A Dutch Excursion: Rotterdam Or Anywhere

Am Tag der Abreise war ich recht früh zum Bahnhof gekommen, außerdem hatte mein Zug Verspätung, sodass ich mich einfach für eine Weile ins Foyer der Centraal Station setzte und erneut die reichhaltigen Wandverzierungen anschaute. Ich war sehr traurig, Antwerpen schon verlassen zu müssen, denn ich fühlte mich dort ausgesprochen wohl. Bis dahin hatte ich schon wieder vergessen, wie es sich anfühlt, in einer Stadt zu sein, die man mag. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort nach Antwerpen ziehen. Außerdem musste ich feststellen, dass zwei Tage kaum ausreichen, um sich die Stadt anzusehen. Ich hatte mir eigentlich noch Het Zuid und Zurenborg anschauen wollen, die für ihre kleinen Geschäfte bzw. ihre Architektur bekannt sind, aber das habe ich nicht mehr geschafft. Nun ja, wenigstens habe ich so einen Grund noch einmal nach Antwerpen zu fahren.

Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern habe noch einen kleinen Zwischenstopp in Rotterdam eingelegt, da ich dort eh umsteigen musste. Ihr erinnert euch sicher noch an den Song "Rotterdam (Or Anywhere)" von The Beautiful South, der ein Riesenhit in den Neunzigern war. Nun bin ich kein Fan der Band und halte das Lied auch nicht für besonders gelungen (ganz abgesehen davon, dass Rotterdam dort nicht besonders gut wegkommt), aber jedes Mal wenn ich den Song damals im Radio gehört habe, wollte ich nach Rotterdam fahren. Mit ein bisschen Verspätung hat sich also nun die Gelegenheit ergeben.

Am Bahnhof habe ich erstmal mein Gepäck eingeschlossen, wobei ich tatsächlich für einen ganzen Tag im Voraus bezahlen musste. Danach bin ich zur Metro gegangen und habe mir ein Tagesticket gekauft, da mein Rücken und meine Füße so weh taten, dass ich kaum noch laufen konnte. Meine erste Station war der Eendrachtsplein, genauer gesagt das Museum Boijmans Van Beuningen. Dort angekommen, habe ich erst einmal 20 meiner 340 Minuten damit verplempert, nach einem Geldautomaten zu suchen. Nachdem ich das Eintrittsgeld zusammen hatte, betrat ich das Museum, das als eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt gilt. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, trotz des relativ stolzen Preises von 12.50€. Dafür lief im Foyer The Velvet Underground & Nico, was für einen positiven ersten Eindruck gesorgt hat. Ich habe mich nur geärgert, dass zu früh dran war für die Kokoschka-Sonderaustellung, die hätte ich sehr gerne gesehen. [Mein Opa hatte übrigens Bildbände sowohl vom Boijmans als auch von Kokoschka.]

 

Im Erdgeschoss befanden sich Werke aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die natürlich in erster Linie religiös geprägt waren, unter anderem von Hieronymus Bosch. Das mit Abstand bekannteste Werk, um das sich dementsprechend viele Besucher versammelten, war der (kleine) "Turmbau zu Babel" von Pieter Bruegel dem Älteren:

 

Daran schlossen sich die Maler des Goldenen Zeitalters der niederländischen und flämischen Malerei an, darunter natürlich Rembrandt (mit "Titus an seinem Tisch") und Rubens (mit dem "Porträt einer Frau"). Ein Bild, das mich jedoch besonders fasziniert hat, war die "Flagellanten-Prozession" von Gerard ter Borch. Das Bild nimmt eine besondere Stellung in ter Borchs Werk ein, da er sonst eher das häusliche Leben porträtiert hat, fernab jeglicher Gewaltdarstellung. Ich fand es erstaunlich, wie sehr die Kleidung der Flagellanten den Aufzügen des Ku Klux Klan ähnelt:



Der Teil des Museums, der mich besonders interessiert hat, waren die Bilder aus dem 18. bis 20. Jahrhundert, darunter (Post-)Impressionisten wie Monet, Manet, Sisley, Cézanne, Degas und Van Gogh und Expressionisten wie Munch:





 

Im nächsten Raum ging es weiter mit Modernem, Abstraktem und Surrealem, unter anderem von Max Beckmann, Kandinsky, Mondrian, Dalí, Magritte und Rothko. Außerdem gab es einen abgetrennten, verdunkelten Raum, in dem sich Zeichnungen von Pablo Picasso befanden.




 

Im Untergeschoss befand sich schließlich noch eine Design-Ausstellung, die einige ältere Skulpturen, unter anderem von Rodin, aber hauptsächlich modernere Werke zeigte:



 

Boijmans ist ohne Zweifel eins der besten Kunstmuseen, die ich jemals besucht habe, denn dort sind fast alle namhaften Künstler der letzten sechs Jahrhunderte vertreten. Allerdings fühlte ich mich am Ende schon ein wenig erschlagen angesichts der vielen Meisterwerke, und das obwohl sie immer nur einen Teil ihrer Sammlung ausstellen können. Wer einmal in Rotterdam ist, sollte sich das Museum auf jeden Fall ansehen.


Anschließend fuhr ich weiter zum Delfshaven, der als einer der schönsten Orte in Rotterdam gilt. Es ist nicht schwer zu verstehen warum, denn das Viertel ist nicht nur sehr pittoresk, es vereint alles, was typisch für die Niederlande ist: die Grachten, die Boote, die Fahrräder und sogar eine Windmühle. Noch holländischer hätte es nur sein können, wenn Frau Antje höchstpersönlich mit einer Käserolle unterm Arm vorbeispaziert wäre:

 

Ein weiteres Wahrzeichen des Delfshaven ist die Oude Kerk. Dort haben die Pilgerväter im Juli 1620 gebetet, bevor sie via Southampton in die Neue Welt aufgebrochen sind:


Danach fuhr ich noch zum Oude Haven, der ganz nett ist, wenn auch nicht so hübsch wie Delfshaven. Außerdem ist er so von Cafés umringt, dass man kaum ans Ufer kommt:

 

Dort befinden sich auch die berühmten Würfelhäuser, in denen mittlerweile eine Jugendherberge untergebracht ist. Ansonsten ist die Innenstadt von Rotterdam nicht besonders schön, um nicht zu sagen hässlich. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg in Grund und Boden gebombt, sodass sie heute größtenteils aus schrecklicher Beton-Architektur besteht. Das einzige noch halbwegs ansehnliche Gebäude ist die Laurenskerk.



 

Ich fuhr schon knapp eine Stunde vor Abfahrt meines Zuges zurück zum Bahnhof, da ich absolut nicht mehr stehen konnte und ich ohnehin das Wichtigste gesehen hatte. Das war auch ganz gut so, denn kurz darauf zog ein Gewitter auf und das war wie wir alle wissen das Ende des Sommers. Dennoch hätte ich gerne noch etwas mehr Zeit in der Gegend verbracht, um mir Den Haag und Delft (wegen Vermeer) anzusehen. Ich machte noch einen kleinen Abstecher zum Albert Heijn, wo ich unter anderem wieder eine Cola mit Namen kaufte, die diesmal "Judith" hieß, was mich irgendwie auch an Judy Garland und die Bibel erinnerte.

I Miss A Lot of Trains


Mein Zug fuhr pünktlich um 16 Uhr ab. Wie auf der Hinfahrt musste ich eigentlich nur in Amersfoort umsteigen. Eigentlich, denn wie auf der Hinfahrt lief es nicht so wie geplant. Als wir in Utrecht hielten, stiegen zu meiner Verwunderung alle Passagiere aus. Okay, Utrecht ist eine große Stadt, aber das alle ausstiegen fand ich schon ein bisschen seltsam. Als daraufhin jedoch wieder ein paar Leute einstiegen, dachte ich zunächst, dass es sicher gleich weitergehen würde, aber der Zug machte keine Anstalten, abzufahren. Da bekam ich doch ein ungutes Gefühl. Es hatte zwar eine Durchsage gegeben, aber sie war nur auf Holländisch und ich dachte, sie dreht sich um die Anschlusszüge. Als ich ausstieg sah ich auf der Anzeige, dass der Zug nach Den Haag fuhr, also genau in die entgegensetzte Richtung! Glücklicherweise stand dort auch ein Schaffner, den ich fragte, ob der Zug nicht bis nach Amersfoort führe. Nein, antwortete er, wenn ich nach Amersfoort wollte, müsste ich über Hilversum fahren.

Auch das noch. Ich eilte also in die Bahnhofshalle, wo zu lesen war, dass ein Zug zwischen Utrecht und Amersfoort "gestrandet" und die Strecke deshalb gesperrt war. Glücklicherweise fand ich relativ schnell das Gleis für den Zug nach Hilversum, an dem es natürlich brechend voll war. Ich war schon ein wenig in Panik, weil die Züge ja nicht bis in die Puppen nach Deutschland fahren und ich schon einmal abends in den Niederlanden fest saß. Schließlich war es bereits kurz nach fünf und die Chance meinen IC um 17:37 Uhr zu erreichen hielt ich für ziemlich gering.

Um 17:11 Uhr kam der Zug Richtung Hilversum, wo ich dann glücklicherweise schon 20 Minuten später einen Zug nach Amersfoort nehmen konnte, auch wenn ich trotzdem meinen IC verpasste. Es wird ja immer viel auf Smartphones geschimpft, aber in diesem Fall war es gut, dass ich eins dabei hatte, da ich so schnell nachsehen konnte, wie ich am besten nach Deutschland komme. Um 17:54 Uhr nahm ich zunächst den Zug nach Hengelo, wo ich eine gute Stunde später ankam und erst einmal nach dem Abstellgleis suchen musste, von dem die Züge Richtung Deutschland abfahren. Das Gewitter hatte mittlerweile nachgelassen. Die ganze Umgebung war in ein goldenes Licht getaucht und die Luft war angenehm frisch, fast wie eine Meeresbrise.

Knapp eine Stunde später fuhr ich zunächst nach Bad Bentheim. Als der Zug am Gleis ankam, fuhr gegenüber ein Güterzug mit Militärfahrzeugen vorbei, sodass sich die Türen erst öffnen ließen, nachdem dieser Zug den Bahnhof passiert hatte. Das ist mir auch noch nie passiert. Was glauben sie denn? Dass jemand in Holland in den Zug steigt, um in Bad Bentheim einen Militärtransport abzupassen? Ts ts.  Am Ende ging alles noch ganz gut aus und mit einer Stunde Verspätung kam ich Zuhause an.

Auch wenn mein Trip nach Belgien (und Holland) sehr kurz war, war ich doch sehr froh, dorthin gefahren zu sein. Das brennende Verlangen, das mich seit der Lektüre von Austerlitz verfolgt hatte, konnte ich so tatsächlich stillen, auch wenn in "nur" in Antwerpen war. Ich möchte mir aber auf jeden Fall noch mehr von Belgien ansehen.

Das letzte Lied, das mein MP3-Player vor der Ankunft abspielte, war übrigens - ungelogen - dieses hier:




P.S. Die nächste Reise steht schon fest: Nächste Woche fahre ich zum Crossing Border Festival nach Enschede. Was ich im letzten Jahr dort erlebt habe, könnt ihr hier und hier nachlesen.


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