Records of the Month: Invisible Hour/Wild Animals

Bevor im September eine Lawine von interessanten Alben über uns/mich hereinbricht, kommen wir hier noch zu den beiden Alben, die ich im letzten Monat am häufigsten gehört habe:

Joe Henry - Invisible Hour


 

Die Arbeit von Joe Henry kenne ich schon länger, als mir bewusst ist, schließlich hat er mehrere von mir sehr geschätzte Alben produziert, darunter The Forgotten Arm von Aimee Mann, Strange Weirdos von Loudon Wainwright III, Genuine Negro Jig von den Carolina Chocolate Drops oder zuletzt Tooth & Nail von Billy Bragg. Von seinen Solosachen kenne ich bisher nur Blood From Stars, was mich jedoch sehr beeindruckt hat, insbesondere "Bellwether". Auf seinem 13. Album Invisible Hour widmet sich Henry dem Thema Ehe, doch die Lieder sind alles andere romantisch, sondern eher reflektierend, fast schon philosophisch. Musikalisch ist es weniger jazzig als Stars - doch auch wenn man es am ehesten im Folk-Bereich einordnen kann ist Invisible Hour alles andere als schlicht. Nicht nur sind die Songs im Durchschnitt über fünf Minuten lang, Hooks sucht man vergeblich. Sie sind eher musikalische Kurzgeschichten als klassische Lieder, allen voran das neunminütige "Sign", das von den Erinnerungen eines alternden Weltenbummlers erzählt.

Invisible Hour ist definitiv nicht als Hintergrundmusik geeignet sondern verlangt die ganze Aufmerk-samkeit seines Hörers. Die Texte sind komplex, ebenso die Arrangements, aber Joe Henry wäre nicht Joe Henry, wenn er nicht all die Instrumente perfekt aufeinander abstimmen würde. Die Musik ist wie ein großes Blumenbeet - jeder Bestandteil ist für sich schön, aber alles zusammen genommen ist wahrhaft überwältigend. Dazu tragen übrigens auch illustre Gäste wie Lisa Hannigan, Greg Leisz und die Milk Carton Kids bei, sowie Henrys Sohn Levon, der hier erneut an Klarinette und Saxofon glänzt. Invisible Hour ist ruhig und traurig und warm und bewegend, und es ist ein ganz fantastisches Album.

Trampled by Turtles - Wild Animals


 

Vor einigen Monaten habe ich meine Trampled by Turtles/Lucero-Daytrotter-LP beim Zollamt abgeholt, woraufhin der irgendwie sehr verwirrte Beamte wissen wollte, um was in aller Welt es hierbei für Musik handelt. "Pferdemusik?" "Nein?!" "Countrymusik?" Ich überlegte eine Weile, wie ich es ihm am besten erkläre, habe es dann aber bei einem "ja" belassen, um nicht noch mehr Zeit dort zu verbringen. Tatsache ist, dass es gar nicht mal so leicht ist, die Musik von Trampled by Turtles zu beschreiben. Man könnte es sicher "Bluegrass" nennen, aber es ist noch mehr als das, wie auch auf ihrem neuen Album Wild Animals deutlich wird. Der Titelsong ist ein erstaunlich unwildes und für einen Opener überraschend langsames Stück mit einem ausgedehnten "Ooohhh"-Chor, "Nobody Knows" ist ein Old-Timey-Song im Stil der Stanley Brothers, "Come Back Home" ein rasanter Wettstreit zwischen Zupf- und Streichinstrumenten, der an ihre älteren Sachen erinnert. Mein Favorit ist jedoch das verträumte "Lucy", mit seiner zarten Instrumentierung, die im Verlauf immer üppiger wird.

Auch wenn "Widower's Heart" immer noch das TBT-Nonplusultra für mich ist, handelt es sich bei Wild Animals um sehr guten und abwechslungsreichen Bluegrass with a twist, den sich niemand, der ansatzweise etwas mit dieser Musikrichtung anfangen kann, entgehen lassen sollte.

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