Heavy Rotation: Tyler Lyle - Ditchdigger


Es gibt kaum einen besseren Start in den Tag als eine E-Mail von Bandcamp mit dem Hinweis, dass Tyler Lyle über Nacht überraschend eine neue EP veröffentlicht hat. Im Moment hinke ich bei Neuerscheinungen hoffnungslos hinterher, aber Ditchdigger musste ich mir umgehend anhören. Ich meine, fuck, Tyler Lyle! Zumal die Veröffentlichung seiner letzten EP Expatriates ja auch schon wieder ein gutes Jahr her ist (von Alben fange ich hier jetzt gar nicht an...).

Nichtsdestotrotz finden sich auf Ditchdigger einige Anknüpfungspunkte an Expatriates: Es gibt (noch) eine Version von "Werewolf" und der Refrain des Titelsongs war auch schon bei "Rodanthe" zu hören. Ansonsten hat sich Lyle aber thematisch von der Mythologie verabschiedet und ist im Hier und Jetzt angekommen. Auch musikalisch betrachtet ist Ditchdigger "moderner", wenn man so will. "A Song to Sing" präsentiert sich überraschend frisch und poppig (und ein bisschen Vampire-Weekend-artig) mit seinem galoppierenden Rhythmus und dem Mitsing-Refrain. Das ist die Musik, die sie im Radio spielen sollten. Ganz zu schweigen davon, dass "The neighbors say we can't play our music loud and they say that we're never gonna make it out of this town, but i'm bound to the sound of Randy Newman on the stereo" einfach eine Killerstrophe ist. Auch das bereits erwähnte Titellied ist ein sonnendurchfluteter Popsong, das mit "I choose my eyes wide open and my heart half broken all the time" eine der wohl schönsten Eröffnungszeilen der Musikgeschichte zu bieten hat.

Aber es ist nicht alles Sonnenschein, denn mit "Young Men" und "You" bietet Ditchdigger auch zwei ruhige und nachdenkliche Songs. Ersteres ist eine zarte, klavierverstärkte Akustiknummer über den Wunsch der Jugend nach Unsterblichkeit, während es sich bei "You" um einen etwas anderen Break-Up-Song handelt. Hier geht es nicht um Schmerz und Wut und den anderen wiederhaben wollen, sondern einfach nur die Erkenntnis, das mit jeder Trennung auch ein bisschen von sich selbst verliert: "And it's not that I'm unhappy and it's not that I'm still blue, it's just that I don't like myself as much as I liked myself with you." Das ist in seiner Schlichtheit und Ehrlichkeit trauriger und bewegender als so manche emotionsgeladene Herzschmerznummer - und unsagbar schön.

Auch wenn Ditchdigger nicht über so einen großen Song wie "Ithaca" verfügt und The Golden Age & The Silver Girl in meiner Gunst für immer unerreichbar sein wird, ist Tyler Lyle mal wieder eine EP voll großartiger Songs gelungen mit hinreißenden Melodien und Textzeilen, die man sich am liebsten aufschreiben und einrahmen möchte. Wenn es dann noch in naher Zukunft ein richtiges Album gibt, dann bin ich überglücklich.

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