TV Night: Better Call Saul (Season 1)



In den letzten Jahren gab es wohl keine Serie, die so sehr gehypt wurde wie Breaking Bad, von daher ist es nicht unbedingt überraschend, dass AMC und Serienautor Vince Gilligan die Geschichte in irgendeiner Weise ausdehnen wollten. Hauptfigur des Spin-Offs Better Call Saul ist, wie der Titel vermuten lässt, Saul Goodman (Bob Odenkirk), der dubiose und etwas lächerliche "criminal lawyer", der Walter White und Jesse Pinkman beim Handel mit Crystal Meth unterstützt. Als alter Breaking Bad-Freund war klar, dass ich mir das ansehen muss. Zudem war Saul immer eine meiner Lieblingsfiguren, da er es in erster Linie war, der für das dringend notwendige comic relief gesorgt hat. Erfreulich war auch, dass die Folgen jeweils einen Tag nach der US-Ausstrahlung auf Netflix verfügbar waren, ich wünschte, das wäre bei allen Serien so.

Better Call Saul beginnt im Jahr 2002 und damit sechs Jahre vor den Geschehnissen von Breaking Bad. Damals hieß Saul Goodman noch Jimmy McGill und hatte seine Karriere als Anwalt gerade erst begonnen. In seiner Heimat Cicero, Illinois, war er als "Slippin' Jimmy" bekannt, der seinen Lebensunterhalt mit dem Abziehen von Leuten verdiente, in Albuquerque jedoch versucht er es auf die ehrliche Tour - meistens jedenfalls. Mit einem Diplom von der "University of American Samoa" und einem mit Ach und Krach bestandenen Bar Exam hat er es allerdings nicht leicht: Als Pflichtverteidiger verdient Jimmy nur wenig, sein Auto ist Reif für die Müllhalde und er lebt und arbeitet im Hinterzimmer eines thailändischen Nagelsalons. Dazu muss er sich noch um seinen älteren Bruder Chuck (Michael McKean) kümmern, der psychisch krank ist. Chuck war einst ein sehr erfolgreicher Anwalt und Mitbegründer der Kanzlei Hamlin, Hamlin & McGill, doch nun kann er das Haus nicht mehr verlassen, da er sich einbildet, an einer elektromagnetischen Hypersensitivität zu leiden. In der noblen Kanzlei haben alle nur Verachtung für Jimmy übrig - bis auf Kim Wexler (Rhea Seehorn), die Jimmys engste Freundin ist.

Die zweite Hauptfigur ist ebenfalls ein alter Bekannter: Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), Sauls Mann fürs Grobe. In Breaking Bad haben wir ja schon erfahren, dass Mike früher Polizist in Philadelphia war. In Better Call Saul wird nun klar, warum Mike damals seinen Job verließ und nach Albuquerque kam. Ansonsten halten sich die Überschneidungen mit Breaking Bad in Grenzen: Es gibt zwar immer wieder kleine Anspielungen, aber man muss sie nicht verstehen, um Better Call Saul zu verstehen. Viele sind mir sogar entgangen, da ich Breaking Bad nur einmal gesehen habe. Spin-Offs haben ja immer den Beigeschmack von Abklatsch, aber Gilligan und Co-Creator Peter Gould machen schnell deutlich, dass Better Call Saul eine ganz eigenständige Serie ist, die sehr gut ohne die großen Figuren des Originals auskommt. Diese sind auch gar nicht nötig, wenn man eine Charakter wie Jimmy McGill hat: Innerhalb von wenigen Folgen machen die Autoren aus dem karikaturhaften Saul Goodman eine dreidimensionale Figur von erstaunlicher emotionaler Tiefe. Wer hätte gedacht, dass der schmierige Anwalt eigentlich eine höchst komplexe und geradezu tragische Figur ist? Und sympathisch noch dazu?

Das ist jedoch nicht die einzige Überraschung von Better Call Saul. Während der ersten Folgen ist die Serie ganz unterhaltsam, aber in der zweiten Hälfte der Staffel gewinnt sie an einer Qualität, die ich nicht für möglichen gehalten hätte. Geradezu meisterhaft verweben die Autoren verschiedene Flashbacks, bis die einzelnen Puzzleteile am Ende ein Bild ergeben, das erklärt, warum Jimmy McGill zu Saul Goodman wurde. Zudem ist Better Call Saul weit weniger Comedy als man vermuten könnte. Humor wird sparsam, aber zielsicher eingesetzt. Viel häufiger ist Better Call Saul gerade zu herzzerreißend traurig, vor allem die vorletzte Folge "Pimento" ist eine Tragödie von fast shakespearschem Ausmaß. Auch kommt die Serie im Gegensatz zu Breaking Bad fast ganz ohne Action und Gewalt aus, was ich persönlich sehr angenehm finde. Better Call Saul lebt von seinen Figuren, die fast alle im Verlauf der ersten Staffel eine erstaunliche Komplexität entwickeln. Getragen wird dies von den wunderbaren Schauspielern, insbesondere Odenkirk und Banks liefern eine fantastische Leistung ab.

Auch wenn der Grundstein für Jimmys Verwandlung gelegt wurde, ganz vollzogen ist sie, soviel sei verraten, noch nicht. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie es mit ihm und den anderen Figuren weitergeht. Viele hoffen ja darauf, dass Jesse Pinkman oder Gus Fring bald dazustoßen, aber ich finde, das ist gar nicht notwendig. Better Call Saul ist auch so äußerst sehenswert. Am Anfang war ich nur neugierig, aber nach der ersten Staffel kann ich sagen: Die Abenteuer von Jimmy McGill gefallen mir besser als Breaking Bad.


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