Movie Night: 45 Years



Nach der Extravaganza mit Sufjan am Samstag stand am Sonntag Kino auf dem Programm. 45 Years erwies dabei als echter Kontrast, denn der Film von Andrew Haigh ist geradezu minimalistisch. Er erzählt die Geschichte von Kate (Charlotte Rampling) und Geoff Mercer (Tom Courtenay), die seit 45 Jahre verheiratet sind. Ihren Hochzeitstag wollen die beiden groß feiern, nachdem die Party zum 40. aufgrund von Tom Bypass-Operation ins Wasser fallen musste. Eine Woche vor der geplanten Feier bekommt das Paar jedoch erneut eine Nachricht, die ihre Planung ins Wanken bringt. Schweizer Behörden haben die Leiche von Toms ehemaliger Freundin Katja gefunden, die 50 Jahre zuvor auf einer Wanderung nach Italien in eine Gletscherspalte fiel. Während Tom erneut um seine Freundin trauert, sieht sich Kate mit einem Geist aus der Vergangenheit konfrontiert.

Haighs Drehbuch, das auf einer Kurzgeschichte von David Constantine beruht, folgt den beiden durch die Woche. Je mehr Kate über ihre Vorgängerin erfährt, desto mehr beginnt sie an ihrer Ehe zu zweifeln, während Tom jegliches Interesse an sozialen Aktivitäten verliert und Trost in der Einsamkeit sucht. Das normale Leben läuft irgendwie weiter, doch das Drumherum ist nicht das, was in 45 Years eine Rolle spielt. Nein, der Film konzentriert sich ganz auf das Innenleben seiner Protagonisten. Sowohl Charlotte Rampling als auch Tom Courtenay liefern eine sensationelle Performance ab, die den Zuschauern auch ohne große Worte das Gefühlschaos ihrer Charaktere vermittelt. Haigh gibt diesem "inner turmoil" Raum: Oft ist die Kamera auf den Gesichtern, meist auf Ramplings fixiert, sodass ihre Reaktion anstatt des eigentlichen Geschehens in den Vordergrund gestellt wird. Besonders meisterhaft ist dies in einer Szene dargestellt, in der Kate sich alte Dias von Geoff und Katja anschaut. Die Fotos sind nur zu erahnen, aber Ramplings Gesichtsausdruck vermittelt alles, was man wissen muss.

45 Years ist ein ruhiger und gemächlicher Film, so wie das ländliche Norfolk, wo Kate und Geoff wohnen; vor allem ist er aber eine große Charakterstudie. Haigh zeigt ein Paar, das den Großteil seines Lebens miteinander verbracht hat, in allen Facetten und stellt die Frage, wieviel eine Ehe aushalten kann. Beantwortet wird diese Frage nicht, das Ende ist ambivalent. Die Antwort muss jeder für sich selbst finden.

Fazit: Großes Erzählkino, das sich ganz auf die beiden superben Hauptdarsteller konzentriert.


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