Books I've Read: Leila Guerriero - Strange Fruit und Gavin Aung Than - Zen Pencils: Cartoon Quotes from Inspirational Folks

Leila Guerriero - Strange Fruit


 

Wenn ich sage, dass dies keine gute Woche für den Journalismus war, wäre das wohl untertrieben. Ich werde nie verstehen, woher dieser unendliche Hass kommt, schon gar nicht, wenn ich Strange Fruit von Leila Guerriero lese. Als ich das Buch ausgepackt habe (es war ein Weihnachtsgeschenk), musste ich beim Anblick des Titel erst einmal schlucken, hat es mich doch an Billie Holidays Lynchsong erinnert. Mit ihrem "Strange Fruit" hat dieses Buch jedoch nichts zu tun, es ist viel mehr eine Übersetzung des Originaltitels Frutos Extranos. Leila Guerriero ist eine argentinische Journalistin, die für die geradezu literarische Qualität ihrer Reportagen bekannt ist. Literatur und Journalismus in einem? Ich kann schon wieder die Leute sehen, die dabei empört aufspringen, aber ich habe nie verstanden, warum man zwischen diesen beiden Kategorien so eine klare Trennlinie ziehen sollte. In beiden Fällen wird eine Geschichte erzählt, mit dem Unterschied, dass sie in einem Fall wahr ist und in anderem nicht - wenn überhaupt. Es gibt nicht wenige Autoren, die in ihren Büchern wahre Geschichte erzählen, denn oft genug ist die Realität fantastischer als die Fantasie. Und so wie wahre Geschichten in der Literatur auftauchen, taucht die Literatur in wahren Geschichten auf. Gerade in der Reportage ist kaum möglich, ohne literarische Stilmittel zu arbeiten, wenn man dem Leser das Sujet wirklich nahe bringen will.

Kommen wir zurück zum Titel: Es sind in der Tat "merkwürdige Früchte", die Leila Guerriero für ihre Reportagen, oder crónicas, wie sie sie nennt, getroffen hat. Wobei merkwürdig vielleicht das falsche Wort ist - manchmal sind sie besonders, manchmal sind sie skurril, manchmal sind sie unheimlich. Da ist der 2,31 Meter große Jorge, der es als Basketballspieler und Wrestler zu Ruhm und Geld gebracht hat, nur um am Ende krank und verarmt in seinem Heimatdorf zu enden, da ist ein anderer Jorge, ein egozentrischer Arzt, der sich abends auf der Bühne in den "Klon von Freddy Mercury" verwandelt, und da ist Mario Vargas Llosa, der peruanische Nobelpreisträger, der nicht einmal seine eigene Adresse kennt. Jede einzelne dieser Früchte, jede einzelne Crónica ist unvergesslich, sei es der illegale Markt La Salada, der jede Woche schätzungsweise 50 Millionen Euro umsetzt, oder die Welt des Direktvertriebs, in der Frauen glauben, ihr Seelenheil im Verkauf von Schminke und Töpfen gefunden zu haben. Aber in erster Linie sind es die schrecklichen Geschichten, die einen nicht aufhören zu beschäftigen: Die junge Mutter, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurde und nach der Geburt während einer Psychose ihre Tochter erstach, und das Gericht, dass ihr die Vergewaltigung nicht glaubte und sie zu 14 Jahren Haft verurteilte. Die Großmütter in Simbabwe, die ihre Enkelkinder großziehen, weil der Rest der Familie an Aids gestorben ist. Die Studenten, die sich spontan einem forensischen Anthropologen anschließen und die Opfer von Regimen in aller Welt exhumieren, vor allem in Argentinien, und die Familie, deren Sohn während der Militärdiktatur ermordet wurde und die ihre Enkelin erst nach 22 Jahren wiedergefunden und wieder verloren hat. Und dann ist da noch Yiya, die drei Freundinnen vergiftet hat und sich im Ruhm ihres Verbrechen sonnt. Manchmal hat mich das dann schon an "Strange Fruit", das Lied, erinnert, weil es einem genauso in den Adern gefriert.

Dass die Geschichten so unvergesslich sind, ist natürlich auch Guerrieros Stil zu verdanken. Wenn sie schreibt, dann ist das so plastisch, das man tatsächlich das Gefühl hat, neben ihr zu sitzen, in der Hütte im argentinischen Hinterland, in der schlichten Gefängniszelle, im Massengrab. Sie selbst nimmt sich dabei zurück, selbst wenn sie sich bei Gesprächen selbst zitiert, tritt sie doch nie in Erscheinung. Nur bei "Drei traurige Tassen Tee" macht sie eine Ausnahme um zu zeigen, dass Serienmörderin Yiya keinen Respekt vor ihr hat - oder irgendwem. Und Guerriero hat ein Gespür für Details, die oft mehr aussagen als alles andere, etwa wenn sie die Anthropologin zitiert, die keine Schädel in Tüten einpacken kann, weil sie denkt, dass die Leute ersticken.

Strange Fruit ist für mich Journalismus so, wie er sein sollte. Guerriero nimmt ihre Leser mit in Welten, die einem sonst verborgen bleiben, wobei sie die Geschichten stets für sich sprechen lässt. So wird der Leser quasi zu einem Beobachter, auch wenn er nicht direkt dabei war. Am liebsten würde ich all den Leuten, die so voller Hass sind, dieses Buch in die Hand drücken, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es ihnen nichts zu geben hat.


Gavin Aung Than - Zen Pencils: Cartoon Quotes from Inspirational Folks


 

Und noch ein Weihnachtsgeschenk: Ich verfolge Gavin Aung Thans Blog Zen Pencils schon eine Weile, sodass es für mich natürlich außer Frage stand, auch das dazu gehörige Buch zu lesen. Zum ersten Mal ist er mir begegnet, als er Bill Wattersons "A Cartoonist's Advice" im Calvin-and-Hobbes-Stil illustrierte (ich liebe Calvin und Hobbes), das mich so berührt hat wie kaum ein Cartoon zuvor. Und es passte so gut, denn in dem Strip erzählt Gavin Aung Than mehr oder weniger seine Geschichte, wie er seinen langweiligen Grafiker-Job aufgegeben hat, um sich seiner Leidenschaft Cartoons zu widmen. Wie der Untertitel schon sagt, illustriert er dabei inspirierende Zitate von berühmte Persönlichkeiten, von Wissenschaftlern über Politiker und Autoren bis hinzu Künstlern. Oftmals geht es dabei um die Macht der Vorstellungskraft und davon, seinen eigenen Traum zu leben.

Das klingt unglaublich kitschig, doch das ist es zum Glück nicht. Zum einen, weil die Zitate von ausgesprochen intelligenten Menschen stammen, die wissen, wovon sie reden und nicht von sogenannten Motivationstrainern, die das schnelle Geld suchen. Zum anderen, weil Aung Than den Zitaten durch seine Illustration eine ganz neue Dimension eröffnet. Das Paradebeispiel in diesem Buch ist für mich das Gedicht "Invictus" von William Ernest Henley, das der Australier hier mit der Lebensgeschichte von Nelson Mandela verbindet. Da fällt es nicht schwer zu verstehen, warum "Invictus" Mandelas Lieblingsgedicht war, scheint es doch wie für ihn geschrieben. Gleichzeitig ist diese Verbindung so ausdrucksstark wie kaum ein anderer Nachruf. Wenn Mandela im letzten Bild seinen Peinigern die Hand reicht, dann sagt dies tatsächlich mehr aus als tausend Worte. 

Zen Pencils ist also nicht kitschig, aber sehr berührend. Es gab einige Cartoons, bei denen ich so manche Träne verdrücken musste. Und die Comics sind in der Tat alle sehr inspirierend, gerade auch für jeden, der kreativ tätig ist. Das ist manchmal genau die Art von Motivation, die man braucht. Das einzige, was ich an Zen Pencils zu bemängeln habe ist, dass es nicht länger ist. Es fehlen mehrere meiner Lieblingscartoons, darunter auch der Watterson, aber es wird ja hoffentlich eine Fortsetzung geben. Bis dahin gibt es ja immer noch seinen Blog.

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