Gee, that was swell: Sufjan Stevens @ Colosseum Theater, Essen



Der einzige Grund für mich, dem Ende des Sommers etwas Positives abzugewinnen, war das Konzert von Sufjan Stevens am Samstag in Essen - ein Ereignis, auf das ich seit Monaten hingefiebert habe. Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich Sufjan Ende Januar 2011 im Sydney Opera House gesehen habe, was wohl mein liebstes Konzert überhaupt war, und dann noch einmal vier Monate später in Essen. Nun, da er nach viereinhalb langen Jahren wieder ins Colosseum Theater zurückgekehrt ist, stand es natürlich außer Frage, dass ich mir diesen Konzert auch ansehe.

Was meine Vorfreude noch gesteigert hat war, dass Basia Bulat der Support war. Es ist wirklich selten, dass ich zu einem Konzert gehe und den Support wirklich mag (oder auch nur kenne), um so mehr hat es mich gefreut, dass Basia - in ein goldenes Cape gekleidet - die Show eröffnet hat. Ich kenne zwar nicht wirklich viel von ihr, aber ihr letztes Album Tall Tall Shadow gefällt es mir sehr gut und ich höre es auch zwei Jahre nach der Veröffentlichung immer noch häufig. Ich kannte auch nicht alle Lieder, die sie in Essen gespielt hat, darunter das Eröffnungsstück, das einzig aus einer Elektromelodie und ihrem Loop-verstärktem Gesang bestand. Auch wenn das schon recht stark war, war ich froh, dass sie im Anschluss zur Autoharp gegriffen hat - ein Instrument, das in der Poplandschaft immer noch ziemlich unterrepräsentiert ist, wie ich finde. Daneben hat sie auch Klavier und Ukulele gespielt und wurde, teilweise, von Andrew Wilson an der Gitarre begleitet.

Neben ihren eigene Liedern spielte sie auch ein Lied von "einem anderen Montréaler", nämlich Leonard Cohen: Eine tolle Fassung von "Ain't No Cure for Love", die allerdings den Nachteil hatte, das währenddessen eine Seite der Autoharp gerissen ist: "I guess that is what happens when you're rocking out to Leonard Cohen", so Bulat. Highlight für mich war das finale "It Can't Be You", bei dem sie unter Beweis stellte, dass sie mit ihrer Stimme auch ganz ohne Mikro den Saal erfüllen kann. Ein wunderbarer Auftritt, der mit 30 Minuten viel zu kurz war (und bei dem sie auch leider nicht meinen Favoriten "Paris or Amsterdam" gespielt hat).

Immerhin mussten wir nur gut 20 Minuten warten, bis Sufjan die Bühne betreten hat. Ich hatte im Vorfeld keine Reviews gelesen, um mich überraschen zu lassen. Ich konnte mir auch überhaupt nicht vorstellen, was mich erwarten würde. Es hätte mich nicht überrascht, wenn Sufjan nach dem reduzierten Carrie & Lowell solo auf die Bühne gekommen wäre, aber er hatte eine vierköpfige Band dabei (darunter auch Dawn Landes). Gleich zum Auftakt bastelte die Band eine wuchtige Klangcollage um die Klavierakkorde von "Redford" herum, die zeigte, dass Stevens nicht mit dem Maximalismus von The Age of Adz gebrochen hat. Dem folgte allerdings das wunderbar zarte "Death with Dignity", das auch Carrie & Lowell eröffnet. Während die Bühne in warme Farben getaucht war, liefen im Hintergrund Familienvideos - eine beeindruckende visuelle Ergänzung zu dem Stück, in dem Stevens musikalisch Abschied von seiner 2012 verstorbenen Mutter nimmt.

Umgefähr die erste Stunde lang spielte Sufjan nur Songs von Carrie & Lowell. Am Anfang unterschieden sich diese meist noch so sehr von der Albumfassung, aber am Ende explodierten sie dann geradezu in gigantische Soundgebilde, in denen verschiedene Instrumente wie Klavier, Keyboards, Gitarre, Schlagzeug, Percussions oder Ukulele sowie diverse elektronische Effekte kulminerten. "Fourth of July" etwa begann als ruhiges Klavierstück, bevor am Ende ein dicker Klangteppich entstand, bei dem die Worte "We're all gonna die" immer und immer wieder wie bei einem Mantra wiederholt wurden, während die Scheinwerfer durch den Saal schwenkten, und jede einzelne Person anleuchteten, als wollten sie sagen: Dich trifft es auch. Überhaupt zeigte sich hier, dass auch diese Tour - wenngleich sie nicht so verrückt ist wie die letzte - ein Gesamtkunstwerk ist, bei dem die Lichter und die Videos, seien es Familien- oder Landschaftsaufnahmen - ebenso gezielt eingesetzt werden wie jedes einzelne Instrument.

Die einzelnen Songs unterschieden sich live mal mehr und mal weniger von den Albumversionen. "Eugene" etwa spielte Sufjan allein auf der Akutiskgitarre, wodurch sein wunderbar intimer Charakter erhalten blieb. "All of Me Wants All of You" hingegen erhielt eine Adz-mäßigen Elektrobeat, sodass ich es erst erkannte, als der Gesang einsetzte. Im Verlauf spielte er auch einige ältere Songs wie "The Owl and the Tanager", sein vielleicht düsterstes Lied überhaupt, sowie "Vesuvius" und "I Want to Be Well", die den Gigantismus von The Age of Adz aufleben ließen. A propos Gigantismus: Zum Ende spielte die Band "Blue Bucket of Gold", das mit einem etwa 15-minütigen, instrumentalen Outro endete - erschöpfend aber erhebend zugleich.

Nachdem sich das Publikum minutenlang die Hände wund geklatscht hatte, kam die Band schließlich für eine Zugabe zurück. Na gut, zuerst war es nur Sufjan, der wie schon beim letzten Mal "Concerning the UFO Sighting near Highland, Illinois" spielte. Mit der Band gab es "The Dress Looks Nice On You" und "To Be Alone With You" von Seven Swans sowie "John Wayne Gacy Jr." von Illinois, wobei Stevens - der während des eigentlichen Sets kein Wort gesagt hatte - bemerkte, dass es schon komisch sei, nach den ganzen anderen Lieder jetzt ausgerechnet seine "Mörderballade" zu spielen: "It's messed up, but such is life." Den Abschluss bildete, fast schon obligatorisch, "Chicago", diesmal allerdings in der langsamen, sanften Akustikversion. Ich hatte ja ein bisschen auf "I Walked" oder "Casimir Pulaski Day" gehofft, weil sie auch thematisch gut gepasst hätten, aber man kann nicht alles haben.

Machen wir uns nichts vor: Konzerte von Sufjan Stevens sind keine leichte Kost. Aber auch, wenn man sich von den Arrangements oft überwältigt fühlt, zeigt das doch, was für eine Ausnahmekünstler Stevens ist. Die fein ausgearbeiteten Soundcollagen (er bezeichnete die Musiker deswegen auch als "the hardest working band in showbusiness") in Verbindung mit der Licht- und Videoshow sind ein in jeder Hinsicht stimulierendes Erlebnis. Ein Konzert, das den Tod als zentrales Thema hat, und doch voller Leben ist. Ein Triumph.



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