TV Night: Fargo (Season 1)



Als ich vor vielleicht einem Jahr gehört habe, dass aus dem Coen-Brüder-Klassiker Fargo eine Fernsehserie gemacht wird, war ich skeptisch und erfreut zugleich. Skeptisch, weil Fargo vielleicht der beste Coen-Film überhaupt ist und ich mir nicht vorstellen konnte, wie man daraus eine halbwegs gleichwertige Serie machen kann. Erfreut, weil ich die Geschichte immer gerne mochte und eine Laufzeit von 98 Minuten eigentlich viel zu kurz ist, um die ganzen interessanten Charaktere auszuloten. Als ich dann noch erfahren habe, dass Martin Freeman eine der Hauptrollen spielt war klar, dass ich mir das Ding ansehen muss.

Meine erste große Erleichterung war, dass Fargo die Serie, anders als ich zunächst dachte, keine bloße Auswalzung von Fargo dem Film ist, sondern ihre ganz eigene Geschichte erzählt, die wenngleich deutlich von den Coen-Brüdern (die auch als Produzenten fungieren) beeinflusst ist. Fargo die Serie spielt ebenfalls in Minnesota, allerdings in dem kleinen Ort Bemidji. Hier hat Auftragskiller Lorne Malvo (Billy Bob Thornton) einen Autounfall, woraufhin ein nackter Mann aus dem Kofferraum springt und in den Wald rennt. Versicherungsmakler Lester Nygaard (Martin Freeman) wird derweil von seinem ehemaligen Mitschüler Sam Hess belästigt. Nachdem Lester sich versehentlich selbst die Nase bricht, trifft er in der Notaufnahme des Krankenhauses auf Malvo und erzählt ihm von Hess' Drangsalierung. Malvo erwidert kurzerhand, dass er Hess kalt gemacht hätte, der kurze Zeit später tatsächlich ermordet wird. Der nackte, inzwischen erfrorene, Mann im Wald und der Mord an Hess rufen Polizeichef Vern Thurman und Deputy Molly Solverson (Allison Tolman) auf den Plan. Die beiden Morde sind jedoch erst der Anfang einer ganze Serie von Toten. 

Und einer ganzen Serie von interessanten Charakteren: Da ist der Polizist und alleinerziehender Vater Gus Grimly (Colin Hanks), der es in Duluth mit Malvo zu tun bekommt, und seine altkluge Tochter Greta (Joey King), da sind die Killer Mr. Numbers (Adam Goldberg) und Mr. Wrench (Russell Harvard), die im Auftrag eines Syndikats in Fargo Hess' Mörder zur Strecke bringen sollen, da ist Mollys Vater Lou (Keith Carradine), der selbst einmal Polizist war, und da ist der zweite Polizeichef Bill Oswalt (Bob fucking Odenkirk) der mit den ganzen Morden vor Ort heillos überfordert ist. Die ganzen skurrilen Nebenfiguren habe ich da noch nicht einmal erwähnt. Am besten sind aber immer noch die drei Hauptfiguren: Malvo ist ein Manipulator wie er im Buche steht, der eine geradezu perverse Freude daran hat, andere in seinem Sinn zu beeinflussen. Lester ist schon fast so etwas wie eine jämmerliche Version von Walter White, ein Versager, der mittels Gewalt sein Ego aufbaut. 

Die Krönung für mich ist jedoch Molly, die ohne Frage eine meiner liebsten Fernsehfiguren überhaupt ist. In letzter Zeit gab es ja sehr viele gute Fernsehserien, aber kaum eine hatte wirklich gut geschriebene Frauenfiguren. Bei Fargo ist das anders: Molly ist die einzige, die es intellektuell mit Malvo aufnehmen kann. Sie ist clever, sie ist ausdauernd, sie ist witzig und sie ist ein durch und durch guter Mensch. Es ist tatsächlich ganz erfrischend, mal einen Polizisten zu haben, der nicht permanent von seinen eigenen Dämonen gequält wird. Molly macht ihren Job und sie macht ihn verdammt gut - ebenso wie Schauspielerin Allison Tolman. Für mich ist sie die Neuentdeckung in der Fernsehlandschaft. Sie macht Molly erst zu einer Figur, der man trotz ihrer "Normalität" noch lieber zusieht als Psychopath Malvo. Aber auch die anderen Schauspieler legen eine erstklassige Leistung ab, mit dem Bonus, dass sie fast alle diesen wunderbar nüchternen Minnesota-Akzent haben. Es ist zudem eine große Freude, Freeman mal als Bösewicht und Odenkirk als Trottel zu erleben - ganz anders als die Rollen, die man sonst so von ihnen kennt.

So wie die Sumpflandschaft von Louisiana ein wichtiger Bestandteil von True Detective ist, so ist das winterliche Minnesota essentiell für Fargo. Serienentwickler Noah Hawley versteht es (wie seinerzeit die Coens) geradezu meisterhaft, mit dem unendlichen Schnee Atmosphäre zu erzeugen - insbesondere in der Folge "Buridan's Ass", wo sich Molly, Gus, Malvo, Mr. Numbers und Mr. Wrench in einem Schneesturm verlieren. Generell weiß Hawley, wie man Spannung aufbaut: Ständig wird man als Zuschauer von Unbehagen geplagt, weil Malvo und Co. so unberechenbar sind. Oftmals wird Spannung aufgebaut und es passiert dann nichts, aber gerade das macht auch den Reiz von Fargo aus. Alles ist möglich, man weiß nie, was als nächstes geschieht. Gleichzeitig verfügt Fargo über denselben schwarzen Humor der Vorlage, zudem sind Malvo und Molly zwei Wisecracker par excellence. Jemand soll bitte einen Supercut von all ihren genialen Einzeilern machen, ich würde ihn mir wieder und wieder ansehen.

Und für Coen-Freunde: Man muss Fargo den Film nicht gesehen haben, um Fargo die Serie zu verstehen, da sie wie gesagt ihre eigene Geschichte erzählt, aber es macht natürlich einen Heidenspaß, die beiden miteinander zu vergleichen. Hawley baut immer wieder kleine Referenzen an den Film in die Serie ein, zum Beispiel das im Schnee vergrabene Lösegeld. Am meisten habe ich mich jedoch darüber gefreut, dass Freemans Nygaard genauso einen hässlichen Anorak trägt wie Jerry Lundegaard. Das zeugt einfach von einer Liebe zum Detail, die sich durch die ganze Serie zieht.

Noah Hawley ist es tatsächlich gelungen, eine Serie zu drehen, die mit dem Filmvorbild mithalten kann. Fargo hat herrliche Figuren, ist unglaublich witzig und oft auch unerträglich spannend. Außerdem zeigt er, dass man im Zeitalter des Anti-Helden immer noch großartige Geschichten erzählen kann, in denen gut gut und böse böse ist. Nur schade, dass es sich bei Fargo wie bei True Detective um eine Anthologie handelt und wir die Figuren in dieser Form nicht wiedersehen werden. Zwar soll sich die zweite Staffel mit einem jungen Lou Solverson und dem Vorfall in Sioux Falls, der immer wieder erwähnt wird, beschäftigen, aber Allison Tolman wird leider nicht mehr dabei sein. Hoffen wir, dass die zweite Staffel trotzdem so grandios wird wie die erste.

Fazit: Geniale Neuauflage des Coen-Brüder-Klassikers im Serienformat.



Kommentare