Books I've Read: Dannie Abse - There Was a Young Man from Cardiff


Eigentlich wollte ich die Besprechung damit beginnen zu erzählen, was Dannie Abse mir bedeutet. Tatsache ist jedoch, dass ich das nicht kann. Dazu bedeutet er mir einfach zu viel. Ich habe ihn auf dieselbe Weise kennen gelernt wie Sebald, durch Grahame Davies' vorzügliche Anthologie über das Judentum in Wales, nur dass Dannie Abse mich vom ersten Augenblick an so umgehauen hat, dass ich auf der Stelle alles von ihm lesen wollte. Das ist natürlich nicht so leicht, da seine Karriere mittlerweile etwa 65 Jahre umspannt und sein Oeuvre dementsprechend umfangreich ist, und zum anderen, weil er für meine Begriffe criminally underrated ist und viele seiner Werke nur noch antiquarisch zu haben sind.

Ich hatte ja erwähnt, dass ich eine Zeit lang privat zu dem Thema Judentum in Wales recherchiert habe nachdem ich Solomon & Gaenor gesehen hatte, mit mehr als dürftigen Ergebnissen. Als ich dann jedoch auf Dannies Werk gestoßen bin, war das wie eine Offenbarung, denn das war genau das, was ich gesucht habe: Erzählungen darüber wie es ist, walisisch und jüdisch zu sein. Hauptberuflich hat er als Arzt gearbeitet; als Schriftsteller ist er vor allem für seine Gedichte bekannt. Ich mag seine Poesie wirklich sehr - schließlich habe ich meinen Tumblr nach einem Gedicht von ihm benannt und "Return to Cardiff" ist mein Lieblingsgedicht - aber noch mehr liebe ich seine Prosa. Seine Bücher sind häufig autobiographische Fiktion, das heißt, es tauchen dort reale Personen auf, zum Beispiel seine Brüder, aber ob die beschrieben Szenen wirklich so geschehen sind, wird offen gelassen. Das ist etwas, das ich sehr reizvoll finde.

Nun also There Was a Young Man from Cardiff, das die Fortsetzung zu seinem Meisterstück Ash on a Young Man's Sleeve ist. Es ist genau genommen kein Roman, sondern eine Sammlung miteinander verbundener Kurzgeschichten. Der erste Teil 'The Name of the Story' beschäftigt sich mit Abses Kindheit und Jugend in Cardiff während des Zweiten Weltkriegs, der zweite Teil 'Double Footsteps' beschreibt die Besuche des jungen Arztes in seiner Heimatstadt und der dritte Teil 'Ogmore Elegies' spielt in seinem späteren Wohnort Ogmore-by-sea. Dazwischen gibt es kurze Einschübe, Focus genannt, in denen Dannie Geschichten erzählt, die auf den ersten Blick nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben, beispielsweise wie der ehemalige Sowjetpolitiker Lavrentiy Beria den Tod Stalins erlebt.

Das zentrale Thema des Buches ist Täuschung. Nicht nur weiß man nicht, was Wahrheit und Fiktion ist, viele Episoden sind auch von einer surrealen, rätselhaften Qualität. Besonders deutlich wird das in der Kerngeschichte 'Madagascar', in der der junge Doktor Abse in eine Ehekrise gerät, die aus einem möglichen Identitätswechsel resultiert - was zu einer geradezu hitchcockartigen Spannung führt. Ansonsten zeichnet sich There Was... durch die gleichen Merkmale aus wie seine anderen Bücher. In einem Moment ist es brüllend komisch, und dann wieder von zarter Tragik. Es ist umwerfend poetisch geschrieben, und - das mag ich besonders - voller Warmherzigkeit. Obwohl manche Familienmitglieder sehr schrullig sind, stellt Abse sie nie bloß, sondern beschreibt sie immer mit einer gewissen Liebenswürdigkeit.

Ich werde nie verstehen, warum Dannie Abse nicht bekannter ist. Er ist so ein großartiger Schriftsteller, der einem so viel zu geben hat. Jeder sollte wirklich ein bisschen Dannie in seinem Leben haben.

Kommentare