres. Ich war noch halb benommen vom fantastischen Haw als Taylor im Herbst den ebenso großartigen Nachfolger Lateness of Dancers nachschob. Auf dem Album, das von einer Eudora-Welty-Geschichte inspiriert ist, präsentiert sich Hiss Golden Messenger noch einmal besonders abwechslungsreich: Mitreißende Folkrock-Songs, grooviger Funk, betörend zarte Folkepen, herrlich altmodisches Appalachia und das alles kombiniert mit wunderbar poetischen Texten - das ist so umwerfend und so überragend, dass einem vor Glück fast das Herz zerspringt.

Lieblingslieder: Saturday's Song, Day O Day (A Love So Free), Chapter & Verse (Ione's Song)



1. Hurray for the Riff Raff - Small Town Heroes




Wie gesagt, es war ein knappes Rennen und dass hier jetzt Small Town Heroes steht liegt daran, dass ich fast alle Songs auf diesem Album so inbrünstig liebe wie man Songs nur lieben kann. Small Town Heroes ist bestimmt nicht das innovativste Album das Jahres, aber es ist das Album, das mich insgesamt am tiefsten berührt hat. Was ich über Rosanne Cash gesagt habe, trifft auch auf Alynda Lee Segarra zu: Sie gräbt tief in der amerikanischen Musiktradition, nur um ihre ganz eigenen Sound aus Folk, Country, Bluegrass und Old-Timey zu kreieren. Und wie die Drive-by Truckers erzählt sie Geschichten von Menschen, die im Schatten stehen. Der herausragende Titel ist "The Body Electric", der nicht umsonst vom American Songwriter zum Song des Jahres gewählt wurde. Spontan fällt mir kein Song ein, der so eindringlich und so ausdrucksvoll von Gewalt an Frauen erzählt. Ein großer Song, ein wichtiger Song. Aber auch der Rest kann sich hören lassen, sei es das warme "Crash on the Highway", das bewegende "Levon's Dream", das entspannte "I Know It's Wrong (But That's Alright)" oder das reduzierte "Forever Is Just A Day" - jeder Titel verströmt einfach eine besondere Magie. Wie gesagt, Small Town Heroes ist vielleicht nicht das innovativste Album des Jahres, aber für mich ist es das liebenswerteste.




Honorable Mentions:


Sharon Jones & The Dap-Kings - Give the People What They Want
Black Prairie - Fortune
Trampled by Turtles - Wild Animals
Loudon Wainwright III - Haven't Got the Blues (Yet)
Woods - With Light and With Love
First Aid Kit - Stay Gold
little hurricane - Gold Fever
Damien Jurado - Brothers and Sisters of the Eternal Son
Joe Henry - Invisible Hour
Strand of Oaks - HEAL
Shovels & Rope - Swimmin' Time
Leonard Cohen - Popular Problems
Mark Olson - Good-bye Lizelle
Béla Fleck & Abigail Washburn - Béla Fleck & Abigail Washburn
John Southworth - Niagara
The Delines - Colfax
Vashti Bunyan - Heartleap
Beta Radio - Colony of Bees
The War on Drugs - Lost in the Dream
Jolie Holland - Wine Dark Sea


Außerdem:


Liebstes Re-Issue: Van Dyke Parks - The Super Chief: Music for the Silver Screen
Liebste EP: Tyler Lyle - Ditchdigger
Liebste Single: Van Dyke Parks - I'm History/Charm School
Liebstes Box-Set: Wilco - Alpha Mike Foxtrot: Rare Tracks 1994-2014


Live: Crossing Border


Eigentlich wollte ich ja ausführlich zum Crossing Border schreiben, aber ich glaube nicht, dass ich das noch auf die Reihe kriege, deswegen hier eine kurze Zusammenfassung. Wie gesagt, das Festival fand in diesem Jahr nicht in Enschede statt, was aber nicht weiter schlimm war, da es uns erlaubt hat, ein Wochenende in Den Haag zu verbringen. Der Nachteil ist freilich der Zeitpunkt im November, sodass wir leider zwei Tage Dauerregen hatten, was das Sightseeing ziemlich beeinträchtigt hat. Nichtsdestotrotz haben wir einiges gesehen: Mein "non-festival" Höhepunkt war unser Ausflug nach Delft mit einem Besuch des Vermeer-Hauses. Delft ist ein malerisches Städtchen mit altertümlichen Gebäuden und Grachten, die überall zwischen den Straßen entlanglaufen. Das Vermeer-Haus hatte zwar nur Reprints zu bieten, gab dafür aber einen sehr interessanten Einblick in das Werk und Leben Vermeers (auch wenn man ja leider kaum was über ihn weiß). Delft hat auch eine gute gastronomische Szene: Wir sind vor dem Regen in ein Bagel-Café geflüchtet, das unglaublich leckere Bagels und wahnsinnig guten Kaffee hatte. Den Haag ist ganz okay; schöner als Rotterdam aber jetzt nicht wirklich speziell. Für einen Tagestrip eignet es sich aber ganz gut, auch wenn die Auswahl an Restaurants etwas zu wünschen übrig lässt. Mein Höhepunkt war der Besuch im Mauritshuis mit seiner unvergleichlichen Sammlung niederländischer und flämischer Künstler. Vor allem, dass ich "Ansicht von Delft" und "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" gesehen habe, hat mir sehr viel bedeutet. Geschlafen haben wir in einem Apartment, das wir über Airbnb gebucht haben. Es war mein erstes Mal, dass ich das gemacht habe, aber die Wohnung war echt super und unsere Gastgeberin sehr nett.

Nun aber zum Crossing Border: Das Festival fand in zwei benachbarten Theatern statt, sowie einem Spiegelzelt, das ein paar Minuten entfernt lag. An sich war alles gut organisiert, es war nur bedauerlich, dass wir in Ian McEwan, Vashti Bunyan und Thurston Moore nicht mehr reingekommen sind, da es so voll war. Generell platzten die Säle aus allen Nähten, was ein wenig anstrengend war, aber nun ja. Die einzelnen Acts:

Arc Iris: Haben fast nur neue Songs gespielt, die noch experimenteller waren als die auf dem Debüt. Auch wenn ich "Money Gnomes" gerne live gehört hätte, die tolle Version von "Powder Train" hat vieles wettgemacht. Sehr spacige Deko, die Sufjan Stevens Konkurrenz macht.

Tramples by Turtles: Haben vor allem ihre superschnellen Bluegrass-Songs gespielt, was für bombige Stimmung gesorgt hat.

Courtney Barnett: Gut, aber leider so laut, dass es kaum auszuhalten war.

Iron & Wine: Sam Beam solo und akustisch, nur stellenweise von einer super Sängerin begleitet. Er sehr intimes Konzert, das mir überraschend gut gefallen hat. So sehr mochte ich ihn schon lange nicht mehr. Viele Songs waren neu arrangiert.

The Felice Brothers: Der Sänger sah extrem ungut aus, aber die Performance war toll. Höhepunkt war ein mitreißendes "Penn Station". Schade, dass sie nicht mehr so gute Platten machen wie früher.

Tweedy: Große Klasse, Tweedy Senior und Sohn Spencer mal live zu erleben. Erst gab es Songs von Sukierae, dann spielte Jeff Tweedy solo Wilco-Lieder, Cover und zum Schluss "California Stars". Nur schade, dass er es nicht lassen konnte, das Publikum anzupöbeln, weil dies angeblich so mürrisch sei: "Cheer up, you fuckers." Spencer twitterte später, Holland sei "weird". Ich kann sie nicht verstehen, denn wenn ich mich umgeschaut habe, habe ich nur lächelnde Gesichter gesehen.

The Delines: Smoothe Performance mit einer unglaublichen Sängerin. Schade, dass wir so wenig Zeit für sie hatten und ich kaum was von Willy Vlautins Ansagen mitbekommen habe.

Clean Pete: Live noch besser als auf Platte, mit absolut umwerfendem Gesang. Scheinen auch ganz lustige Frauen zu sein, doch leider waren sämtlich Ansagen auf holländisch.

Mirel Wagner: Gut, aber so düster, dass es kaum auszuhalten war.

Sharon Van Etten: Hat live noch mal eine ganz andere Qualität, noch eindringlicher, noch intimer. Wer hätte das für möglich gehalten? Außerdem war sie sehr sympathisch und prächtig gelaunt.

Horse Thief: In the end you go to heaven - Finale im obersten Stockwerk, genannt "Heaven". Haben mich stark an Fleet Foxes erinnert, nur mit etwas schrägerem Gesang.


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