Records of the Week: 3rd/Teeth Dreams

The Baseball Project - 3rd


Wer mich kennt weiß, dass ich mit Sport nicht viel anfangen kann. Genau genommen überhaupt nichts. Von daher hätte ich mir nie die Alben einer Band namens The Baseball Project angehört, wenn eins der Mitglieder nicht Scott McCaughey wäre, Kopf von The Minus 5 und The Young Fresh Fellows, Ex-Aushilfsgitarrist von R.E.M. und Angehörger diverser anderer musikalischer Vereinigungen. Anfangs war ich skeptisch, da ich fast nichts über Baseball weiß (es dafür aber auch nicht so sehr hasse wie, sagen wir mal, Fußball), aber McCaughey und seine Kollegen Steve Wynn, Peter Buck und Linda Pitmon waren so nett, ihre Songs im Booklet für unbedarfte Europäer zu erklären. Wie sich herausstellte, hat Baseball tatsächlich eine Vielzahl unglaublicher Geschichten zu bieten, die das Quartett in unglaubliche Songs verwandelt hat. Da ist Harvey Haddix, der 12 perfekte Innings warf und im 13. scheiterte, da ist Sandy Koufax, der sich zwischen Gesundheit und Karriere entscheiden musste, da ist "Black Jack" McDowell, der nach einer Sauftour mit der Hälfte von R.E.M. eine bescheidene Leistung auf dem Spielfeld abliefert und den buhenden Fans den Mittelfinger zeigte. So wurde Volume 1: Frozen Ropes and Dying Quails wider Erwarten zu einem meiner meist gehörten Alben überhaupt.

Volume 2 war zwar auch ein gutes Album, fiel im Vergleich zur Volume 1 jedoch etwas ab, trotz Gastauftritt von The Hold Steadys Craig Finn. Nun also 3rd. Und das soll ich sagen? Die Gruppe zeigt sich in Topform. Auch wenn Volume 1 für mich nach wie vor unerreicht ist, haben The Baseball Project - denen mit Mike Mills jetzt noch ein drittes R.E.M.-Mitglied angehört - wieder grandiose Geschichten parat. Da ist Larry Yount, dessen Major-League-Karriere dank einer Verletzung bereits nach dem ersten Aufwärmen zu Ende war, da ist Pascual Perez, der sich auf dem Weg zu seinem eigenen Spiel verirrt, da sind Luis Tiant und Orlando Hernandez, die für eine Karriere in der Major League aus Kuba fliehen und ihre Familien zurücklassen mussten. Das alles paaren The Baseball Project wieder mit einer charmanten Mischung aus College Rock und Jangle Pop zwischen R.E.M. (natürlich) und den Replacements, sowie Elemente von Bluegrass ("The Baseball Card Song"), Soul ("Extra Inning of Love") und Johnny Cashs Werk ("A Boy Named Cy"). Und "Take Me Out to the Ball Game" spielen sie auch.

Fazit: Wer Baseball oder R.E.M. mag, sollte sich 3rd unbedingt anhören. Wer das nicht tut, auch.




The Hold Steady - Teeth Dreams



Wo wir gerade über oft gehörte Alben sprechen: Boys and Girls in America ist auch so eins. The Hold Steady haben die wunderbare Gabe, extrem fetzige Mitgröhl-Rocksongs mit poetischen Geschichten über Menschen zu verbinden, die durch Drogen und/oder den Katholizismus zerstört wurden. Für lange Zeit war ich diesem Universum verloren und hörte mich immer wieder durch ihre Alben, eben ganz besonders durch Boys and Girls. Was hat diese Band für große Songs geschrieben, allen voran "Stuck Between Stations", das die Geschichte von John Berrymans Suizid mit Anspielungen auf On the Road paart. Doch dann kam Heaven Is Whenever, das zwar nicht wirklich schlecht war, aber auch nicht ansatzweise so ergreifend wie seine Vorgänger.

Nichtsdestotrotz habe ich vier lange Jahre sehnsüchtig auf den Nachfolger Teeth Dreams gewartet. Ich hatte die große Hoffnung, dass The Hold Steady nach ihrem "Ausrutscher" wieder zu alter Größe zurückgefunden haben, aber auch Teeth Dreams kann mich nicht hunderprozentig überzeugen. Der Hauptgrund liegt meiner Ansicht nach in dem Weggang von Franz Nicolay. Der Multiinstrumentalist hatte die Band 2010 noch vor der Produktion von Heaven Is Whenever verlassen - einer Tatsache, der ich zunächst nicht so viel Bedeutung beimaß angesichts der Brillanz von Craig Finns Songwriting. Nun denke ich jedoch, dass ich Nicolays Einfluss unterschätzt habe. The Hold Steady haben immer noch catchige Songs und kaputte Figuren, aber auch nicht mehr. Früher gab es da immer die anderen Lieder, die auch ruhigere Töne anschlugen, wie "First Night" oder "Lord, I'm Discouraged". Auf Teeth Dreams fehlen diese leisen Stücke, die auch mal das Klavier in den Vordergrund stellen, und mit ihnen der musikalische Abwechslungsreichtum. Sie fehlen so sehr. Alles was ich fühle, wenn ich das Album höre, ist Phantomschmerz. Der einzige Song, der ein bisschen an früher erinnert ist das neunminütige "Oaks", aber es ist nicht das Gleiche.

Fazit: Teeth Dreams hat zweifellos einige griffige Songs, doch mit Großtaten wie Separation Sunday, Boys and Girls in America und Stay Positive kann es nicht mithalten. There's something missing, I know.


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