Crossing Border Enschede 2013 (Part 1)


So, kommen wir nun zum Crossing Border. Nach der tollen ersten Auflage im letzten Jahr konnte ich es kaum erwarten zu erfahren, wer in diesem Jahr in Enschede auftritt. Nachdem Phosphorescent in einer der ersten Ankündigungen auftachte, war ich mir schon zu, sagen wir mal, 70 Prozent sicher, dass ich dorthin fahre. Als ein paar Wochen danach Shovels & Rope bestätigt wurden, war die Sache klar. Shovels & Rope! Villagers waren dann noch eine nette Zugabe.

Insgesamt ist das Line-up nicht ganz so phänomenal ausgefallen wie im letzten Jahr, aber es ist auch schwer - wenn nicht gar unmöglich - Patterson Hood/Craig Finn/Will Johnson und Michael Chabon zu toppen. Die meisten Musiker habe ich mir erst in den Wochen vor dem Festival zu Gemüte geführt. Da mir praktisch alle von ihnen gefallen haben, war mein Timetable ganz gut gefüllt. Die Überschneidungen hielten sich glücklicherweise in Grenzen, nur dass Lucius und Villagers eine halbe Stunde lang gleichzeitig auftraten störte mich ein wenig.

Was das ganze Drumherum betrifft, hat sich wenig geändert. Ich schlief wieder in derselben Pension in Epe, da es in Enschede immer noch kein Hostel gibt. Dieses Jahr fuhr ich aber mit dem Auto nach Holland, da die Konzert länger gingen (offiziell bis Mitternacht). Außerdem boten sie in diesmal auch eine Parkkarte an, sodass man für fünf Euro pro Abend sein Auto dort abstellen konnte, anstatt wie üblich zehn oder zwölf Euro bezahlen zu müssen. Überhaupt war bei der zweiten Auflage alles noch etwas besser organisiert als beim ersten Mal. So gaben sie einen Flyer aus, auf dem das Programm sowie wichtige Informationen vermerkt waren - in Niederländisch und Englisch. Das war ganz praktisch, denn es gibt ja doch einige, die für das Festival tatsächlich eine Grenze überqueren.

Gablé hatten schon angefangen, als ich den Saxion Zaal betrat. Es war sehr voll, aber ich fand noch einen Stehplatz, von dem aus ich einigermaßen etwas sehen konnte. Ich war im Vorfeld "gewarnt" worden, dass die Franzosen wild sind, und tatsächlich: Manchmal hatte die Show eher was von einem Musiktheater, etwa wenn zwei Mitglieder auf der Bühne herumhopsen, während der Dritte eine Hip-Hop-Parodie loslässt (zumindest nehme ich an, dass es eine Parodie war, angesichts der Tatsachen, dass sich das Rappen eher wie Stottern angehört hat). Sie hatten zahlreiche Instrumente und Effekte im Einsatz; einmal spielte einer der beiden Männer sogar zwei Blockflöten gleichzeitig. Ein Song wurde auch von der Frau gesungen - mit Babystimme, was dazu führte, dass das gesamte Publikum am Ende des Lieds "awww" machte.


Ich blieb allerdings nur 20 Minute bei Gablé, da ich unbedingt Lucius sehen wollte. Lucius ist eine von diesen Bands, die bis vor kurzem noch völlig unbekannt waren aber mit einem Mal in aller Munde sind (na ja, fast aller). Ihr Debütalbum Wildewoman ist kurz vor dem Festival erschienen. Ich habe mich praktisch sofort in die Band verliebt und konnt es kaum erwarten, sie live zu sehen.

Die beiden Sängerinnen, Jess und Holly, erschienen im Partnerlook auf der Bühne: beide trugen blonde Bobs sowie ein knappes schwarzes Kleid mit grünem Blazer. Das sah schon ganz interessant aus. Begleitet wurden sie von drei Männern in schwarz an Gitarre, Bass und Schlagzeug (sie selbst spielten auch Keyboards und diverse Percussioninstrumente). Und was soll ich sagen: Sie waren wahnsinnig gut. Holly und Jess haben großartige Stimmen, die stellenweise noch durch den Gesang der Männer ergänzt wurden. In erster Linie spielten sie natürlich Stücke von Wildewoman, die etwas experimenteller daherkamen als auf Platte. Das ist Popmusik, wie man sie sich wünscht. Mein einziges Dilemma war, dass sie so gut waren, dass ich mich nicht wie geplant nach einer Dreiviertelstunde verabschieden konnte, um Villagers zu sehen. Stattdessen blieb ich bis zum Schluss, da ich auch unbedingt noch "Turn It Around" hören wollte, mein Lieblingssong von ihnen:


Ich war sehr froh, dass ich geblieben war, denn zuletzt verließen sie die Bühne und spielten mitten im Publikum, passenderweise "Goodbye" (wenn ihr genau hinschaut, könnt ihr mich im Hintergrund sehen, aber zum Glück kann man mich nicht richtig erkennen!):


Danach eilte ich in den großen Saal des Wilminktheaters, um Villagers zu sehen. Es war erwartungsgemäß sehr voll, aber ich bekam noch einen Platz direkt neben dem Mischpult. Begleitet wurde (der sehr kleine) Conor O'Brien sowohl von einer fünfköpfigen Band als auch vom zehnköpfigen Stargaze Orchester. Sie spielten gerade "The Bell", was sich in voller Besetzung noch umwerfender anhörte als die Studioversion. Conor sang aber auch solo, sowie in Begleitung von zwei Gitarristen. Das Trio wählte "My Lighthouse", da das Crossing Border "a literary festival" sei: "So we're playing our most literary songs and this one's especially literary". Daneben sang er noch einen neuen Song namens "Untitled #2". Höhepunkt war jedoch "Grateful Song" (wieder mit Orchester) in einer absolut überwältigenden Version:


Epic! Schade, dass ich nur eine gute halbe Stunde von ihnen mitbekommen habe. Dabei spielten sie schon etwas länger als geplant, sodass ich von Mighty Oaks nur noch einen Song hören konnte, eine flotte Folk-Rock-Nummer. Aber die Berliner bringen bald ihr erstes Album auf und gehen dann auf Tour, das sollte man im Auge behalten.


Danach folgte schließlich Phosphorescent, worauf ich mich mit am meisten gefreut hatte. Während der Moderator noch rätselte, ob der Bandname nun PHOSphorescent oder PhosphoREScent ausgesprochen wird, betraten Matthew Houck und seine Kumpanen die Bühne. Houck trug sehr enge Jeans, dazu ein weites weißes Hemd und ein ziemlich altes Mets-Cap, das er jedoch nach dem ersten Song ablegte. Leider wirkte er ziemlich muffelig; der Musik tat das zum Glück keinen Abbruch. Anfangs erinnerten Phosphorescent mich sehr an Jason Molina, mit den schweren E-Gitarren und den dominanten Drums, bevor sie zum leicht elektronischen "Song for Zula" wechselten - zur Freude des Publikums:


"Muchacho's Tune" spielte Houck allein auf dem E-Piano, bevor bei "Wolves" in die Vollen ging: Er nahm mehrere Passagen auf und legte sie übereinander, sodass der Song am Ende tatsächlich ein wenig wie das Heulen eines Wolfes klang. Das war schon ein starkes Konzert. Nur schade, dass er nicht "It's Hard to Be Humble" gespielt hat (womit ich aber nicht ernsthaft gerechnet hatte).

Zu guter Letzt ging ich dann zu Glen Hansard, der seit dem Film Once (den ich peinlicherweise immer noch nicht gesehen habe) einer der bekanntesten irischen Musiker ist. Außerdem hat er häufiger mit Lisa Hannigan zusammengearbeitet, die mich im letzten Jahr extrem begeistert hatte. Wie zu erwarten war es brechend voll, aber ich konnte ich mich noch in der hintersten Ecke des Saals auf die Stufen setzen. Auch er hatte ziemlich viele Leute dabei, genauer gesagt eine elfköpfige Band inklusive Streichquartett und Bläsertrio. Zudem schaute gelegentlich eine Sängerin namens Charlotte vorbei. Einen Song spielte Hansard jedoch allein auf dem Klavier.

Ich hatte nur kurz in sein letztes Album reingehört, sodass ich die meisten Lieder nicht kannte. Ich war überrascht, dass sie live viel experimenteller klangen. In einen Song baute das Streichquartett etwa "Twinkle, Twinkle, Little Star" ein. Das gefiel mir alles viel besser, als ich zunächst erwartet hatte. Auch Glen schien es gut zu gefallen, denn obwohl es bereits nach Mitternacht war, machte er keinen Anstalten, die Bühne zu verlassen. Bei "Mercy" (oder so) wiederholte er gar mehrmals den Refrain, weil er einfach nicht aufhören zu wollen schien.

Der absolute Höhepunkt war jedoch das Finale: Wie Lisa Hannigan letztes Jahr kamen Hansard und seine Band am Bühnenrand zusammen und spielten unverstärkt ein Cover: "Passing Through" von Leonard Cohen. Das war ich natürlich völlig aus dem Häuschen. Band und Publikum sangen gemeinsam dieses wunderbare Lied, das die Bläser mit einigen vorzüglichen Soli anreicherten. Einen besseren Abschluss hätte ich mir nicht vorstellen können:


Ich war sehr zufrieden, als ich mich auf den Rückweg machte. Der erste Tag hätte schon mal nicht schöner sein können, sodass ich mich erst recht auf den zweiten freute. Doch mehr dazu beim nächsten Mal.

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